Kunst der angewandten Komik
Der bayerische Kabarettist Gerhard Polt wird 75 Jahre alt
RAVENSBURG - Gerhard Polt, der Meister der angewandten Komik, hat Grund zum Feiern. Der 75. Geburtstag steht am morgigen Sonntag an.
Unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht! Fünf Jahre ist es schon wieder her, dass ihm das Literaturhaus München eine Ausstellung widmete. Mit einem typisch bayerisch-grantigen „Braucht’s des?!“war die Schau überschrieben.
Es war ein äußerst vergnüglicher Parcours durch 30 Jahre bayerische (Kabarett-)Geschichte. Die Ausschnitte aus Filmen mit Gisela Schneeberger oder die Aufnahmen von Abenden mit Dieter Hildebrandt und der Biermösl Blos’n sind längst Klassiker – und mehr noch: Sie zeichnen auch ein Soziogramm der Bundesrepublik von den späten 70er-Jahren bis heute.
Denn Polt ist ein genauer Beobachter, kein oberflächlicher Possenreißer. Und so ist das, was er zeigt, nicht nur komisch, sondern manchmal auch zum Fürchten. Zum Beispiel „Mai Ling“. Beim Wiedersehen dieser Folge von „Da schau her“aus dem Jahr 1978 macht einem die ganze schauerliche Gemeinheit dieser Szene deutlich: Herr Grundwürmer (Gerhard Polt) hat sich eine Frau aus dem Katalog „kommen lassen“. Eine Thailänderin. „Wenn ich noch an Tausender draufglegt hätt’, hätt’ ich auch a Vietnamesin kriagt.“Aber kein Problem, da „der Asiate an sich nicht schmutzt“. Sechs Minuten dauert diese Interview-Szene. Sechs Minuten reichen, um Borniertheit und Menschenverachtung bloßzustellen.
Polt ist der Sohn eines Münchner Rechtsanwalts und evangelisch getauft. Aber in der Jugendzeit, die er in Altötting verbracht hat, bekam er auch eine ordentliche Dosis Katholizismus verpasst. Die wirkt bis heute. Unvergessen sein Auftritt als Papst mit Laubsauger im Jahr 2006 in dem Stück „Offener Vollzug“. Das Publikum im Münchner Cuvilliéstheater hielt den Atem an, als Polt mit Mitra, kongenial begleitet von der Biermösl Blos’n, auf die Bühne kam. Das aspirierte „Benefiziaten-t“fand auch in Polts Ratzinger-Italienisch seinen Widerhall. „Ventilazione, per favore!“
Kabarettist im Trachtenjanker
Das Komische im Wirklichen entdecken – das beherrscht der Kabarettist im Trachtenjanker wie kein Zweiter. Nicht umsonst ist der Titel zu seiner Fernsehserie „Fast wia im richtigen Leben“(1979 bis 1988) zu einem geflügelten Wort geworden. Er schaut den Leuten aufs Maul – den Armen und den Reichen, dem Miethai und dem Metzgermeister, der sich einen Adelstitel kaufen möchte („von Bauch? – Wär net schlecht“). Seine Typen entlarven sich selbst. Polt beherrscht die Kunst der Demaskierung.
Und er ist ein eminent politischer Kopf. Was in Bayern, aber nicht nur dort, schief läuft, kommt auf den Tisch – übertrieben, witzig, böse. Harmlos war er nie. Manchem Ministerpräsidenten und Fernsehverantwortlichen trieb allein die Nennung des Namens Polt die Zornesröte ins Gesicht. Legendär war 1979 seine Rache an einer Zensur durch ZDF-Redakteure. Als er im Jahr drauf mit dem Deutschen Kleinkunstpreis ausgezeichnet wurde, schwieg er bei der Verleihung, die im ZDF übertragen wurde, zehn Minuten lang beharrlich. Ein bayerischer Dickschädel halt.
Die Zusammenarbeit mit der Biermösl Blos’n war über Jahrzehnte äußerst erfolgreich – und Polt hat auch die Trennung der ursprünglichen Truppe ganz gut überstanden. Weniger glücklich waren in jüngster Zeit Polts Ausflüge ins Filmgeschäft. Mit den Parodien auf Sandalenfilme („Germanicus“) oder Hitler-Dokus („Und Äktschn“) konnte er nicht mehr an die frühen Erfolge „Kehraus“(1983) und „Man spricht deutsch“(1987) anknüpfen.
Polt ist milder geworden. Aber die Komik im Alltag der Menschen zu erkennen, ist noch immer seine Passion. Er hat einmal gesagt, dass er von einem Karl Valentin, einem Hildebrandt oder Loriot mehr gelernt habe über die Menschen als von einem Psychologen.
Ein Revolutionär sei er nie gewesen, sagt Polt über Polt. Er wolle die Welt mit komischen Mitteln beschreiben, sieht sich als „angewandter Komiker“. Seinen Gemütszustand beschrieb er in einem Gespräch mit der Fotografin Herlinde Koelbl als „vital resiginiert“.
Bis heute füllt er mühelos jedes Festzelt zwischen Flensburg und Garmisch. Gleich am Montag steht er wieder auf der Bühne. Und schreibt weiter. Zum 70. Geburtstag hat sein Verlag Kein & Aber schon eine 10-bändige Gesamtausgabe herausgebracht, in der alles enthalten ist von den ersten Sketchen bis zu den legendären Theaterstücken „Tschurangrati“oder „Obatzt is“. Nun gibt es auch noch den „Großen Polt“: ein Konversationslexikon der bayerischen Sprache von A wie Abstimmungsgesäße für „hoch dotierte Parlamentarier“bis Z wie Zwetschgenmanderl für „kleiner, mickriger Kerl“.
Themenabend Gerhard Polt am Samstagabend ab 20.15 Uhr im Bayerischen Fernsehen.