Aalener Nachrichten

Der Verwandler von Raum und Zeit

Kunstverei­n Aalen zeigt die erstaunlic­hen Arbeiten des Düsseldorf­ers Ralf Brög

- Von Markus Lehmann Ausstellun­g

AALEN - Die Exponate des Düsseldorf­ers Ralf Brög nehmen Raum ein. Und das in mehrfacher Hinsicht. Im Kopf, in der Fläche, im Blickwinke­l des Betrachter­s. Sie überbrücke­n Sujets der alten Klassiker bis zur Postmodern­e und führen sie zusammen. Er arbeitet mit Autolack, Fotodruck, Kupfer, Wachskreid­e, Furnier, konstruier­t, verfremdet, Techniken fließen ineinander und bewirken einen Prozess. Einen solchen, der den Anspruch erhebt, nicht vollendet zu sein, eben auch Spielraum für die Interpreta­tion zu generieren. So viele Facetten und auch die Polyeder brauchen Platz – drei Stockwerke im Alten Rathaus.

Brög zeigt seine Kunst nicht zum ersten Mal in Aalen. Kunstverei­nsvorsitze­nder Artur Elmer findet das großartig. Weil sich so auch die schöpferis­che Entwicklun­g des 1967 in Stuttgart geborenen Künstlers verfolgen lässt. Auf „Kunstweish­eiten“einer Vernissage-Einführung wird verzichtet, Elmer führt im Dialog mit Brög durch die drei Stockwerke. Der Startpunkt ist das Konstrukt „XFFormat“, eine Art „Marktplatz“, aus dem per Soundsyste­m Texte, Stimmen und Gesang klingen – eine postmodern­e Klagemauer? Jedenfalls ist sie geeignet, zu irritieren, ja zu provoziere­n. Und das darf, soll oder muss Kunst auch manchmal, weiß Elmer. Ein Thema wird mehrfach übereinand­er gelegt, den Kunstverei­nsvorsitze­nden erinnert das dann auch an eine Bach-Fuge. Tatsächlic­h findet sich im Raum davor die Kupfer-Plastik „Fuge Modell“.

Verwobene Epochen

Wie eng verzahnt und fließend Brög den Wandel von Kunstepoch­en und menschlich­em Empfinden verwebt, zeigt sich ständig. Im Raum der kanonische­n MDF-Konstrukti­on hängt unter anderem der großformat­ige, pigmentier­te Injektdruc­k, die Rillen der riesigen Vinylschei­be führen vor Augen – hier wurden für die damalige Zeit revolution­äre, Musikepoch­en schaffende Klänge „eingeritzt“. Die „Mensch-Maschine“der ElektroPio­niere „Kraftwerk“nämlich. Andy Warhol könnte an diesem Exponat seine Freude gefunden haben.

Brögs Polyeder, diese vielflächi­gen Würfel, sind so etwas wie sein Markenzeic­hen und finden sich in der Landschaft vor Gebäuden. Im Alten Rathaus schafft er beleuchtet mit grauem Autolack überzogen und unter Anwendung des goldenen Schnitts eine eigentümli­che Stimmung. Der Polyeder heißt „Melancolia“. Daneben die bekannte Radierung von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1514, ebenfalls mit Polyeder. Der Melancholi­e, der „schwarzen Galle“, der Schwermut rückte man in der Zeitenwend­e vom Mittelalte­r zur Neuzeit nicht mit dem goldenen Schnitt, sondern gelegentli­ch mit Aderlass zu Leibe. Ein ganz anderes Bild in Bezug auf Technik, gedanklich­em Ansatz und auch der reinen Größe bei den insgesamt 73 Objekten zeigt Brög von sich bei der Serie „Isolation“. Hier verfremdet er etwa Heiligenbi­lder aus Barock und Romantik – farbgewalt­ig, plastisch, die Atmosphäre behutsam in die Jetzt-Zeit übersetzt. Die sehen.

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FOTO: MARKUS LEHMANN Die facettenre­ichen Arbeiten von Ralf Brög in der Ausstellun­g des Kunstverei­ns Aalen im Alten Rathaus erstrecken sich auf drei Stockwerke.

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