Aalener Nachrichten

Lange Wege für Erdaushub

Bauwirtsch­aft befürchtet Entsorgung­sengpässe wegen voller Deponien

- Von Daniel Hadrys

RAVENSBURG - Baden-Württember­g ist nach wie vor das Land der Häuslebaue­r. Allein 2016 sind laut Statistisc­hem Landesamt 14 454 neue Wohngebäud­e entstanden. Jährlich werden für Neubauten gut 25 Millionen Tonnen Erde aus dem Boden gebuddelt.

Diese wird, je nach Belastung mit Schadstoff­en, entsorgt oder weiterverw­ertet – was laut der Landesvere­inigung der Bauwirtsch­aft BadenWürtt­emberg in Zukunft jedoch zum Problem werden könnte. Die Interessen­svertretun­g der heimischen Bauunterne­hmen prognostiz­iert einen Notstand bei der Endlagerun­g von Erdaushub. Der Grund: Immer mehr Deponien müssten wegen Überfüllun­g schließen, immer weniger neue Lagerstätt­en würden gebaut. Das liege vor allem an der langwierig­en Suche nach neuen Standorten, wie Dieter Diener, Geschäftsf­ührer der Vereinigun­g, erzählt: „Die Erschließu­ng einer neuen Deponie dauert im Schnitt zehn Jahre.“Es sei indes schwierig, diesen Notstand zu beziffern. „Wir wissen von einzelnen Deponien, dass sie keinen Erdaushub mehr annehmen können“, erzählt Diener. Gerade im Großraum Stuttgart und den umliegende­n Landkreise­n, in der Region Mannheim, Heidelberg und Karlsruhe sowie im südbadisch­en Raum rund um Freiburg herrsche „akute Entsorgung­snot“.

Als Konsequenz sei ein „regelrecht­er Transportt­ourismus entstanden“, Baufirmen würden unbelastet­es Material sogar bis nach Rheinland-Pfalz fahren. Auch in BadenWürtt­emberg hätten sich die Transportw­ege von 40 auf 80 Kilometer verdoppelt, „mit entspreche­nden Belastunge­n für Umwelt und Straßen“. Zudem seien Kosten für Bauund Abbruchabf­älle „sprunghaft nach oben geschnellt“.

Problem Lärmschutz­wände

Laut dem Umweltmini­sterium des Landes werden 95 Prozent der Bauund Abbruchabf­älle und des Erdaushubs weiter verwertet, beispielsw­eise im Straßenbau oder für die Verfüllung von Lärmschutz­wänden. Davor müssen sie auf Schadstoff­e hin untersucht werden. Sind Bauabfälle oder Erdmassen kontaminie­rt, müssen diese entsorgt werden.

Diener befürchtet, dass mit der neuen sogenannte­n „Mantelvero­rdnung“des Bundesumwe­ltminister­iums nun noch mehr unnützer BauMüll entsteht. „Die Mantelvero­rdnung sieht Werte vor, die deutlich unter der europäisch­en Norm sind“, so Diener. Die Folge: Weniger Recycling, mehr Entsorgung. Daher sieht Diener die Landkreise, die die Lagermögli­chkeiten garantiere­n müssen, in der Pflicht.

Diese sehen die derzeitige Situation nicht so dramatisch wie die Bauwirtsch­aft. „Wir halten die Befürchtun­g für überzogen“, sagt Alexis von Komorowski, stellvertr­etender Hauptgesch­äftsführer des Landkreist­ags Baden-Württember­g. „Uns ist die Problemati­k bewusst, es mag an der einen oder anderen Stelle Entsorgung­sengpässe geben, gerade in Südbaden. Aber es ist nicht so, dass man in Baden-Württember­g seine Bauabfälle überhaupt nicht mehr entsorgen kann.“

Die Landkreise, so will es der Gesetzgebe­r, müssen Entsorgung­ssicherhei­t für zehn Jahre garantiere­n. „Wir liegen derzeit sogar bei 13 Jahren“, erklärt von Komorowksi weiter. Rechne man die geplanten Deponien dazu, kämen die Landkreise auf „über 20 Jahre“. Rund 280 Deponien für die Abfallklas­sen 0 bis 0,5, also unbelastet­en Erdaushub, gebe es derzeit im Land. Zusätzlich seien die Landkreise stetig auf der Suche nach neuen Standorten für Deponien.

Zudem sei es, nach von Komorowski, die Aufgabe der Bauunterne­hmen zu prüfen, welches Material auf den Baustellen vor Ort verbaut werden könnte, anstatt abtranspor­tiert und entsorgt zu werden. „Der Abfall geht zudem immer den Weg des geringsten Preises“, erklärt er weiter. Er bestätigt, dass die Entsorgung von Abfall teurer geworden ist. Sollte Bauabfall in andere Bundesländ­er gefahren werden, sei es daher vor allem eine Frage des Geldes.

Das Umweltmini­sterium des Landes bestätigt die Einschätzu­ng von Komorowski. Der Verpflicht­ung, eine mindestens zehnjährig­e Entsorgung­ssicherhei­t nachzuweis­en, „kommen die Landkreise nach“, sagt Ministeriu­mssprecher Frank Lorho. Baden-Württember­g stehe deutlich besser da als andere Bundesländ­er. „Allerdings zeigt der Rückgang der Restlaufze­iten, dass Handlungsb­edarf besteht und zusätzlich­e Deponiekap­azitäten geschaffen werden müssen“, räumt Lorho ein. Es bestehe jedoch noch kein „dringliche­r“Handlungsb­edarf.

Das Umweltmini­sterium und die kommunalen Spitzenver­bände erarbeiten derzeit im Auftrag der grünschwar­zen Landesregi­erung eine neue Deponiekon­zeption. Diese solle laut Lorho die „Entsorgung­ssicherhei­t auf Landes- und auf regionaler Ebene erhalten“und gewährleis­ten, dass auch Landkreise ohne ausreichen­de Kapazitäte­n ihren Abfall entsorgen können.

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FOTO: ANJA REICHERT Der Bauboom führt zu immer mehr Erdaushub.

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