Es geht um mehr als die Besuche
Mehr als 200 Soldaten und ihre Flugzeuge verlegt man nicht von heute auf morgen. Zumal dann nicht, wenn die Luftwaffenflugzeuge in einen internationalen Einsatz gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“(IS) eingebunden sind. Das weiß natürlich auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Aus innenpolitischen Erwägungen, um Eindruck zu machen, spielt er mit Nato-Partnern wie Deutschland.
Dem Bündnis tut solch ein Hickhack gar nicht gut. Natürlich hätte türkischen Verteidigungspolitikern vor einiger Zeit klar gemacht werden können, dass man auch gut nach Jordanien umziehen könnte. Nur dürfte es der türkischen Regierung relativ egal sein, von wo die Luftwaffe aufsteigt, um Aufklärungsflüge über ISGebiet zu erledigen. Der militärische Nutzen des deutschen Einsatzes ist umstritten, der propagandistische liegt auf der Hand: Man hilft, wenn auch unbewaffnet, beim Kampf gegen das Böse. Auf der Basis in Incirlik sind nach dem Putschversuch im vergangenen Sommer Offiziere wegen des Verdachts festgenommen worden, am gescheiterten Umsturz gegen Erdogan beteiligt gewesen zu sein. Natürlich ist es ein Unding, dass Erdogan sich plump dafür zu rächen versucht, dass geflohene türkische Offiziere in Deutschland Asyl erhalten haben.
Aber überrascht das wirklich noch irgendjemanden? Der türkische Präsident, enttäuscht von den Europäern, wird sich bei seinem Besuch in Washington Streicheleinheiten abholen. Viel bedrohlicher als die deutschen Befindlichkeiten scheint, dass der türkische Staatschef nach Belieben mit den Nato-Partnern umspringt. Was bedeutet das für die Sicherheit der Nato-Staaten an der südöstlichen Flanke? Die Türkei schützt das Verteidigungsbündnis in Nachbarschaft zum Irak, zu Syrien und Iran. Dass eine Nato ohne großes türkisches Engagement Europa verwundbarer macht, weiß man in Ankara. Die Spielchen mit Besuchsgenehmigungen für gewählte deutsche Abgeordnete wirken albern. Trotzdem bleibt das Gespräch mit den Türken unerlässlich.