Gemeinsam einsam
Alvis Hermanis arbeitet sich an Wagner ab: „Insgeheim Lohengrin“am Bayerischen Staatsschauspiel
MÜNCHEN - Wagner-Opern sind lang, manche Theaterabende auch: „Insgeheim Lohengrin“ist ein zweieinhalbstündiges Kammerspiel, in dem nicht viel mehr passiert, als dass sich fünf Leute verschiedene Aufnahmen der Oper anhören, über Wagner fachsimpeln und nebenbei aus ihrem reichlich banalen Leben erzählen. Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass dieses Stück auch eine Art Therapie für den Autor und Regisseur Alvis Hermanis ist.
Fünf Leute, alle schon etwas angejahrt, treffen sich jede Woche, um „Lohengrin“zu hören. Sie haben extra eine Wohnung angemietet, um dieser Leidenschaft zu frönen. Aber was ist so schlimm daran, sich der Überwältigungsmusik dieses „kleinen, pickligen Mannes aus Sachsen“, wie er einmal genannt wird, hinzugeben? „Weil die Hingabe an das romantische Pathos in München 2017 generell als verdächtig gilt.“Aha.
Umstrittene Äußerung
Der lettische Regisseur ist bekannt für seine präzisen Arbeiten in von ihm selbst entworfenen, geschmackvollen Bühnenbildern. Deswegen wird er gern von den großen Opernhäusern gebucht. Auch die Bayreuther Festspiele wurden auf ihn aufmerksam. 2018 hätte Hermanis dort den „Lohengrin“inszenieren sollen. Doch dann passierte etwas, was den Regisseur in der Szene zunächst mal zur persona non grata gemacht hat. Hermanis, Vater von sieben Kindern, lebt in Paris. An dem Tag, als dort die schrecklichen Terroranschläge verübt wurden, hätte Hermanis in Hamburg mit den Proben zu einem neuen Stück beginnen sollen. Aus Sorge um seine Familie sagte er ab – und fügte eine weitere Begründung hinzu. In einer Mail an das Thalia Theater übte er Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik und Willkommenskultur und schrieb: Nicht alle Flüchtlinge seien Terroristen, aber alle Terroristen hätten einen Migrationshintergrund.
Ein Riesenwirbel, Schlammschlachten in den Feuilletons, und am Ende gaben die Bayreuther Festspiele und Alvis Hermanis bekannt, dass aus der Zusammenarbeit nichts werde. Doch offensichtlich hat „Lohengrin“schon in Hermanis gearbeitet. Das „Stück“, das nun im Cuvilliéstheater zu sehen ist, wirkt über weite Strecken wie eine zu Text gewordene Stoffsammlung. „Insgeheim Lohengrin“hat Hermanis zusammen mit den exquisiten Darstellern Wolfram Rupperti, Charlotte Schwab, Ulrike Willenbacher, Paul Wolff-Plottegg und Manfred Zapatka erarbeitet. Da fragt dann zum Beispiel einer: „Gab es eigentlich diesen Heinrich von Brabant?“Und ein anderer darf dann über mittelalterliche Könige dozieren. „Wer war besser als Lohengrin? Windgassen oder nicht doch Lauritz Melchior?“„Und die Callas soll ja auch mal die Elsa gesungen haben. Auf italienisch!“So geht diese Fachsimpelei eine ganze Weile hin und her. Aber Theater ist kein Lexikon. Unterhaltungs- und Erkenntnisgewinn halten sich in Grenzen.
Eigentlich wollen die fünf aber ganz was anderes – einmal Elsa sein oder Lohengrin. Wenn sich Paul Wolff-Plottegg und Charlotte Schwab (mit Fatsuit kaum wiederzuerkennen) dann als Telramund und Ortrud aufs Klappbett zurückziehen, um ihre Intrige gegen Elsa auszuspinnen, dann blitzt so etwas wie Woody-Allen-Humor auf. Aber das war’s dann auch. Am Ende landet Hermanis dann noch in der Denunziation der Figuren: Wagnerianer sind einsame Spinner, die die Banalität ihres Daseins durch grandiose Musik überdecken wollen.