Fahrverbote als letztes Mittel
Ab Montag debattiert Stuttgart über Plan für bessere Luft – Ergebnis hat Signalwirkung
STUTTGART - Ab Montag können Stuttgarts Bürger ihre Einwände gegen jene Pläne vorbringen, die für eine bessere Luft im Kessel sorgen sollen. Dabei richten sich Blicke aus ganz Deutschland auf das, was in der Landeshauptstadt passiert. Löst sie die Probleme, die Schadstoffe mittlerweile in rund 80 deutschen Kommunen verursachen? Fest steht: Die Debatte um Fahrverbote und die Finanzierung der geplanten Maßnahmen wird auch zwischen den Regierungspartnern von Grünen und CDU weitergehen.
Am Freitag stellte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) den Entwurf für einen Luftreinhalteplan für die Stadt Stuttgart vor. Das kommunalpolitische Dokument hat für bundesweite Debatten gesorgt. Die Ausgangslage ist klar: Die Verantwortlichen haben sich vor Gericht verpflichtet, ab 2018 wirksame Maßnahmen gegen zu hohe Belastungen durch Feinstaub und Stickoxid zu ergreifen. Auf den fünf Kilometern ums Stuttgarter Neckartor steigen die Feinstaub-Werte an mehr als den zulässigen 35 Tagen im Jahr an. Auf weiteren 70 Straßenkilometern im Stadtgebiet sind regelmäßig die Werte für Stickoxid zu hoch. Außerdem hat die Deutsche Umwelthilfe mehrere Städte verklagt. Die EU-Kommission hat ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil Städte die Schadstoffe in der Luft nicht verringern können. Damit ist Stuttgart gezwungen zu handeln.
Gesundheit gefährdet
Und es muss gehandelt werden, betonen Regierungsvertreter von Grünen und CDU immer wieder. Denn, so Hermann: „Die Schadstoffe gefährden die Gesundheit der Menschen, vor allem jene von Kindern, Senioren und chronisch Kranken.“
Diese Umstände sorgten zuletzt dafür, dass die CDU Fahrverboten für Stuttgart zustimmte. Ab 2018 dürfen nur noch jene Dieselfahrzeuge in die Stadt, die die Euro-6-Abgasnorm erfüllen. Eine Enteignung der Autofahrer sei dies, wetterte die Opposition, die CDU selbst fürchtet unter anderem um Handwerker und Lieferanten. Deshalb stimmte sie den Verboten erst nach großem Widerstand zu. Es bedurfte eines Anrufs des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) bei seinem Vize Thomas Strobl (CDU).
Fahrverbote sind für Kretschmann und Strobl das letzte Mittel. Mit dem Beschluss vom Februar will die Regierung Druck auf die Autokonzerne machen. „Vor einem Jahr haben die noch ausgeschlossen, dass sich ältere Diesel nachrüsten lassen. Heute haben wir ganz andere Signale“, beschrieb Hermann die Reaktion der Autobauer auf mögliche Verbote.
Am kommenden Mittwoch treffen sich Spitzen der Autoindustrie mit Regierungsvertretern, um weiter über Möglichkeiten für eine Nachrüstung zu verhandeln. Ein Streitpunkt dürfte die Frage werden, wer solche Maßnahmen zahlt – der Verbraucher, die Konzerne oder wenigstens zum Teil Land oder Bund. Hermann sieht die Verantwortung bei der Industrie. Diese habe Dieselmodelle verkauft, die auf der Straße wesentlich mehr Schadstoffe ausstoßen als in der Werbung verkündet. Abgesehen davon müsste eine Nachrüstung so wirksam sein wie Fahrverbote. Eine weitere Unwägbarkeit: Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig muss über eine Klage gegen Fahrverbote in Düsseldorf entscheiden. Sollten diese kippen, droht auch in Stuttgart Ärger.
Ohne technische Lösungen und Verbote, so Hermanns Botschaft am Freitag, ließen sich die von den Gerichten geforderten Luftverbesserungen nicht erreichen. Diese werden allerdings schwer zu kontrollieren sein: Nur im KfZ-Schein steht, ob ein Auto die geforderte Norm erfüllt.
Deshalb setzen die Grünen auf eine andere Lösung: die Blaue Plakette. Diese würde analog zu den bislang geltenden roten, gelben und grünen Plaketten für Dieselfahrzeuge eingeführt, die die Abgasnormen erfüllen. Damit könnte die Stadt Zonen ausweisen, in die nur Fahrzeuge mit jener Plakette dürften. Doch das scheitert an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). „Ich erwarte, dass sich nach der Bundestagswahl etwas in der Sache bewegt“, hofft Hermann. Eine Blaue Plakette würde 95 Prozent der geforderten Schadstoffsenkungen erwirken. In weiser Voraussicht sieht der Luftreinhalteplan bereits vor, sich an einer solchen Plakette zu orientieren – wenn sie kommen sollte.