Sieg mit sanften Tönen
Bei der 49. Teilnahme gewinnt Portugal zum ersten Mal den Eurovision Song Contest – Deutschland Vorletzter
Es ist mittlerweile ein vertrautes, wenn auch ganz sicher nicht liebgewonnenes Ritual: Der strahlende Sieger des Songwettbewerbs stimmt noch einmal seinen Titel an, es erklingt die Eurovisionshymne und dann schaltet die ARD zu Barbara Schöneberger auf die Reeperbahn, die leicht bedröppelt ausruft: „Was war das denn!“Kurz darauf muss die deutsche Kandidatin in einer Schalte tapfere Miene zur traurigen Punkteausbeute machen und betonen, was für eine großartige Erfahrung das Ganze dennoch gewesen sei. Das ist durchaus glaubwürdig, denn weit mehr als bei vielen anderen Wettbewerben spielt das Dabeisein beim ESC eine Rolle. Gewinnen oder zumindest gut abschneiden ist natürlich trotzdem nicht ganz unbedeutend.
Wenn jetzt wieder gejammert wird, dass Deutschland ach so unbeliebt sei und unfair behandelt werde, sollte man sich das Punktevergabesystem vor Augen halten. Denn Punkte gibt es bei der Jury- wie der Publikumsabstimmung nur für die jeweils zehn bestbewerteten der 26 Teilnehmer, der Rest verfällt. Ziel muss es also sein, soviel Eindruck zu hinterlassen, um möglichst oft unter die ersten zehn zu kommen – und da war der recht durchschnittliche deutsche Songs trotz des sehr professionellen Vortrags wohl schlicht zu kühl und unauffällig.
Gut inszenierte Popnummern
Denn Denkwürdiges gab es beim diesjährigen ESC reichlich. So startete Deutschland direkt nach Rumänien, für die Ilinca feat. Alex Florea Jodeln, Rap und Konfettikanonen zu einer Mischung verbanden, an die man sich auf alle Fälle erinnerte. Das Publikum gab bei der Abstimmung dann auch 224 Punkte, mit den 58 der Jurys reichte es so für den siebten Platz. Weitere gutgelaunte und gut inszenierte Popnummern bescherten Moldawien (Platz 3), Schweden (Platz 5) und dem lange als Favoriten gehandelten Italien (Platz 6) vordere Platzierungen. Ansonsten waren es aber gerade die ruhigen Nummern, die in diesem Jahr besonders gut abschnitten. So landete Blanche für Belgien auf dem vierten Platz. Die 17-jährige Sängerin war zwar sichtlich nervös, das aber auf sehr sympathische Weise, und hatte mit „City Lights“sicher einen der besten Songs im Wettbewerb im Gepäck. Der gleichaltrige Kristian Kostow schaffte es mit dem gefühlvollen „Beautiful Mess“für Bulgarien sogar auf den zweiten Platz. Da er in Moskau aufgewachsen ist, dürfte er sicher auch einen guten Teil des Stimmpotenzials von Russland, das in diesem Jahr ja nicht teilnahm, abgefangen haben.
Bei Publikum und Jurys eindeutig auf Platz 1 landete dann Portugal. Bei Salvador Sopral ging es tatsächlich nur um die Musik. In einem schlecht sitzenden Anzug schlurfte er auf die Bühne und tauchte dann ganz tief in seine wehmütige Ballade „Amar pelos dois“(„Liebe für zwei“) ein. Geschrieben hatte das Lied seine ältere Schwester Luisa, die nach dem Sieg den Song gemeinsam mit ihm anstimmte.
Zuvor wollte der 27-jährige Spross einer portugiesischen Adelsfamilie mit – allerdings sehr weit zurückliegenden – deutschen Seitenlinien noch etwas loswerden und verkündete: „Musik ist kein Feuerwerk, Musik ist Gefühl. Musik muss wieder echt werden!“Eine Aussage, die auch als recht arrogante Abqualifizierung der Konkurrenz verstanden werden könnte, hier aber wohl vor allem dem Herzblut des Sängers geschuldet war.
Und was kann Deutschland daraus lernen? Auf keinen Fall den Stil des diesjährigen Songs zu kopieren versuchen, das hat noch nie geklappt; wohl aber die dahinterstehende Haltung: Selbstbewusst etwas Eigenes präsentieren, anstatt sich die Songs von internationalen Komponisten-Söldnern servieren zu lassen. Und das Ganze weiterhin nicht gar zu ernst zu nehmen, wie es Levina in ihrem Interview nach dem Finale gelang. Denn nachdem in diesem Jahr zumindest das, zugegebenermaßen unterirdisch schlechte, Spanien knapp überholt werden konnte, schlussfolgerte sie nicht ohne Galgenhumor: „Wenn es jetzt so weiter geht, sind wir in 25 Jahren auf Platz 1.“