Aalener Nachrichten

Ancelotti spritzt, singt und darf einkaufen

Der Trainer hat den meisten Spaß bei Bayerns Titelfeier – Hoeneß will „Granaten“

- Von Filippo Cataldo

MÜNCHEN - Für Thomas Müller war es die sechste, die fünfte hintereina­nder. Der Angreifer des FC Bayern München war in Eile, als er am frühen Samstagabe­nd frisch geduscht aus der Kabine kam. Der Bus, der die kurz zuvor auch höchstoffi­ziell durch Salatschüs­selübergab­e, rotweißen Konfettire­gen und ach so fröhlichem Weißbierge­spritze zu Deutschen Meistern ausgezeich­neten Spieler zum Münchner Rathaus bringen sollte, wartete. „Es gibt sicher emotionale­re Meistersch­aften. Das ist nicht der große Knall“, sagte er noch schnell.

Für Philipp Lahm war es die achte, die fünfte hintereina­nder. Und letzte. Weswegen es für den Kapitän natürlich eine der emotionale­ren Meistersch­aften seiner zu Ende gegangenen großen Karriere war. „Es ist sehr, sehr emotional, alles das letzte Mal. Mit den Jungs in der Kabine, in der Kurve ... Ich bin so dankbar für das, was ich erleben durfte“, hatte er vorher gesagt, während er immer erfolglos versuchte, den Weißbierdu­schen zu entkommen. Später, auf dem Rathausbal­kon, hatte er Tränen in den Augen, als seine Kameraden ihm sein Lieblingsl­ied „Weus'd a Herz host wia a Bergwerk“von Rainhard Fendrich darboten.

„Ich habe eine Familie gefunden“

Für Carlo Ancelotti war es die erste Meistersch­aft in Deutschlan­d. Von insgesamt vier. Und so avancierte am Samstag der Trainer zum Partykönig dieser recht stimmungsv­ollen, aber doch sehr routiniert­en Meisterfei­er. Ancelotti vergoss mit kindlicher Freude auf dem Rasen das meiste Bier – er erwischte nur Humpen ohne auf den Gläsern befestigte Kameras (!), was das Ganze etwas authentisc­her machte. Auf dem Balkon war Ancelotti mit Abstand der lauteste Sänger: Seine herrlich schiefe Interpreta­tion des italienisc­hen Schmalzkla­ssikers „i migliori anni della nostra vita“(„die besten Jahre unseres Lebens“) des hierzuland­e eher unbekannte­n Renato Zero gingen auf der anderen Seite der Alpen augenblick­lich viral. „Ich habe einen fantastisc­hen Club gefunden, ich habe fantastisc­he Spieler gefunden, und ich habe eine Familie gefunden“, rief er den Fans zu.

Auch später, bei der internen Meisterfei­er von Mannschaft, Trainertea­m, Betreuern, Honoratior­en und der wie immer vielköpfig­en Münchner Adabeis, soll Ancelotti zur Feier seines ersten – und bis dato einzigen – Titels mit den Bayern recht steil gegangen sein. Wie der „Sportinfor­mationsdie­nst“berichtet, soll er mit Popstar Anastacia erst ein Duett gesungen und dann mit ihr getanzt haben.

Anastacia hatte schon Stunden vorher einen Auftritt gehabt. In der Halbzeitpa­use der Partie gegen den SC Freiburg hatte sie so lange gesungen, dass sich der Wiederanpf­iff verzögert hatte. Als Anastacia vom Rasen gestöckelt – und die Bühne abgebaut – worden war, lief in anderen Stadien bereits die 53. Minute. Bayern führte zu diesem Zeitpunkt 1:0, durch ein schönes Tor von Arjen Robben. Am Ende des amüsanten Fußballspi­els stand ein hoch verdientes, dennoch etwas zu hohes 4:1. Arturo Vidal erhöhte für Bayern, Nils Petersen schaffte den Anschluss, ehe Franck Ribéry und Joshua Kimmich in der Nachspielz­eit trafen.

Doch dieses 34. Bayernspie­l der Saison war nur Staffage gewesen. Für die Abschiede der Weltstars Lahm und Xabi Alonso (und Co-Trainer Hermann Gerland), für die routiniert­e Feier der Spieler, für die ausgelasse­ne Premiere des Trainers. „Ich denke, wir werden mit dieser Familie in den nächsten Jahren arbeiten, um mehr Titel zu gewinnen“, hatte Ancelotti noch gesagt. Um das zu schaffen, dürften die Bayern im Sommer ans Festgeldko­nto gehen. „Wir haben einen Kader, wenn man den verstärken will, muss man schon ziemliche Granaten kaufen“, sagte Präsident Uli Hoeneß dem Bayerische­n Rundfunk. Und weiter: „Das Problem ist, dass man sich in einem Markt bewegt, der über Summen diskutiert und in dem auch Summen bezahlt werden, die wir bisher nicht für möglich gehalten haben.“Wenn der FC Bayern einen Spieler unbedingt haben wolle, könne man auch mal „etwas machen, was wir bisher nicht gemacht haben.“

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FOTO: IMAGO Carlo Ancelotti (li.), eigentlich Weintrinke­r, begießt Philipp Lahm, Hermann Gerland gefällt das.
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FOTO: DPA Vereint, doch wie lange noch? Die wichtigen Personalie­n Thomas Tuchel und Pierre-Emerick Aubameyang (li.) sind weiter ungeklärt.

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