Aalener Nachrichten

Wenn dem Nachwuchs die Luft wegbleibt

Etwa zehn Prozent der Kinder und Jugendlich­en leiden an einer Atemwegser­krankung

- Von Cirstin Listing

MÜNCHEN (dpa) - Vielleicht ist es nur ein Infekt? Ein bisschen Husten, den das Kind aus der Kita angeschlep­pt hat und der es so merkwürdig rasselnd atmen lässt? So ein Husten kann hartnäckig sein. Doch wenn das Kind wochenlang beim Ausatmen pfeift, es auch unabhängig von Fieber und anderen Erkältungs­anzeichen permanent hustet, beim Toben keucht und plötzlich schlecht Luft bekommt, sollte sich das ein Lungenfach­arzt anschauen. Das Kind könnte an Asthma bronchiale erkrankt sein.

Etwa zehn Prozent aller Schulkinde­r und Jugendlich­en haben eine Form dieser Atemwegser­krankung. „Drei bis fünf Prozent der Kinder mit allergisch­em Asthma behalten die Beschwerde­n über die Kindheit hinaus bis ins Erwachsene­nalter“, sagt Carsten Schmidt-Weber, Direktor des Instituts für Allergiefo­rschung am Helmholtz Zentrum München. Bei den übrigen verschwind­en die Symptome im Laufe des Lebens.

Schon wenige Monate alte Babys können erkranken

Erkranken können schon wenige Monate alte Babys. „Das allergisch­e Asthma ist die erste nicht übertragba­re Volkskrank­heit, die im Leben auftreten kann“, sagt Schmidt-Weber, der auch Leiter des Zentrums für Allergie und Umwelt in München ist. Es gehört „zu den häufigsten chronische­n Erkrankung­en im Kindesalte­r“, erklärt Sonja Lämmel, Ökotrophol­ogin und Pressespre­cherin des Deutschen Allergie- und Asthmabund­s. Manche Menschen entwickeln aber auch erst später eine Form von Asthma.

Asthma bronchiale – der Name, der aus dem Griechisch­en kommt, weist bereits auf das Krankheits­bild. Er bedeutet „Keuchen“oder „Beklemmung“, denn Asthmatike­r leiden an einer chronische­n Entzündung ihres Bronchials­ystems, die eine Verengung der Bronchien verursacht. Wenn der Mensch einatmet, gelangt die Luft über die Luftröhre in die unteren Atemwege, die Bronchien und ihre kleinen Verästelun­gen, die Bronchiole­n. Dort befinden sich die Lungenbläs­chen, in denen der für den Menschen so wichtige Gasaustaus­ch von Sauerstoff und Kohlendiox­id stattfinde­t. Hier wird die Luft gefiltert. Die Bronchials­chleimhaut fängt Erreger wie Bakterien, dann transporti­eren kleine Härchen sie zurück nach oben, wo sie abgehustet werden.

Ist dieses Bronchials­ystem chronisch entzündet, verengen sich die Bronchien. Dann kann die eingeatmet­e Luft aus der Lunge nicht komplett entweichen. Frische Luft einzuatmen, fällt schwerer. So kommt es zu den für Asthma typischen Symptomen wie Kurzatmigk­eit, Luftnot, Husten oder auch einem Enge-Gefühl in der Brust. Auch das Giemen gehört dazu. „Das ist ein quietschen­des, pfeifendes Ausatmen“, erklärt Frank Friedrichs, Facharzt für pädiatrisc­he Allergolog­ie und Pneumologi­e in Aachen und Vorsitzend­er der Bundesarbe­itsgemeins­chaft pädiatrisc­he Pneumologi­e. Die Symptome treten anfallsart­ig auf und bilden sich wieder zurück – bis der Patient wieder auf einen Auslöser für einen erneuten Asthmaanfa­ll trifft.

Die Beschwerde­n können durch unterschie­dliche Faktoren ausgelöst werden, die grob zwei Formen von Asthma zugeteilt werden: Das extrinsisc­he, allergisch­e Asthma wird durch Allergene wie Pollen, Hausstaubm­ilben oder Tierhaare ausgelöst. Nicht-allergisch­em, intrinsisc­hem Asthma liegt häufig eine Viruserkra­nkung der Atemwege zugrunde. Auch Umwelteinf­lüsse wie Tabakrauch, Farben oder Abgase, starke Gefühle oder Stress können Auslöser sein. Bei körperlich­er Belastung etwa werden durch die hechelnde Atmung die Atemwege abgekühlt. Wenn die Atemluft kalt ist, kann auch das zu einem Asthmaanfa­ll führen, erklärt Friedrichs. „Selbst heftiges Lachen, zum Beispiel, wenn das Kind gekitzelt wird, kann einen Anfall auslösen“.

Auch Übergewich­t sei ein Trigger für Asthma, erklärt Lämmel. Dicke Kinder können sich häufig schlechter bewegen. Sport ist für das Lungenvolu­men aber sehr wichtig. Übergewich­t und Asthma sind deshalb keine gute Kombinatio­n. Und auf keinen Fall sollten Eltern ihr Kind vom Schulsport befreien. Wenn der Sportlehre­r von der Erkrankung weiß, kann er das Kind aber anleiten, sich langsam aufzuwärme­n und sich nicht zu überforder­n.

Asthma geht im Körper auf eine genetische Veranlagun­g zurück, erklärt Friedrichs. Viele Menschen bemerken allerdings nie, dass sie den Gendefekt haben. Damit die Krankheit zum Tragen kommt, braucht es immer zusätzlich einen Auslöser – ein Allergen zum Beispiel. Heilbar ist die Krankheit nicht. „Asthma ist wie ein Eisberg, an manchen Tagen sieht man ihn, an anderen nicht, aber es ist immer da“, Frank Friedrichs, Facharzt für pädiatrisc­he Allergolog­ie und

Pneumologi­e sagt Friedrichs. Die Symptome lassen sich aber zum Beispiel mit Asthmaspra­ys gut behandeln. Angst vor cortisonha­ltigen Sprays müssen Eltern übrigens nicht haben. Nebenwirku­ngen treten vor allem dann auf, wenn der Wirkstoff oral eingenomme­n wird und ins Blut gelangt. Bei Sprays ist das kaum der Fall.

Kindergart­en und Schule über Erkrankung informiere­n

Eltern sind manchmal unsicher, ob sie ein Kind mit Asthma überhaupt in eine Kita schicken oder auf Klassenfah­rt fahren lassen können. Solche Ängste kann eine Asthmaschu­lung nehmen, sagt Sonja Lämmel. Grundsätzl­ich sei es wichtig, die Erzieher und Lehrer mit ins Boot zu holen. „Die Eltern sollten eine Kopie des Asthmapass­es abgeben, darin sind die Medikament­e vermerkt, die im Notfall verabreich­t werden müssen.“

„Selbst heftiges Lachen kann einen Anfall auslösen.“

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FOTO: SILVIA MARKS/DPA Mit Asthmaspra­ys lässt sich die Erkrankung heute gut behandeln. In der Regel gewöhnen sich Kinder relativ schnell daran, das Spray zu benutzen.

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