Der Verwandler von Raum und Zeit
Kunstverein Aalen zeigt die erstaunlichen Arbeiten des Düsseldorfers Ralf Brög
AALEN - Die Exponate des Düsseldorfers Ralf Brög nehmen Raum ein. Und das in mehrfacher Hinsicht. Im Kopf, in der Fläche, im Blickwinkel des Betrachters. Sie überbrücken Sujets der alten Klassiker bis zur Postmoderne und führen sie zusammen. Er arbeitet mit Autolack, Fotodruck, Kupfer, Wachskreide, Furnier, konstruiert, verfremdet, Techniken fließen ineinander und bewirken einen Prozess. Einen solchen, der den Anspruch erhebt, nicht vollendet zu sein, eben auch Spielraum für die Interpretation zu generieren. So viele Facetten und auch die Polyeder brauchen Platz – drei Stockwerke im Alten Rathaus.
Brög zeigt seine Kunst nicht zum ersten Mal in Aalen. Kunstvereinsvorsitzender Artur Elmer findet das großartig. Weil sich so auch die schöpferische Entwicklung des 1967 in Stuttgart geborenen Künstlers verfolgen lässt. Auf „Kunstweisheiten“einer Vernissage-Einführung wird verzichtet, Elmer führt im Dialog mit Brög durch die drei Stockwerke. Der Startpunkt ist das Konstrukt „XFFormat“, eine Art „Marktplatz“, aus dem per Soundsystem Texte, Stimmen und Gesang klingen – eine postmoderne Klagemauer? Jedenfalls ist sie geeignet, zu irritieren, ja zu provozieren. Und das darf, soll oder muss Kunst auch manchmal, weiß Elmer. Ein Thema wird mehrfach übereinander gelegt, den Kunstvereinsvorsitzenden erinnert das dann auch an eine Bach-Fuge. Tatsächlich findet sich im Raum davor die Kupfer-Plastik „Fuge Modell“.
Verwobene Epochen
Wie eng verzahnt und fließend Brög den Wandel von Kunstepochen und menschlichem Empfinden verwebt, zeigt sich ständig. Im Raum der kanonischen MDF-Konstruktion hängt unter anderem der großformatige, pigmentierte Injektdruck, die Rillen der riesigen Vinylscheibe führen vor Augen – hier wurden für die damalige Zeit revolutionäre, Musikepochen schaffende Klänge „eingeritzt“. Die „Mensch-Maschine“der ElektroPioniere „Kraftwerk“nämlich. Andy Warhol könnte an diesem Exponat seine Freude gefunden haben.
Brögs Polyeder, diese vielflächigen Würfel, sind so etwas wie sein Markenzeichen und finden sich in der Landschaft vor Gebäuden. Im Alten Rathaus schafft er beleuchtet mit grauem Autolack überzogen und unter Anwendung des goldenen Schnitts eine eigentümliche Stimmung. Der Polyeder heißt „Melancolia“. Daneben die bekannte Radierung von Albrecht Dürer aus dem Jahr 1514, ebenfalls mit Polyeder. Der Melancholie, der „schwarzen Galle“, der Schwermut rückte man in der Zeitenwende vom Mittelalter zur Neuzeit nicht mit dem goldenen Schnitt, sondern gelegentlich mit Aderlass zu Leibe. Ein ganz anderes Bild in Bezug auf Technik, gedanklichem Ansatz und auch der reinen Größe bei den insgesamt 73 Objekten zeigt Brög von sich bei der Serie „Isolation“. Hier verfremdet er etwa Heiligenbilder aus Barock und Romantik – farbgewaltig, plastisch, die Atmosphäre behutsam in die Jetzt-Zeit übersetzt. Die sehen.