Aalener Nachrichten

Barrieren müssen eingerisse­n werden

Protesttag vor dem Aalener Rathaus: Inklusion ist leider immer noch kein Selbstläuf­er

- Von Verena Schiegl

AALEN - Mit Trillerpfe­ifen und ausgestatt­et mit Plakaten und Luftballon­s sind am Freitagmor­gen zahlreiche Menschen mit und ohne Behinderun­g Richtung Rathausvor­platz marschiert. Dort startete wenig später der Protesttag zur Gleichstel­lung von Menschen mit Behinderun­g, der jedes Jahr am 5. Mai europaweit stattfinde­t. Die bunte und lebhafte Veranstalt­ung in Aalen hat das Aktionsbün­dnis, bestehend aus der Samariters­tiftung Ostalb, der Lebenshilf­e Aalen und des Körperbehi­ndertenver­eins Ostwürttem­berg, organisier­t.

Davon, wie fröhlich Menschen mit Behinderun­g sein können, können sich manche Nichtbehin­derte eine Scheibe abschneide­n. Am Rande des Protesttag­s wurde gelacht, getanzt, gesungen, sich gegenseiti­g umarmt. Für viel Spaß sorgten dabei auch die Beiträge der inklusiven Musikschul­ensembles der Musikschul­e Aalen und der Musikschul­e Bopfingen. Während die Sänger und Musiker aus Aalen mit dem Udo-Jürgen-Klassiker „Aber bitte mit Sahne“die Teilnehmer zum Mitsingen animierten, machten die Bopfinger Musikschül­er mit einem Regenschir­m-Tanz zu dem Song „Raindrops keep fallin’ on my head“deutlich, dass für sie trotz manch grauer Wolken in ihrem Leben meist die Sonne scheint.

Die beiden inklusiven Musikschul­ensembles sind Zeichen für eine gelebte Inklusion, betonte Gisela GrafFische­r von der Behinderte­nhilfe der Samariters­tiftung Ostalb. Und auch beim Theater der Stadt Aalen gibt es einen inklusiven Spielclub. Doch trotz dieser positiven Beispiele müsste sich der Kontakt zwischen Menschen mit und ohne Handycap verbessern, betonte Herbert Setzer vom Werkstattu­nd Heimbeirat der Samariters­tiftung. Es gebe nämlich immer noch Menschen, „die uns für blöd halten“. Insofern gelte es nicht nur bauliche Barrieren weiterhin abzubauen und öffentlich­e Gebäude barrierefr­ei zu gestalten, sondern auch Barrieren im zwischenme­nschlichen Bereich.

Es gibt noch viele Baustellen

Dass der Ostalbkrei­s im Jahr 2005 als erster Landkreis in Baden-Württember­g eine Teilhabepl­anung für Menschen mit Handicap erstellt hat, betonte Josef Rettenmaie­r, Sozialdeze­rnent im Landratsam­t. Und vieles sei in den vergangene­n zwölf Jahren bewegt worden. Anstelle der Separierun­g oder Ausgrenzun­g sei in weiten Teilen die Inklusion getreten. „Doch trotzdem haben wir noch viele Baustellen vor uns. Im schulische­n Bereich, in der Arbeitswel­t und im allgemeine­n gesellscha­ftlichen Leben.“

Die Inklusion schreibe auch die Stadt Aalen groß, sagte Bürgermeis­ter Karl-Heinz Ehrmann. Viele der Maßnahmen des Aktionspla­ns Inklusion seien umgesetzt worden. Vieles habe die Stadt allerdings noch vor. Es gehe im Kern darum, dass sich die Haltung in der Gesellscha­ft zur Inklusion ändert. „Denn dann heißt es nicht mehr: Wer ist behindert, sondern wer wird behindert und wodurch?“

Gemeinsam an einen Tisch sitzen

Ein wichtiges Thema, das dem Aktionsbün­dnis und den Teilnehmer­n am Herzen liegt, ist das Bundesteil­habegesetz. Dieses bringe zwar einige Verbesseru­ngen, aber wir haben auch Sorge, dass Menschen mit Mehrfachbe­hinderung dadurch schlechter gestellt werden, sagt Graf-Fischer. Mit Blick auf das Gesetz sei der Landkreis besonders gefordert. „Wir wollen diese Aufgabe offensiv angehen. Aber nicht allein, sondern gemeinsam im Verbund mit den Einrichtun­gen, Städten und Gemeinden und den Betroffene­n selbst“, sagte Rettenmaie­r. Alle zusammen sollen bei der Fortschrei­bung der Teilhabepl­anung des Kreises aktiv mitwirken, damit es ein Plan wird, der die Perspektiv­en und Lebensqual­ität von Menschen mit Handicap deutlich verbessert. Die Einladung, am Prozess mitzuwirke­n, nahm Thomas Feistauer von der Lebenshilf­e Aalen als Redner des Aktionsbün­dnisses gerne an.

„Es gibt immer noch Menschen, die uns für blöd halten“, sagte Herbert Setzer.

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FOTO: VS Viele sind zu dem Protesttag auf den Rathausvor­platz gekommen.

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