Echte Einheit
Wie der BVB nach den Anschlägen zusammengewachsen ist – Bartra trainiert wieder
DORTMUND - Was hat Thomas Tuchel nicht alles lesen – und sich auch anhören – müssen über sich in seiner Zeit bei Borussia Dortmund. Zu distanziert! Zu asketisch! Zu getrieben! Zu autistisch sei der Trainer. Ein Fußballfachmann vielleicht, aber keiner, der wirklich zu diesem traditionell emotionalen Club Borussia Dortmund und seinen noch emotionaleren Fans und Bossen passe. Diese Vorwürfe waren nie ganz falsch, Tuchel ist ja wirklich ein Asket und, wenn er nicht gerade an der Seitenlinie steht, das Gegenteil eines Emotionsbolzens.
Doch der wahre Charakter eines Menschen zeigt sich nun mal am besten nach Schicksalsschlägen. Und seit den beinahe fatalen Sprengstoffanschlägen auf den BVB, der ja auch ein Anschlag auf sein Leben war, hat die Öffentlichkeit einen bislang unbekannten Tuchel kennenlernen dürfen. Einen sehr menschlichen, tröstenden, die richtigen Worte findenden Tuchel. Unmittelbar nach den Anschlägen hatte er alljene (Politiker, UEFA, die eigene Clubführung) kritisiert, die seine Mannschaft gezwungen hatten, nur einen Tag später wieder in der Champions League antreten zu müssen. Zusammen mit seinen Spielern schaffte er dann den Spagat, sich auf gar nicht so unbedeutende Fußballspiele vorzubereiten (in der Champions League schied man schließlich aus) und gleichzeitig damit zu beginnen, den verstörenden Anschlag zu verarbeiten. Doch spätestens seit dem glücklichen, aber nicht unverdienten 3:2 gegen den FC Bayern im Halbfinale des DFB-Pokals ist klar: Spieler und Trainer von Borussia Dortmund sind in den letzten Wochen zu einer echten Einheit geworden.
„Natürlich ist es so, dass ein so dramatisches Erlebnis, auch wenn es dann so glimpflich ausgeht, für einen Klebstoff sorgen kann, den du nur durch solche außergewöhnlichen Erlebnisse bekommst“, sagte Tuchel nach dem Sieg in München. Ein in seiner gewissen Kompliziertheit typischer Tuchelsatz, aber eben einer, der voll ins Schwarze traf. Auch, weil er zuvor deutlich betonte, dass man den Anschlag und das Spiel nicht ins Verhältnis setzen dürfe. Aber „wir haben uns auf eine Art und Weise kennengelernt, die wahnsinnig werthaltig und wichtig war“, sagte er. „Wenn man als Team durch schwierige Situationen geht, schweißt das noch mehr zusammen“, erklärte Torhüter Roman Bürki.
Sergej W. streitet Tat ab
Drei Ziele hat der BVB in dieser Saison noch: In der Bundesliga Platz drei sichern, das DFB-Pokalfinale gegen Frankfurt gewinnen und das Trauma des Anschlags weiter verarbeiten. Dem ersten Ziel kann der BVB am Samstag mit einem Sieg gegen Köln (15.30/Sky) im Fernduell mit Hoffenheim einen weiteren Schritt näherkommen.
Für das letzte und wichtigste Ziel würde es helfen, wenn die Tat restlos aufgeklärt wird. Der letzten Freitag laut Bundesanwaltschaft der Tat „dringend verdächtige“festgenommene Sergej W. aus Freudenstadt im Schwarzwald streitet die Tat ab. Zuvor hatten NDR, WDR und „Süddeutsche Zeitung“berichtet, dass die bisherige Auswertung des bei Durchsuchungen sichergestellten Materials „keine weiteren eindeutigen Belege“gebracht hätte.
Am Freitag stieg aber wenigstens der bei dem Attentat an der Hand verletzte Marc Bartra wieder ins Training ein. Der Abwehrspieler absolvierte laut „Bild“eine rund 30-minütige Laufeinheit.
Bürki – Piszczek, Sokratis, Ginter – Passlack, Castro, Weigl, Schmelzer – Dembélé, Reus – Aubameyang. – Horn – Klünter, Subotic, Heintz, Hector – Lehmann, Höger – Jojic, Bittencourt – Osako, Modeste.