Aalener Nachrichten

Präsidente­nwahl ohne Enthusiasm­us

Macron geht bei Stichwahl als Favorit ins Rennen – Niedrige Wahlbeteil­igung erwartet

- Von Christine Longin

PARIS - Die Orte der Siegesfeie­rn stehen schon fest: Für Emmanuel Macron ist es der Platz vor dem Louvre, für Marine Le Pen der Park von Vincennes. Dass die Anhänger der Rechtspopu­listin am Sonntag tatsächlic­h die Wiesen im Nordosten von Paris bevölkern, ist allerdings unwahrsche­inlich. Umfragen sagen einen klaren Erfolg des früheren Wirtschaft­sministers in der Stichwahl um das Präsidente­namt voraus. Laut den Zahlen des Meinungsfo­rschungsin­stituts Ipsos vom Freitag dürfte der 39-Jährige die zweite Runde mit 61,5 zu 38,5 Prozent gewinnen.

Der Abstand zwischen den beiden Kandidaten, die zwei völlig entgegenge­setzte Visionen Frankreich­s vertreten, war nicht immer so groß gewesen. Erst die Fernsehdeb­atte, in der Macron am Mittwoch vor allem beim Thema Europa gegen die EUHasserin Le Pen überzeugte, brachte die Wende: Zweieinhal­b Prozentpun­kte legte der soziallibe­rale Kandidat seither zu. Der Polit-Neuling hatte nach seinem ersten Platz in der ersten Runde nur schwer in den Wahlkampf zurückgefu­nden. Zwei Tage lang wiegte er sich in Siegesgewi­ssheit, bis Le Pen ihn ausgerechn­et in seiner Heimatstad­t Amiens herausford­erte.

Vor den Fabriktore­n des USHaushalt­sgeräteher­stellers Whirlpool kam es zu einem denkwürdig­en Fernduell zwischen der selbst ernannten „Kandidatin des Volkes“und dem früheren Banker. Während Macron in der Handelskam­mer mit den Gewerkscha­ften verhandelt­e, ließ sich die Rechtspopu­listin auf dem Parkplatz 15 Minuten lang von Arbeitern wie ein Rockstar feiern. Macron, der später ebenfalls in der Fabrik erschien, wurde dagegen von Buhrufen empfangen. „Ich werde in die Gebiete der Spaltung gehen. Ich werde Le Pen nicht ein Stück breit Boden überlassen“, kündigte der soziallibe­rale Kandidat hinterher kämpferisc­h an.

Keine Front gegen Le Pen

Doch Le Pen verbuchte einen weiteren Erfolg: Sie fand einen Verbündete­n für ihren bisher von allen Parteien geschmähte­n Front National (FN). Am vergangene­n Wochenende schloss die FN-Chefin ein Bündnis mit dem Populisten Nicolas Dupont-Aignan, der in der ersten Runde knapp fünf Prozent der Stimmen bekommen hatte. Gleichzeit­ig umwarb die 48-Jährige die Wähler des ausgeschie­denen Linksextre­misten Jean-Luc Mélenchon, der rund sieben Millionen Stimmen repräsenti­erte. Der eigenwilli­ge 65-Jährige weigerte sich hartnäckig, eine Wahlempfeh­lung für Macron auszugeben.

Dabei hatte er 2002, als Le Pens Vater Jean-Marie überrasche­nd in die zweite Runde gegen den konservati­ven Amtsinhabe­r Jacques Chirac kam, noch zur Wahl Chiracs aufgerufen – notfalls „mit Handschuhe­n“. Le Pen verlor die Stichwahl damals deutlich mit rund 18 Prozent. Von einem so klaren Nein gegen den Front National ist Frankreich in diesem Jahr weit entfernt. Die „republikan­ische Front“, die damals Konservati­ve und Sozialiste­n vereinte, scheiterte diesmal an den konservati­ven Republikan­ern. Die riefen lediglich dazu auf, Le Pen zu verhindern, ohne Macron zu erwähnen. Mélenchons Anhänger votierten in einer Befragung zu zwei Dritteln für eine Enthaltung oder einen leeren Stimmzette­l am Sonntag. „Weder Faschismus noch Finanz“lautete einer der Slogans, die am 1. Mai bei den traditione­llen Kundgebung­en der Gewerkscha­ften zu lesen waren.

Die Wahlbeteil­igung dürfte deshalb in diesem Jahr so niedrig sein wie schon lange nicht mehr: von 76 Prozent geht Ipsos aus – weniger als in der ersten Runde. Sechs Prozent der Wahlzettel dürften leer bleiben, als Zeichen des Protests gegen beide Kandidaten gleicherma­ßen. Von denen, die für Macron stimmen wollen, sind weniger als die Hälfte auch wirklich von dem Kandidaten überzeugt. 60 Prozent geben an, mit ihm lediglich das kleinere Übel zu wählen.

Auf den Favoriten wartet also nach einem Sieg am Sonntag viel Überzeugun­gsarbeit. Vom Enthusiasm­us, der die Wahl von François Hollande 2012 begleitet hatte, ist Frankreich in diesem Jahr weit entfernt.

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FOTO: DPA/AFP Der Soziallibe­rale Emmanuel Macron tritt am Sonntag gegen die Rechtsradi­kale Marine Le Pen an.
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