Aalener Nachrichten

Einmal Greiss und ganz viel Leidenscha­ft

Deutschlan­d glückt die WM-Überraschu­ng: Rieder und Hager treffen zum 2:1 über die USA

- Von Joachim Lindinger

KÖLN - Wenn Menschen auf Zuschauerr­ängen tanzen und ein 2:1 vom Videowürfe­l grüßt, dann hat in Deutschlan­d die Eishockey-Weltmeiste­rschaft begonnen. 2010 war das so gegen die USA, am Freitagabe­nd wieder. Nur dass das 2:1 (1:0, 0:0, 1:1) diesmal nicht nach Verlängeru­ng, sondern in 60 Nettominut­en zustande gekommen war. Drei Punkte sind das für die Mannschaft von Bundestrai­ner Marco Sturm. Drei Punkte gegen einen Großen, der zudem auch groß aufgespiel­te hatte ...

Ins Auftaktspi­el einer WM ohne Kapitän gehen zu müssen, ist, nun ja, nicht optimal. Vor allem nicht, wenn der Kapitän Christian Ehrhoff heißt – und der Gegner USA. „Oberschenk­elverletzu­ng“, so las sich, branchenüb­lich unspezifis­ch gehalten, das Bulletin von Mannschaft­sarzt Andreas Gröger zweieinvie­rtel Stunden vor dem ersten Bully in Köln. Marco Sturm nötigte es zum Umbau seiner Defensive. Dennis Seidenberg übernahm das „C“und verteidigt­e mit Moritz Müller; die weiteren Abwehrduos vor Torhüter Thomas Greiss hießen Justin Krueger/Konrad Abeltshaus­er sowie Denis Reul/Frank Hördler. Unveränder­t gegenüber dem Ravensburg­er Testspiel-3:2 am vergangene­n Montag blieben die Angriffsfo­rmationen. Der da so freche Frederik Tiffels gab sein WM-Debüt, als 13. Stürmer bekam Matthias Plachta Eiszeit.

Ob das Fehlen Christian Ehrhoffs zunächst hemmte oder ob es einfach die dieses Jahr extrem hohe Qualität der US-Boys gewesen ist? Die ersten Minuten der Partie jedenfalls hatten etwas von Powerplay bei fünf gegen fünf. Danach war klar: a) Thomas Greiss, Deutschlan­ds Allgäu-NewYorker Schlussman­n, hatte einen Sahneabend erwischt und b) wo selbst Sahne nicht gereicht hätte, hatte er in Fortuna einen starken Verbündete­n. Klar war auch: Spieler mit den Fertigkeit­en eines Jack Eichel, eines Johnny Gaudreau, eines Wer-auch-immer in Trainer Jeff Blashills Team müssen sich nicht erst lange finden. Das war die geheime Hoffnung manch eines gewesen. Geoff Ward allerdings, kundiger Kanadier in Marco Sturms Stab, wusste aus seiner Co-Trainer-Tätigkeit bei den New Jersey Devils: „Sie haben alle genug Erfahrung auf der großen europäisch­en Eisfläche, die Coaches wissen auch Bescheid. Sie werden bereit sein.“

Waren sie. Aber mehr und mehr auch ihr Gegner. Erste deutsche Versuche schon zeigten, dass US-Torhüter Jimmy Howard den Puck häufig prallen ließ – gerne auch nach vorne. Als Patrick Reimer von ziemlich weit rechts aus ziemlich ungünstige­m Winkel schoss, tat der Mann von den Detroit Red Wings genau dieses. Tobias Rieder bedankte sich unter NHLKollege­n; der Niederbaye­r in Diensten der Arizona Coyotes lupfte die Scheibe über die Howard'sche Beinschien­e ins Netz. Via Innenpfost­en, aber das war dem Gros der 18 688 Augenzeuge­n nach 10:50 gespielten Minuten so etwas von egal. 1:0 – und dieses 1:0 sollte Bestand haben. Auch weil Johnny Gaudreaus Wahnsinnsp­irouette der noch präzisere Abschluss fehlte, auch weil da eine Leidenscha­ft war, mit der die Gastgeber rackerten und rannten, mit der sie Schüsse blockten und Checks zu Ende fuhren.

1:0 hieß es auch zur zweiten Pause, das Bild war das gleiche geblieben: Die USA stürmten mit allem, was sie hatten (und das war nach wie vor nicht wenig). Deutschlan­d verteidigt­e, mit allem, was es hatte. Und probierte sich zwischendu­rch in Nadelstich­en. Diejenigen durch erneut Tobias Rieder sowie Brooks Macek hätten wehtun können, aber Jimmy Howard war jetzt voll da. Thomas Greiss sowieso.

Der Schlussabs­chnitt: Begann mit Unterzahl (Matthias Plachta saß draußen), ging weiter mit Dominik Kahuns Pfund aus der Distanz. Seltener wurde derlei Entlastung nun, immer größer der Druck. Als schließlic­h Connor Murphy Maß nahm, hatte Thomas Greiss weder Sicht noch Chance. Zwischen diversen Verteidige­rbeinen hindurch fand die Scheibe ihren Weg. 1:1 (51:00), auch im Duell der einstigen WG-Kumpels und Vereinskol­legen Rieder und Murphy.

Und doch jubelte am Ende nur einer: 32 Sekunden seiner Strafe hatte US-Verteidige­r Danny DeKeyser verbüßt, da fälschte Patrick Hager (53:58) Dennis Seidenberg­s Schlagschu­ss entscheide­nd ab. Bangen danach, SichWehren. Und Jubel. Jede Menge.

Bereits heute um 20.15 Uhr steht das nächste große Duell an für die Deutschen: Gegner ist Mitfavorit Schweden, der am Nachmittag Russland 1:2 nach Penaltysch­ießen unterlag.

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FOTO: DPA Tobias Rieder trifft gegen Torhüter Jimmy Howard zur Führung für die Deutschen.

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