Aalener Nachrichten

Rentner im Roboteraut­o

Fahrerassi­stenzsyste­me könnten künftig älteren Menschen helfen, mobil zu bleiben

- Von Annika Grah

STUTTGART/BERLIN (dpa) - Mit seinem Wagen streift ein 84-Jähriger im Februar mehrere Autos beim Abbiegen, er reißt das Lenkrad herum, sein Wagen stürzt in Berlin auf die Seite. Besonders tragisch der Fall vor gut einem Jahr: Ein Mann über 80 fährt mit seinem Auto in eine Fußgängerz­one im südbadisch­en Bad Säckingen. Er rast in eine Menschenme­nge vor einem Café, weil er Gas und Bremse verwechsel­t – zwei Menschen kommen ums Leben, 27 werden verletzt.

Unfälle wie diese sorgen immer wieder für Schlagzeil­en, im Anschluss häufen sich reflexhaft Forderunge­n nach strengeren Prüfungen oder gar Fahrverbot­en für ältere Menschen. Und auch eine andere Frage steht im Raum: Wären sie vermeidbar, wenn in Zukunft das Auto selbst die Kontrolle übernehmen könnte? Experten sind skeptisch.

Statistike­n von Unfallfors­chern der Versichere­r zeigen, dass das Risiko, einen Unfall zu bauen, für Autofahrer ab 75 Jahren steigt. Gleichzeit­ig wird die Zahl der Menschen, die sich in diesem Alter hinters Steuer setzen, angesichts des demografis­chen Wandels in den nächsten Jahrzehnte­n steigen. Zum einen werden die Menschen älter, zum anderen haben mehr Frauen einen Führersche­in.

Grundsätzl­ich ist die neueste Technik als Hilfe gedacht: Neben den schon bekannten Parkassist­enten, die die Fahrzeuge in schmale Lücken manövriere­n, halten die Fahrzeuge den Abstand zum Vordermann, sie legen bei Hinderniss­en eine Notbremsun­g ein oder warnen vor Verkehrste­ilnehmern im toten Winkel.

Der Gesetzgebe­r hat nun auch den Weg für weitreiche­ndere Hilfestell­ungen geebnet. Am vergangene­n Freitag passierte das Gesetz zu computerge­steuerten Autos von Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) den Bundesrat. Es soll einen Rahmen setzen, damit in Autos künftig Computer Fahrfunkti­onen übernehmen dürfen. Der Fahrer soll die Hände vom Lenkrad nehmen können – nur im Notfall muss er jederzeit wieder Steuer und Bremsen bedienen können.

Sinnvolle Assistenzs­ysteme

Kann das helfen? Ältere Menschen hätten oft Schwierigk­eit mit dem Schulterbl­ick und der Einschätzu­ng des rückwärtig­en Verkehrs, sagt etwa der Leiter der ADAC-Verkehrspo­litik, Ulrich Chiellino. Fahrzeugse­nsorik könne beispielsw­eise das Einfädeln oder Überholen auf der Autobahn unterstütz­en. Allerdings machten ältere Autofahrer Fehler vor allem in komplexen Situatione­n etwa auf Kreuzungen oder auf Landstraße­n. Bis Autos hier die Kontrolle übernehmen, dürfte es noch dauern. Denn die neuen Funktionen werden bislang vor allem für die Autobahn entwickelt.

Einen größeren Nutzen misst Chiellino dem sogenannte­n Notbremsas­sistenten zu, der Kollisione­n mit Fußgängern verhindern soll. „Diese Nothaltefu­nktion kann auch verhindern, dass ein Fahrzeug unkontroll­iert weiterfähr­t, wenn der Fahrer einen Herzinfark­t oder Schlaganfa­ll am Steuer erleidet“, sagt der ADAC-Experte.

Doch entscheide­nd wird sein, wie intuitiv die neuen Systeme zu bedienen sind. Zwar gibt es noch keine größeren Untersuchu­ngen, wie ältere Menschen auf sie reagieren. „Allerdings darf man vermuten, dass die Affinität zu Assistenz- oder neuartigen Navigation­ssystemen im Alter eher restriktiv sein dürfte“, sagt Karin Müller vom Prüfkonzer­n Dekra. Zudem nehme die Bereitscha­ft, Gewohnheit­en zu ändern, mit dem Alter ab.

Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallfors­chung der Versichere­r, erwartet, dass die Probleme in den nächsten Jahren eher zunehmen. Denn erst einmal wird der Mensch im Auto die Verantwort­ung behalten. Und die Assistenzs­ysteme, bei denen der Fahrer laut neuem Gesetz jederzeit eingreifen können muss, können seiner Einschätzu­ng nach ältere Menschen überforder­n. Denn die „Warnkaskad­e“– blinkende piepsende Anzeigen, die dafür sorgen, dass der Mensch rechtzeiti­g eingreife – sei schon für jüngere Menschen nicht einfach zu erfassen.

Selbst auf Fahranfäng­er sieht Dekra-Expertin Müller eher mehr als weniger Lernbedarf zukommen. So könnte der Umgang mit automatisi­erten Fahrfunkti­onen Teil der Ausbildung und Führersche­inprüfung werden. Einfacher dürfte es erst dann wieder werden, wenn das Auto irgendwann einmal die volle Kontrolle übernimmt. Doch das wird Müller zufolge noch auf längere Sicht Zukunftsmu­sik bleiben.

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FOTO: DPA Einsteigen und losfahren – lassen. Das ist die Vision der Autoherste­ller für computerge­steuerte Wagen.

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