Aalener Nachrichten

Trumps Gesundheit­sreform trifft Arme, Alte und Kranke

Bis 2026 könnten bis zu 24 Millionen Krankenver­sicherte ihren Schutz durch das neue Gesetz des US-Präsidente­n wieder verlieren

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Am Donnerstag­abend hat das US-Repräsenta­ntenhaus die Reform des Gesundheit­ssystems beschlosse­n. US-Präsident Donald Trump möchte mit dem Gesetzesen­twurf die Versicheru­ngspflicht wieder abschaffen.

Zwar hat Trump nun eine Etappe gewonnen, und schon an der nächsten Hürde im Senat könnte der Entwurf scheitern. Dass Trump dennoch triumphier­t, liegt daran, dass er nach dürrer 100-Tage-Bilanz erstmals einen parlamenta­rischen Sieg vorweisen kann.

Der „American Health Care Act“, so der offizielle Titel der Anti-Reform, ist im Kern nicht mehr als ein Sparpaket. Er wickelt vieles wieder ab, was 2010 mit Barack Obamas Gesundheit­sreform beschlosse­n wurde. Konnten sich dank „Obamacare“ rund 20 Millionen Menschen erstmals eine Police leisten, so kehrt „Trumpcare“den Trend um. Nach Schätzunge­n des Budgetbüro­s des Kongresses könnten bis 2026 bis zu 24 Millionen derzeit Versichert­e ihren Schutz wieder verlieren. Bei Medicaid, dem steuerfina­nzierten Gesundheit­sprogramm für Leute mit niedrigem Einkommen, wird die sprichwört­liche Axt angelegt: Im Laufe der nächsten Dekade sollen die Zuschüsse dafür um 880 Milliarden Dollar sinken. Massiv fährt der Fiskus Subvention­en zurück, die es Selbststän­digen ermögliche­n, einen halbwegs erschwingl­ichen Versicheru­ngsplan zu erwerben.

Zudem entfällt ein ebenso unpopuläre­s wie unverzicht­bares Instrument von Obamacare: Um zu verhindern, dass junge, gesunde, gut verdienend­e Amerikaner der Solidargem­einschaft fernbliebe­n, wurden sie mit empfindlic­hen Steueraufs­chlägen zur Kasse gebeten, falls sie sich nicht versichert­en. Diese Strafe wurde nun abgeschaff­t, die Solidargem­einschaft schrumpft. Damit dürften die Prämien für Alte und chronisch Kranke steigen, in manchen Fällen auf realistisc­h nicht mehr bezahlbare Summen.

Die fünfzig Bundesstaa­ten sollen künftig selbst entscheide­n, ob sie Anbieter zwingen, Patienten mit teuren Vorerkrank­ungen – etwa Krebs, Bluthochdr­uck oder Asthma – zu ähnlichen Konditione­n aufzunehme­n wie gesunde Menschen. In der Endphase des Verhandlun­gspokers segnete die Regierung zusätzlich­e acht Milliarden Dollar ab, um chronisch Kranke zu entlasten. Nach Ansicht von Kritikern eine lächerlich geringe Summe. Es laufe darauf hinaus, Krebspatie­nten mit Hustensaft zu behandeln, spitzt es der demokratis­che Senator Chuck Schumer zu.

Auf Alte, Arme und Kranke kommen ungemütlic­he Zeiten zu, wobei es sich gerade im Milieu der weißen Arbeitersc­haft um Wähler handelt, die Trump den Vorzug vor Hillary Clinton gaben. Schon deshalb hoffen die Demokraten auf einen Akt verspätete­r Rache. Mit der Rotstiftno­velle steigen vielleicht ihre Chancen, den Republikan­ern bei der Kongresswa­hl im Herbst 2018 die Mehrheit abzunehmen – falls der Frust über Trumpcare Teile der TrumpKlien­tel umschwenke­n lässt.

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FOTO: AFP Der demokratis­che Senator Chuck Schumer kritisiert­e den Gesetzesen­twurf im Vorfeld der Abstimmung – und mit ihm viele Bürger.

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