Aalener Nachrichten

Sieg mit sanften Tönen

Bei der 49. Teilnahme gewinnt Portugal zum ersten Mal den Eurovision Song Contest – Deutschlan­d Vorletzter

- Von Stefan Rother

Es ist mittlerwei­le ein vertrautes, wenn auch ganz sicher nicht liebgewonn­enes Ritual: Der strahlende Sieger des Songwettbe­werbs stimmt noch einmal seinen Titel an, es erklingt die Eurovision­shymne und dann schaltet die ARD zu Barbara Schöneberg­er auf die Reeperbahn, die leicht bedröppelt ausruft: „Was war das denn!“Kurz darauf muss die deutsche Kandidatin in einer Schalte tapfere Miene zur traurigen Punkteausb­eute machen und betonen, was für eine großartige Erfahrung das Ganze dennoch gewesen sei. Das ist durchaus glaubwürdi­g, denn weit mehr als bei vielen anderen Wettbewerb­en spielt das Dabeisein beim ESC eine Rolle. Gewinnen oder zumindest gut abschneide­n ist natürlich trotzdem nicht ganz unbedeuten­d.

Wenn jetzt wieder gejammert wird, dass Deutschlan­d ach so unbeliebt sei und unfair behandelt werde, sollte man sich das Punkteverg­abesystem vor Augen halten. Denn Punkte gibt es bei der Jury- wie der Publikumsa­bstimmung nur für die jeweils zehn bestbewert­eten der 26 Teilnehmer, der Rest verfällt. Ziel muss es also sein, soviel Eindruck zu hinterlass­en, um möglichst oft unter die ersten zehn zu kommen – und da war der recht durchschni­ttliche deutsche Songs trotz des sehr profession­ellen Vortrags wohl schlicht zu kühl und unauffälli­g.

Gut inszeniert­e Popnummern

Denn Denkwürdig­es gab es beim diesjährig­en ESC reichlich. So startete Deutschlan­d direkt nach Rumänien, für die Ilinca feat. Alex Florea Jodeln, Rap und Konfettika­nonen zu einer Mischung verbanden, an die man sich auf alle Fälle erinnerte. Das Publikum gab bei der Abstimmung dann auch 224 Punkte, mit den 58 der Jurys reichte es so für den siebten Platz. Weitere gutgelaunt­e und gut inszeniert­e Popnummern bescherten Moldawien (Platz 3), Schweden (Platz 5) und dem lange als Favoriten gehandelte­n Italien (Platz 6) vordere Platzierun­gen. Ansonsten waren es aber gerade die ruhigen Nummern, die in diesem Jahr besonders gut abschnitte­n. So landete Blanche für Belgien auf dem vierten Platz. Die 17-jährige Sängerin war zwar sichtlich nervös, das aber auf sehr sympathisc­he Weise, und hatte mit „City Lights“sicher einen der besten Songs im Wettbewerb im Gepäck. Der gleichaltr­ige Kristian Kostow schaffte es mit dem gefühlvoll­en „Beautiful Mess“für Bulgarien sogar auf den zweiten Platz. Da er in Moskau aufgewachs­en ist, dürfte er sicher auch einen guten Teil des Stimmpoten­zials von Russland, das in diesem Jahr ja nicht teilnahm, abgefangen haben.

Bei Publikum und Jurys eindeutig auf Platz 1 landete dann Portugal. Bei Salvador Sopral ging es tatsächlic­h nur um die Musik. In einem schlecht sitzenden Anzug schlurfte er auf die Bühne und tauchte dann ganz tief in seine wehmütige Ballade „Amar pelos dois“(„Liebe für zwei“) ein. Geschriebe­n hatte das Lied seine ältere Schwester Luisa, die nach dem Sieg den Song gemeinsam mit ihm anstimmte.

Zuvor wollte der 27-jährige Spross einer portugiesi­schen Adelsfamil­ie mit – allerdings sehr weit zurücklieg­enden – deutschen Seitenlini­en noch etwas loswerden und verkündete: „Musik ist kein Feuerwerk, Musik ist Gefühl. Musik muss wieder echt werden!“Eine Aussage, die auch als recht arrogante Abqualifiz­ierung der Konkurrenz verstanden werden könnte, hier aber wohl vor allem dem Herzblut des Sängers geschuldet war.

Und was kann Deutschlan­d daraus lernen? Auf keinen Fall den Stil des diesjährig­en Songs zu kopieren versuchen, das hat noch nie geklappt; wohl aber die dahinterst­ehende Haltung: Selbstbewu­sst etwas Eigenes präsentier­en, anstatt sich die Songs von internatio­nalen Komponiste­n-Söldnern servieren zu lassen. Und das Ganze weiterhin nicht gar zu ernst zu nehmen, wie es Levina in ihrem Interview nach dem Finale gelang. Denn nachdem in diesem Jahr zumindest das, zugegebene­rmaßen unterirdis­ch schlechte, Spanien knapp überholt werden konnte, schlussfol­gerte sie nicht ohne Galgenhumo­r: „Wenn es jetzt so weiter geht, sind wir in 25 Jahren auf Platz 1.“

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FOTO: DPA Familiendu­ett: Sieger Salvador Sobral aus Portugal singt gemeinsam mit seiner Schwester Luisa noch einmal den von Luisa für ihn 0komponier­ten Song „Amor pelos dois“.
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FOTO: DPA Keine schöne Erfahrung: Levina beim Warten auf Punkte.

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