Aufstieg, Abstieg und eine Armee
Die Zweite Liga bietet jede Menge Unterhaltung – Dresden-Fans sorgen für Unmut
RAVENSBURG - Während sie beim VfB Stuttgart und Hannover 96 schon einmal den Sekt kaltstellen und nur noch Wunder anderer Art sie von der obersten Spielkasse trennt, kann Eintracht Braunschweig sich bereits mental auf zwei Schicksalspiele einstellen. Möglicherweise sogar gegen den Nachbar VfL Wolfsburg? Auch im Tabellenkeller der Zweiten Bundesliga gibt es derzeit ein munteres Wechselbad der Gefühle. Traditionsverein 1860 München ist, teurer Kader hin, superteurer Trainer her, mehr denn je vom Abstieg berdoht. Arminia Bielefeld hat mit dem furiosen 6:0 gegen Braunschweig dagegen mehr als ein Lebenszeichen gesendet und der bereits sicher als Absteiger feststehende KSC bekam am Wochenende zu allem Übertfluss auch noch Besuch von einer Armee aus Dresden – worüber auch der Rest FußballDeutschlands nicht lachen kann. Ein Stimmungsbericht von der Spitze und aus dem Abgrund des Unterhauses:
Stuttgart:
Was seid ihr denn alle so traurig? „Hey, be happy!“, forderte Stuttgarts Alexandru Maxim, als er ernst dreinblickenden Journalisten und VfB-Funktionären begegnete. 0:1 nach schwacher Leistung in Hannover? Egal, für Maxim war Party angesagt. Kaum war abgepfiffen, schon trug er einen VfB-Schal, klatschte sich mit jedem Fan ab, den er traf, auch mit den Hannoveranern. In der Innenstadt herrschte dasselbe Bild: Bis in die Morgenstunden feierten die Fans beider Teams gemeinsam die Rückkehr in die Bundesliga nach einem Jahr Zwangspause. Die ist ihnen schließlich kaum mehr zu nehmen.
Geplant hat der VfB die große Aufstiegsfeier bereits allein aus logistischen Gründen: Auf dem Cannstatter Wasen neben dem Stadion gibt es am Sonntag ein Public Viewing für das Spiel gegen Würzburg auf fünf Leinwänden, um 12 Uhr beginnt das Rahmenprogramm. Das Hofbräu-Festzelt blieb nach dem Frühlingsfest gleich stehen für das Catering, auch eine im Schwäbischen nicht unbeliebte Band soll auftreten: Wie 2007 nach der Meisterschaft werden die Fantastischen Vier, überzeugte und stellenweise auch verzweifelte VfB-Fans, den Erfolg ausgiebig berappen. Eine Party auf dem Schlossplatz wie 2007 ist aus Sicherheitsgründen nicht mehr möglich. Von damals stammt auch die Rekordzahl an Partygästen: 250 000. Schwer zu toppen.
Hannover:
Bei 96 hat sich die Stimmung nach dem Sieg im Spitzenspiel deutlich aufgehellt. sogar so sehr, dass Hannovers allmächtiger Präsident Martin Kind mit sichtlichem Vergnügen Rechenspiele aufstellte. „Ich habe den Mut zu sagen, dass wir zu 96 Prozent aufgestiegen sind“, rechnete er vor. Vermutlich ist die Wahrscheinlichkeit noch höher. Ein Remis beim SV Sandhausen am Sonntag reicht. Mit einem Vorsprung von drei Punkten und sechs Toren geht Hannover ins finale Fernduell gegen die schwer gebeutelten Braunschweiger.
Braunschweig:
Hier war man nach der Klatsche in Bielfeld erst einmal mit verbalen Aufräumarbeiten beschäftigt. „Das war ein sehr bitterer Moment. Ich spiele seit zehn Jahren für die Eintracht, aber so hoch habe ich noch nie verloren“, sagte Ken Reichel, dienstältester Braunschweiger. Trotzdem: Die Relegation ist eingetütet.
Bielefeld/Aue:
Bei den Überraschungsteams im Schlussspurt ist die Stimmung entsprechend freudig. Bielefeld gewann neue Fans in Stuttgart und Hannover, VfB-Präsident Wolfgang Dietrich überlegte schon, wie man sich in Form von Bier und Maultaschen erkenntlich zeigen soll. Die Erzgebirgler aus Aue sind nach dem 1:0 gegen Kaiserslautern auch dank des italoschwäbischen Trainers Domenico Tedesco so gut wie gerettet.
München:
Derweil droht 1860 München wie 2015 der Gang in die Relegation. Die Löwen stürzten durch das 1:2 (1:1) gegen Bochum auf Platz 16 ab. „Wir hätten die Saison mehrfach retten können, jetzt stehen wir unter Druck“, sagte Stefan Aigner – der ja eigentlich aus Frankfurt zurückgekehrt war, um aufzusteigen. Tja, Anspruch und Wirklichkeit.
Kaiserslautern:
Mit Lautern (14.) muss ein weiterer Ex-Meister zittern. Nach der Pleite gegen Aue stürmten FCK-Fans den Platz, bewarfen die Spieler mit Bierbechern und Stangen. Mittelfeldspieler Moritz: „Ich wurde fast von einem Stock und einer Stange getroffen.“
Karlsruhe/Dresden:
Ähnlich turbulent ging es am Wochenende in Karlsruhe zu. Doch nicht die Fans der längst abgestiegenen Badener sorgten für Unmut, sondern Hunderte Dresden-Fans, die in MilitärKleidung im Wildparkstadion erschienen und Shirts mit dem Aufdruck „Football Army Dynamo Dresden“trugen. Neben einem Plakat mit der Aufschrift „Krieg dem DFB“kam es zu Ausschreitungen – 15 Beamte und 21 Ordner wurden verletzt. Die Verantwortlichen versprechen mittlerweile eine Aufarbeitung und distanzieren sich von den Vorfällen. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) verurteilte die gewaltsamen Zwischenfälle: „Wir mussten bei einem Fußballspiel wieder Dinge sehen, die wir wirklich nicht sehen wollen. Das können wir nicht einfach ignorieren.“