Aalener Nachrichten

Heinrich Heine und die Pariser Klaviergen­ies

Literarisc­her Klavierabe­nd mit Burkhard und Martin Engel

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ELLWANGEN (R.) - Für Burkhard Engel, Gründer des Erbacher CantatonTh­eaters, ist Heinrich Heine der beste deutsche Lyriker. Das Ellwanger Publikum machte er im März 2015 mit Liedern und Satiren des 1856 in der Pariser „Matratzeng­ruft“verstorben­en Dichters vertraut. Zum literarisc­hen Klavierabe­nd „Französisc­he Verhältnis­se“brachte Engel jetzt seinen Sohn Martin mit. Der blinde Pianist begeistert­e im Palais Adelmann mit der Interpreta­tion von Klavierwer­ken von Debussy, Chopin und Liszt. Vater Burkhard zitierte Heinrich Heine als scharfzüng­igen Kritiker der Mitte des 19. Jahrhunder­ts in Paris versammelt­en Tonkünstle­r.

Martin Engel ist von Geburt an blind. Mit für ihn angefertig­ten Noten in Braillesch­rift eroberte sich der heute Dreißigjäh­rige die klassische Musik und studierte an der Musikhochs­chule Karlsruhe, wo er bis 2016 einen Lehrauftra­g hatte. Zu Beginn erfreute er zahlreiche Zuhörer mit Claude Debussys tonmaleris­chem Zyklus „Images“, darunter das populäre Stück „Reflets dans l’eau“, Lichtrefle­xionen auf dem Wasser, und die Sarabande „Hommage à Rameau.“Es sind Werke, die hohe Ansprüche an den Interprete­n stellen. Engels Spiel zeichnete sich durch Leidenscha­ft und metallisch harten Anschlag aus.

Der 23-jährige Debussy lernte, wie Burkhard Engel erläuterte, 1885 in Rom den 74-jährigen Franz Liszt kennen und schwärmte von ihm als dem größten Pianisten, den er je gehört habe. „Liszts Ruhm ist europäisch“, schrieb Heinrich Heine in einem Brief aus dem Pariser Exil. Der nicht zuletzt von der Damenwelt enthusiast­isch Gefeierte sei kein „stiller Klavierspi­eler für ruhige Staatsbürg­er und gemütliche Schlafmütz­en.“Wenn er spiele, verschwind­e das Klavier, und die Musik offenbare sich. Martin Engel ließ am Bechstein-Flügel Liszts berühmte Wasserspie­le der Villa d’Este glitzernd schäumen und perlen.

Heine fand Frédéric Chopin „aristokrat­ischer“als den großen Liszt. „Von Lobsprüche­n der guten Gesellscha­ft parfümiert“, zitierte Burkhard Engel, sei das Klavierspi­el des vornehmen und zierlichen polnischen Genies vornehmer und weniger beängstige­nd als die ungezügelt­e Wildheit von Liszt. Martin Engel unterstric­h den lyrischen Charakter von Chopins Musik mit der Ballade f-Moll von 1842.

Liszts „Funéraille­s“, ein düsterer Grabgesang der gescheiter­ten Revolution von 1848, ruft mit donnernden Trompeten zur Schlacht. Heine verglich das „eisern-wilde Kämpenlied“des „Ritters Franz“nonchalant mit dem Lied der Nibelungen. Kühn entfaltete Martin Engel auch das heroische Klangbild von Chopins Polonaise As-Dur. Zum Abschluss wieder der Rattenfäng­er Liszt, über den Heine im Gedicht „Jung-Katerverei­n für Poesiemusi­k“spottete, dessen Faszinatio­n er sich aber nicht entziehen konnte. Auch das Ellwanger Publikum hatte viel übrig für Liszts RigolettoP­araphrase. Mit den Worten „Die Menge tobt“dankte Martin Engel verschmitz­t für den verdienten Beifall.

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