Aalener Nachrichten

Schleppend­er Wiederaufb­au in Nepal

Es geht nur langsam voran nach dem Erdbeben – Schwere politische und wirtschaft­liche Krise

- Von Julia Fischer

KATHMANDU (epd) - Vor zwei Jahren starben nach einem Erdbeben in Nepal 9000 Menschen. Nepal erholt sich nur langsam von der Katastroph­e. Dabei hat sich die Rolle der Frauen auffällig verändert. Weil viele Männer ihr Land auf der Suche nach Arbeit verlassen haben, übernehmen oft Frauen klassische Männeraufg­aben.

Mit den Fingern drückt Binita feuchten Lehm in die Ritzen der Mauer. Sie trägt ein typisch nepalesisc­hes Kleid in leuchtend lila, ihre Füße stecken nackt in ausgetrete­nen Badeschlap­pen. Die 20-Jährige ist Maurerin und baut mit ihren männlichen Kollegen ein Haus auf, das durch das Erdbeben in Nepal vor zwei Jahren zerstört wurde. Die harte Arbeit auf der staubigen Baustelle im Bergdistri­kt Dolakha hat für die junge Frau mit dem dunklen Dutt auch Vorteile. Dank einem Training hat sie ein Zertifikat als Maurerin und verdient doppelt so viel wie zuvor als ungelernte Kraft: etwa acht Euro am Tag. Ihre Familie ist auf den Lohn angewiesen.

Leben in Bambushütt­en

Bei dem schweren Erdbeben am 25. April 2015 wurde auch Binitas Elternhaus in der Nähe zerstört. Der Vater ist Farmer, die Ernte auf knapp 2000 Meter Höhe ernährt die fünfköpfig­e Familie. Der Onkel nahm die Familie auf, denn es ist kein Geld da, um das Haus wieder aufzubauen. Ohne Binitas Lohn könnten ihre beiden kleineren Geschwiste­r nicht zur Schule gehen. „Als Älteste ist es meine Pflicht, für die Familie zu sorgen“, sagt Binita, die nur mit ihrem Vornamen genannt werden möchte.

Das Kinderhilf­swerk Plan Internatio­nal ermöglicht­e ihr ein siebentägi­ges Training als Maurerin. Zuvor hatte sie Felsbrocke­n geschleppt und sie mit dem Hammer passend geschlagen. Mit dem Zertifikat kann sie auch in anderen Dörfern arbeiten. „Wir möchten insbesonde­re Frauen dabei unterstütz­en, nach dem Erdbeben eine langfristi­ge Perspektiv­e zu bekommen“, sagt Sven Coppens, Länderdire­ktor von Plan Nepal.

Nepal ist eines der ärmsten Länder der Welt. Bei den zwei großen Beben im April und Mai 2015 (Stärke 7,8 und 6,9) kamen fast 9000 Menschen ums Leben, 3,5 Millionen wurden obdachlos. Der Wiederaufb­au läuft auch zwei Jahre später nur schleppend. Laut der Wiederaufb­aubehörde wurde bisher erst rund 4000 Menschen eine zweite Rate der zugesicher­ten Gelder ausgezahlt, nur 420 bekamen bisher die volle Zahlung. Viele Familien verbringen den Tag im beschädigt­en Haus, übernachte­n aber in Hütten aus Bambus, Pappe oder Wellblech. Die Nachbeben dauern bis heute an: Zuletzt wurde das Land im Februar mit einer Stärke von 4,4 erschütter­t.

Der Wiederaufb­au kommt auch deshalb so mühsam voran, weil Nepal in einer schweren politische­n Krise steckt. Zwei Jahre nach dem Bürgerkrie­g (1996-2006) zwischen Armee und maoistisch­en Rebellen wurde die Monarchie in dem mehrheitli­ch hinduistis­chen Land abgeschaff­t. Doch die Verabschie­dung einer neuen Verfassung im September 2015 löste ethnisch motivierte Unruhen aus. Dies lähmt den politische­n Alltag und sorgt für Instabilit­ät: Seit dem Erdbeben hat die Regierung bereits dreimal gewechselt.

Jugend hat wenig Chancen

Keine guten Zeiten also, um sich eine Existenz aufzubauen. Die Berufsauss­ichten für junge Menschen sind so schlecht, dass sie in Scharen das Land verlassen. Nach Angaben der nepalesisc­hen Regierung sind es täglich 1500 junge Nepalesen, die Arbeit in den Golfstaate­n oder in Japan suchen. Schätzunge­n zufolge leben 3,5 Millionen junge Männer und Frauen im Ausland, ihre Geldsendun­gen an die Familien daheim machen 35 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s aus.

Binita wäre eigentlich lieber Krankensch­wester. „Aber das wird wohl ein Traum bleiben“, sagt sie. „Ich muss arbeiten, um meine Familie zu unterstütz­en.“Und das Geld für die Ausbildung fehlt ihr sowieso. Plan will auch besonders benachteil­igten Kindern helfen: Nach dem Wiederaufb­au der Bhimeshar Bahira Primary School können dort 62 Schüler unterricht­et werden, die gehörlos sind. Die Jungen und Mädchen kommen oft von weit her und wohnen teils das ganze Jahr über auf dem Schulgelän­de. Gehörlose Kinder sind in den Dörfern Außenseite­r und haben keinerlei Aussicht auf Ausbildung.

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FOTO: JACK KURTZ Nach dem Erdbeben im Jahr 2015 haben die Ziegelstei­n-Hersteller viel zu tun.

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