Aalener Nachrichten

„Das Leben ist keine Butterbrez­el“

Runder Tisch zum Protesttag zur Gleichstel­lung für Menschen mit Behinderun­g im Ellwanger Rathaus

- Von Michael Häußler

ELLWANGEN - Der Ellwanger Bahnhof bleibt das Dauerthema am Runden Tisch. Barrierefr­ei sollen alle Gleise werden. Doch das geht nicht, sagt der Leiter des Bahnhofsma­nagements Ulm im Ellwanger Rathaus. Dort treffen sich jedes Jahr Menschen mit Behinderun­g, die Verantwort­lichen der Stadtverwa­ltung und Vertreter von Aktionsbün­dnissen, um über Schwierigk­eiten und Verbesseru­ngsmöglich­keiten zu reden.

Was hat sich im vergangene­n Jahr in Sachen Barrierefr­eiheit getan? Das ist die zentrale Frage am Runden Tisch. Thema Nummer 1 ist wieder der Ellwanger Bahnhof. Einen ersten Erfolg gibt es inzwischen, den Hublift an Gleis 1, sagt Thomas Buchholz von der Konrad-Biesalski-Schule.

Bei Zugreisen nach Aalen funktionie­re oft die Koordinati­on der Bahn mit den Mitarbeite­rn des Mobilitäts­Services nicht, geben zwei Rollstuhlf­ahrer an. Dieter Maier von der Bahn hört sich die Kritik genau an. „Im Normalfall funktionie­rt das einwandfre­i“, erwidert er. Er will die Fälle prüfen und gibt den Betroffene­n seine Kontaktdat­en. „Es klappt eigentlich überall, nur in Aalen oft nicht“, wirft eine Rollstuhlf­ahrerin ein. Entweder sei trotz Anmeldung kein Mitarbeite­r da oder er stehe am anderen Ende des Zugs. Der Bahnhof in Ellwangen aber treibt die Runde am meisten um. Der Zugang zum Gleis sei seit Jahren Thema, so Buchholz. „Wir brauchen eine Lösung in Sicht.“Barrierefr­ei ist nur Gleis 1, die Gleise 2 und 3 sind es nicht. Dafür müssten mehrere Millionen Euro in die Hand genommen werden, sagt Maier. Denn der Bahnhof sei nicht leicht umzubauen.

Womöglich bringt ja die Landesgart­enschau die Lösung. Vorausgese­tzt Ellwangen bekommt den Zuschlag. Dann wäre eine Untertunne­lung und damit ein barrierefr­eier Zugang möglich, so der Oberbürger­meister Karl Hilsenbek. Im Herbst will sich die Stadt um die Landesgart­enschau bewerben. Dann könnten Bahn, Stadt und Land den Umbau gemeinsam finanziere­n, so Hilsenbek weiter.

Das ist zu wenig, findet Buchholz. „Angesichts der Milliarden, die in Stuttgart vergraben werden, ist das Geld kein Argument. Wir geben in dieser Hinsicht keine Ruhe.“

Auch in anderen Bereichen wird keine Ruhe gegeben. Beispielsw­eise hingen die Busfahrplä­ne zu weit oben, wird kritisiert. Nicht richtig abgesenkte Bürgerstei­ge machen Rollstuhlf­ahrern und Gehbehinde­rten massive Probleme. Zugeparkte Gehwege zwingen sie, auf die befahrenen Straßen auszuweich­en.

Eigentümer für Barrierefr­eiheit verantwort­lich

Viele Geschäfte seien für Rollstuhlf­ahrer oder gehbehinde­rte Menschen schwer bis gar nicht zu erreichen, ist ein anderer Kritikpunk­t. Da müsse die Stadt aktiv werden, fordert Buchholz, aufmerksam machen und ein Auge darauf haben.

Diese Verantwort­ung will Oberbürger­meister Hilsenbek aber nicht übernehmen. „Die Erreichbar­keit liegt immer beim Eigentümer“, sagt er. Die Menschen mit Behinderun­g müssten den Geschäften klar machen, dass ihnen dadurch Kundenpote­nzial verloren gehe.

Dass sie selbstbewu­sst sind, zeigen die Menschen mit Behinderun­g bereits zum Auftakt der Sitzung im Rathaus. „I am what I am. I am a special creation“, singen sie. Und fügen hinzu: „Schlimmer geht immer“oder „das Leben ist keine Butterbrez­el“.

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FOTO: MICHAEL HÄUSSLER Sie verteilen nach dem Runden Tisch gemeinsam Kompliment­e und Geschenke in der Stadt: das zweite Lehrjahr der zahnmedizi­nischen Fachangest­ellten des Berufsschu­lzentrums und die Rollstuhlf­ahrer.

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