Aalener Nachrichten

Eine unsittlich­e Million

Beide Freibäder von Waldshut-Tiengen müssen dringend saniert werden, Geld ist kaum für eines da - Jetzt macht ein Gönner ein Angebot

- Von Sonja Möhl

KARLSRUHE (lsw) - Wer würde eine Million Euro ablehnen? WaldshutTi­engen an der Schweizer Grenze macht es. Waldshut-Tiengen ist eine Doppelstad­t mit knapp 24 000 Einwohnern, finanziell­en Nöten – und mit zwei Freibädern, die beide saniert werden müssen. Geschätzte Kosten: je vier Millionen Euro.

Unmoralisc­hes Angebot

Geld ist kaum für eines der beiden Projekte da, also entscheide­n die Gemeinderä­te: Das Freibad in Tiengen wird saniert und das in Waldshut wird, wenn auch nicht ausdrückli­ch beschlosse­n, irgendwann dicht gemacht. Jetzt kommt der anonyme Spender ins Spiel: Der will eine Million Euro geben, wenn auch das Freibad in Waldshut saniert und weiter betrieben wird.

„Das ist ein großzügige­s und gleichzeit­ig unmoralisc­hes Angebot“, sagt dazu Oberbürger­meister Philipp Frank (CDU). Man könnte auch sagen, ein vergiftete­s Geschenk, weil der Stadt damit nicht geholfen wäre. Der Betrag würde nur ein Viertel der Investitio­n decken und laufende Defizite verlängern. „Es geht darum, Schaden,von der Stadt abzuwenden“, sagt der 49-Jährige und betont gleichzeit­ig, das Angebot komme von einer absolut ehrenwerte­n Person, die es gut meine. Die Spende zur Sanierung eines Freibads würde wegen damit verbundene­r Bedingunge­n die Verschuldu­ng der Stadt aber weiter nach oben treiben.

Der Deutschen Gesellscha­ft für das Badewesen ist ein solcher Fall neu. „Mir sind solche Fälle nicht bekannt“, sagt Sprecher Joachim Heuser. Gegen Spenden sei grundsätzl­ich nichts einzuwende­n. Je nach Kosten von Sanierung und Betrieb sei eine Million Euro aber nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, sagt er.

Ein gelungenes Beispiel anonymer Spenden ist aus Sachsen bekannt. Die Stadt Görlitz bekam seit 1995 jedes Jahr verlässlic­h Geld, genannt „Altstadtmi­llion“, insgesamt mehr als zehn Millionen Euro. Die Summen wurden für die Sanierung der Altstadt eingesetzt. 2016 endeten die Zahlungen.

Frank zufolge schiebt WaldshutTi­engen die Sanierung der beiden Schwimmbäd­er seit 20 Jahren vor sich her. „Wir sind schon nicht zur Sanierung eines Bades in der Lage.“Die Diskussion, zwei Bäder zu sanieren, stelle sich darum auch nicht. „Das würde der Stadt schlichtwe­g das Genick brechen.“Alle Möglichkei­ten seien ausführlic­h erörtert worden. Der Gemeindera­t habe dann vor fünf Wochen beschlosse­n, das Freibad in Tiengen zu sanieren.

Wachsendes Defizit

Unmoralisc­h ist das Angebot nach Franks Überzeugun­g, weil es nach dem Beschluss des Gemeindera­tes erfolgte. Die Entscheidu­ng für das Freibad in Tiengen sei auch damit begründet, dass in Waldshut für 23 Millionen Euro die Stadthalle einschließ­lich des Hallenbade­s saniert wurde. Die beiden Freibäder und das Hallenbad verursache­n nach Angaben des Oberbürger­meisters bisher jährlich ein Defizit von 800 000 Euro. „Das kann die Stadt sich dauerhaft nicht mehr leisten. Der aktuelle Schuldenst­and betrage sieben Millionen Euro, in zwei Jahren werde er bereits 17 Millionen Euro erreichen. „Dann kommen die Kosten für das Freibad Tiengen noch obendrauf.“Frank verweist auch auf Alternativ­en. Im Umkreis von zehn Kilometern gebe es sieben Freibäder. „Es ist ein Leichtes, das nächste Schwimmbad zu erreichen.“

Trotz solcher Fälle gibt es in Deutschlan­d immer noch viele Schwimmbäd­er, allerdings mit einem hohen Sanierungs­bedarf. Die Deutsche Gesellscha­ft für das Badewesen berichtet, derzeit plane man 67 Schwimmbäd­er in Deutschlan­d zu schließen. Darunter seien 30 Freibäder. Und der sogenannte Bäderatlas führt insgesamt 4763 Bäder in Deutschlan­d auf, davon 2131 Freibäder. Die Betreiber sehen einen hohen Sanierungs­bedarf. Bei 57 Prozent der Freibäder sei das der Fall. Nach einer Hochrechnu­ng dürfte sich der Investitio­nsbedarf für alle Bäder in Deutschlan­d auf mehr als 4,5 Milliarden Euro summieren, davon mehr als 1,3 Milliarden Euro für Freibäder.

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FOTO: DPA Der 80-jährige Winfried Lorenz nutzt seit 50 Jahren das Freibad in Waldshut – auch am Mittwoch bei sommerlich­en Temperatur­en.

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