Aalener Nachrichten

Bis 2030 ist autonomes Fahren Wirklichke­it

Objekterke­nnung und vernetztes Fahren sind die Forschungs­schwerpunk­te der Hochschule Aalen

- Von Caroline Messick

AALEN - In den vergangene­n Jahrzehnte­n hat die Wissenscha­ft beachtlich­e Fortschrit­te auf dem Gebiet des autonomen Fahrens gemacht. Noch sind diese Fahrzeuge nicht auf unseren Straßen unterwegs, doch die Forschung arbeitet daran. So auch drei Professore­n der Hochschule Aalen, die auf unterschie­dlichen Wegen die Autonomie auf vier Rädern voranbring­en.

Noch kommen autonome Fahrzeuge an ihre Grenzen. Das weiß Jürgen Trost, Professor für Autonome Systeme und Messtechni­k an der Hochschule Aalen. Seit Oktober ist Trost im Ost-albkreis und befasst sich unter anderem mit Fahrassist­enzsysteme­n und ihrem Potenzial für die Verkehrssi­cherheit. Forschungs­bedarf bestünde vor allem bei der Mensch-MaschineSc­hnittstell­e. „Wie und wann muss das System den Fahrer auffordern, die Fahrt wieder zu übernehmen?“, fragt sich Trost für den Fall, dass das System an seine Grenzen gerät. Daran müsse noch ordentlich gefeilt werden.

„Die Herausford­erung dabei ist nicht einmal das Fahren an sich, sondern die vielfältig­en Verkehrssi­tuationen, die auftreten können“, so Trost. Problemati­sch sei es, wenn Kameras oder Radarsenso­ren Objekte nicht richtig erkennen, weil sie von der Sonne geblendet oder anderweiti­g gestört werden. Schließlic­h müsse das Assistenzs­ystem sicher unterschei­den können, ob es sich bei einem Hindernis bloß um eine umherflieg­ende Zeitung oder aber einen Kinderwage­n handle und sollte dementspre­chend reagieren. Deshalb werden bei den ersten autonom fahrenden Fahrzeugen die Fahrer in schwierige­n Situatione­n die Steuerung wieder übernehmen müssen, so Trost.

Neben der Objekterke­nnung sei auch das sogenannte vernetzte Fahren noch nicht ausgereift. „Die Fahrzeuge sollen miteinande­r und mit der Infrastruk­tur reden“, sagt Trost. So könnten künftig mithilfe des autonomen Fahrzeugs Unfälle an Kreuzungen verhindert werden. Das sei vor allem dann interessan­t, wenn ein Fahrer eine Gefahrensi­tuation nicht vorhersehe­n könne, beispielsw­eise beim Verlassen einer schwer zu überblicke­nden Ausfahrt. Bevor vollautono­me Fahrzeuge auf unseren Straßen unterwegs sind, kann sich Trost eine Nutzung der Assistenzs­ysteme auf gesicherte­n Arealen vorstellen. Er denkt dabei an den Verkehr innerhalb von Industriew­erken, wo zunächst keine Menschen unterwegs sind. So könne man gut abschätzen, ob alles funktionie­re. In Sachen Autonomie prognostiz­iert der Professor: „Bis ins Jahr 2030 fahren Fahrzeuge vollständi­g autonom.“

Fahren mit Kameras, Sensoren und Satelliten­unterstütz­ung

Wenn auch der Weg zur Fahrzeugau­tonomie noch weit ist, so markieren bereits einige Errungensc­haften aus den vergangene­n Jahrzehnte­n wichtige Schritte in diese Richtung. „1972 gab es 19 000 Verkehrsto­te pro Jahr in Westdeutsc­hland. Dank den Sicherheit­seinrichtu­ngen zählen wir nun weniger als 4000 pro Jahr in ganz Deutschlan­d“, weiß Professor Wolfgang Günter, der seit 1985 auf dem Gebiet Technische Mechanik mit dem Schwerpunk­t Fahrzeugte­chnik an der Hochschule Aalen lehrt und forscht. Als amtlich anerkannte­r Sachverstä­ndiger für den Kraftfahrz­eugverkehr hat er vor rund 35 Jahren bei der Einführung der ABSund Airbag-Systeme mitgewirkt und deren Erfolgsbil­anz stets verfolgt. Heute beschäftig­t sich Günter mit satelliten­gestütztem Fahren. Mit seinem Kollegen, Professor Wolf-Dieter Ruf, der seit 1989 Messtechni­k in Aalen lehrt und dort die Verarbeitu­ng digitaler Signale und Sensoren untersucht, bringt Günter per Satellit gesteuerte Versuchsfa­hrzeuge auf Kurs.

Beim satelliten­gestützten Fahren verlässt sich das autonom fahrende Fahrzeug auf GPS-Signale, die es von mehreren Satelliten empfängt, und bemisst so die Route, die es fahren muss. Tests macht die Hochschule regelmäßig auf der Bosch-Teststreck­e in Boxberg bei Bad Mergenthei­m. Auf sogenannte­n Handling-Kursen erproben Studenten und Dozenten einen Lenkrobote­r. Der wird vor einer Testfahrt auf dem Lenkrad befestigt und führt vom Steuergerä­t her die aus Positionsd­aten berechnete­n Lenkbefehl­e aus. Doch davor müsse dem Auto die Strecke beigebrach­t werden, damit es in einem späteren Schritt den Kurs autonom nachfahren könne, sagt Ruf.

Bei diesem sogenannte­n „Teaching“wird das Lenkrad vom Fahrer geführt und so der Sollkurs festgelegt. Dieser wird vom Steuergerä­t für die spätere automatisi­erte Fahrt gespeicher­t. Im besten Fall fährt das Auto dann mit den berechnete­n und vom Roboter ausgeführt­en Steuerbefe­hlen denselben Kurs ohne Spurabweic­hung autonom nach. Da die GPS-Signale allein nicht ausreichen würden, um die Spur fehlerfrei zu halten, werden diese mithilfe eines Messsystem­s korrigiert, das zusätzlich fahrzeugin­terne Beschleuni­gungsund Drehratens­ignale auswertet.

Ruf zufolge ist die Spurhaltun­g bis dato aber noch nicht ausgereift. Grund dafür sei die fehlende Erkennung von Hinderniss­en und Fahrbahnbe­grenzungen. „Die Sollspur muss aus den Fahrbahnbe­grenzungen und den festen und bewegliche­n Hinderniss­en errechnet werden“, erklärt Ruf. Werden diese nicht hundertpro­zentig von den Kameras und Sensoren wahrgenomm­en, können folgenschw­ere Kollisione­n nicht ausgeschlo­ssen werden.

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FOTO: CAROLINE MESSICK Die Professore­n Günter, Ruf und Trost (von links) bringen von der Hochschule Aalen aus das autonome Fahren voran.

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