Da treffen Welten aufeinander
Paul Taylor’s American Modern Dance Company zu Gast beim Bodenseefestival
FRIEDRICHSHAFEN – Beim Bodenseefestival darf auch der Tanz nicht fehlen: Mit drei unterschiedlichen Choreografien, die gleichwohl die Handschrift ihres Gründers und mit 86 Jahren immer noch aktiven Chefchoreografen Paul Taylor tragen, war die Paul Taylor’s American Modern Dance Company an zwei Abenden im Graf-Zeppelin-Haus (GZH) in Friedrichshafen zu Gast. Unter der Leitung der russischen Dirigentin Anna Skryleva musizierte die Südwestdeutsche Philharmonie Konstanz die zugrunde liegenden Kompositionen von Franz Schubert, David Israel und Johann Sebastian Bach.
Licht, Heiterkeit, Freude an der Bewegung spiegelte sich in „Mercuric Tidings“, einer Choreografie aus dem Jahr 1982 zu Musik aus frühen Symphonien Franz Schuberts. Vor farbkräftigem Hintergrund in Pink oder Blau und gekleidet in rote Trikots regte die jugendlich spritzige Musik Schuberts zu großer Dynamik in schräg aufstrebenden Bewegungen, Sprüngen, Paarbegegnungen und kraftvollen Pirouetten an. „Mercuric“verweist wohl auf die quecksilbrige Energie dieses Tanzes, die stets virtuoser werdenden Sprünge im ersten Teil, die scheinbare Leichtigkeit des lockeren Treibens im Finale. Im Mittelteil zur innigen, bläserbetonten Musik ist auch die Körpersprache eine andere, wird ruhig und fließend. Mit großem Figurenreichtum und Bildkraft zielt Paul Taylors Choreografie auf eine festliche Schluss-Apotheose.
In „The Word“aus dem Jahr 1998 treffen zwei Welten aufeinander: eine Welt der Uniformität, der Gefolgschaft, des religiösen Gruppenzwangs, der keine Individualität erlaubt. Männer und Frauen stecken in Collegekleidung mit Kniehosen, weißen Strümpfen, Krawatten und Hosenträgern, tanzen wie formelhaft, steif, ein bisschen eckig mit abgespreizten Beinen. Anbetung, aber auch Unterdrückung spielt hier herein. In diese geregelte Welt tritt ein kreatürliches Wesen ein: In erdfarbenem Kostüm mit aufgemalten Brüsten tanzt eine Frau mit offenen Haaren und weichen, fließenden, erdnahen Bewegungen – ein Dämon, eine Verführerin, ein Waldgeist mit archaischer, animalischer Energie. Auch hier lässt der Titel beziehungsweise der Bibelvers „Denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer“ Raum für Deutung und Fantasie, ebenso wie die an Strawinsky orientierte farbenreiche Musik von David Israel.
Ein Jahr nach dem Anschlag auf das World Trade Center schuf Paul Taylor, dessen Truppe im New Yorker Lincoln Center beheimatet ist, das Ballett „Promethean Fire“für 16 Tänzerinnen und Tänzer in schwarzen Trikots mit hellen Fischgrätstreifen. Die starke Orgelmusik von Johann Sebastian Bach in der mächtigen Orchestrierung und die kraftvolle Dynamik in Solo- und Ensembletänzen erzählen von Schwere und Düsternis, wenn sich die Tänzer zu Gruppen, Menschenhaufen, belebten Skulpturen zusammenfinden. Sie erzählen aber auch von positiver Kraft, von Wiederaufbau, von aufstrebender Energie mit symbiotischen Paarbildungen und weit ausgreifender Körpersprache.
Paul Taylor vermag durch seine leidenschaftlich engagierte Truppe und die große Musikalität seiner Kreationen einfache oder vieldeutige Geschichten zu erzählen. Die Livemusik durch die Südwestdeutsche Philharmonie in einer eher ungewohnten Funktion verstärkt diese Eindrücke noch und führt zu tiefem Erleben. Die Ballettfreunde im GZH feierten die amerikanischen Gäste mit begeistertem Applaus.