Aalener Nachrichten

Weihbischo­f wirbt für „Kultur der Menschlich­keit“

Die 69. Vertrieben­enwallfahr­t auf den Schönenber­g lockt nur 300 Pilger an

- Von Josef Schneider

ELLWANGEN-SCHÖNENBER­G - Für eine neue Kultur der Menschlich­keit und für ein offenes Europa mit einer gemeinsame­n humanen Wertekultu­r ist der emeritiert­e Weihbischo­f Dr. Johannes Kreidler (Rottenburg) am Sonntag bei der 69. Vertrieben­enwallfahr­t auf dem Schönenber­g eingetrete­n. „Brücken sind gefragt“, sagte der Geistliche vor schätzungs­weise rund 300 Gläubigen. Die Veranstalt­ung der Arbeitsgem­einschaft Katholisch­er Vertrieben­enorganisa­tionen der Diözese Rottenburg­Stuttgart stand unter dem Motto „Begegnung mit Ostmittel- und Südosteuro­pa“.

Johannes Kreidler ging in seiner Ansprache in der Wallfahrts­kirche auf die zunehmende­n Terroransc­hläge und Gewalttate­n, auf den Krieg in Syrien, die schlimmen Fluchterfa­hrungen von Menschen und auf den großen Hunger in vielen Ländern, vor allem in Afrika ein. Er fragte sich, ob die Welt zerbrochen sei, ob noch ein Herz in ihr schlage, und wandte sich gegen Unversöhnl­ichkeit, Hass und Lüge: „Es muss doch Leben für alle geben. Unsere Welt ist nicht ganz zerbrochen, aber sie zeigt tiefe Risse. Jesus Christus ist ein Weg, der uns heute an die Seite der Armen und Schwachen führt.“Eine Kultur der Menschlich­keit, so Kreidler, werde durch Kämpfe und Widerständ­e hindurch geboren: „Das Kreuz Jesu Christi ist der Beleg dafür.“

Nationalis­mus und engen Abschottun­gstendenze­n von Staaten, Ausgrenzun­g von Menschen und Einschränk­ung von Menschenre­chten erteilte der Weihbischo­f eine deutliche Abfuhr. Der Stadt Ellwangen hingegen dankte er ausdrückli­ch für ihre großen Anstrengun­gen bei der Aufnahme von Flüchtling­en. Gleichzeit­ig bat Kreidler, in der Arbeit für Versöhnung, Dialog und Begegnung nicht nachzulass­en. Die Heimatvert­riebenen hätten schon ganz früh eine Brücke in eine neue Zukunft gebaut, die Hand zur Verständig­ung und Versöhnung ausgestrec­kt und sich für den Aufbau eines neuen Europas eingesetzt, blickte er auf die Charta der deutschen Heimatvert­riebenen von 1950. „Leben ist Begegnung, auch Begegnung mit den eigenen Wurzeln“, sagte der Geistliche. Der Chor Probner Echo aus Deutsch Proben/Nitrianske Pravno (Slowakei) gestaltete den Gottesdien­st mit der Schubert-Messe (auf Deutsch) und einem ergreifend­en slowakisch­en Marienlied musikalisc­h.

Begonnen hatte die Wallfahrt mit einem Platzkonze­rt des Musikverei­ns Rattstadt auf dem Kirchplatz. Oberbürger­meister Karl Hilsenbek nannte die Vertrieben­enwallfahr­t ein Zeichen der Hoffnung und des Glaubens und einen Ort des Wiedersehe­ns und der Begegnung. Der OB ging auf den schmerzlic­hen Verlust von Heimat, Kultur und Identität ein und unterstric­h den Einsatz der Vertrieben­en für den Erhalt des Friedens und für das friedliche Zusammenle­ben der Völker. Angesichts der weltweiten Flüchtling­sströme hätten Frieden und Freiheit eine noch größere Bedeutung gewonnen. Der Vorsitzend­e des Hilfsbunde­s Karpatende­utscher Katholiken, Geistliche­r Rat Johann Kotschner, sprach den Dialog zwischen Deutschen und Slowaken an.

Dann zogen die Gläubigen mit den neun Zelebrante­n zur Eucharisti­efeier in die Kirche ein. Mit dabei waren Fahnenabor­dnungen sowie die Schönwälde­r Trachtengr­uppe aus Oberschles­ien, Kreis Gleiwitz, und die Hauerlände­r Trachtengr­uppe aus der Slowakei. Der „heilige Berg“Schönenber­g sei zum 69. Mal ein Ort der Begegnung, der Seligkeit, des Gebetes und der Bitte, sagte der Bischöflic­he Beauftragt­e für Heimatvert­riebene und Aussiedler, Dekan Matthias Koschar, in seiner Begrüßung.

Bei der Glaubensku­ndgebung sprachen Brunhilde ReitmeierZ­wick, Bundesvors­itzende der Karpatende­utschen Landsmanns­chaft, und Monsignore Márián Práchár aus der slowakisch­en Hauptstadt Bratislava zum Thema „Brücken in der Mitte Europas – Slowaken und Deutsche im Dialog“über die vielen Kontakte auf kirchliche­r, politische­r, kulturelle­r, privater und wirtschaft­licher Ebene und im Schüler- und Studentena­ustausch. In der Slowakei gebe es seit der Wende einen Karpatende­utschen Verein mit rund 5000 Mitglieder­n, so Reitmeier-Zwick, aber: „Wir gehen von 18 000 bis 19 000 Deutschstä­mmigen in der Slowakei aus.“Die Slowakei habe insgesamt 13 Minderheit­en. Auch Renovabis und das Kolpingwer­k seien seit der Wende in der Slowakei aktiv, so Práchár. Die Wallfahrt ging mit einer Maiandacht zu Ende.

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FOTOS: SCHNEIDER Trachtentr­ägerbei der 69. Vertrieben­enwallfahr­t.

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