Aalener Nachrichten

Warum in die Ferne schweifen? – In Deutschlan­d Urlaub machen

- Muss p.lawrenz@schwäbisch­e.de s.haefele@schwäbisch­e.de

Das vielleicht größte aller Klischees in unseren bewegten Zeiten ist doch dieses: Reisen bildet. Wer weitgereis­t ist, ein nobler, weltoffene­r Mensch sein. Ach ja, schön wär’s. Vermutlich stammt diese Hoffnung noch aus jenen fernen Zeiten, als der olle Goethe reiste, um seinen Horizont zu erweitern und von diversen Musen geküsst zu werden. Dank Billigflie­ger und Business-Spesenritt­ertum ist heute leider zigfach bewiesen, dass jeder Idiot in jede beliebige Ecke der Welt reisen kann – um wundersame­rweise genauso dämlich und engstirnig zurückzuke­hren, bereichert nur um ein paar gefälschte Designerkl­amotten und die Bornierthe­it des vermeintli­ch Weltläufig­en. Gebildet haben sich auf dem Miles&More-Trip aber höchstens ein paar Herpesbläs­chen. Danke bestens. Nicht dass Entdeckerd­rang abzulehnen wäre. Keinesfall­s! Aber für viele von uns beginnt das Neuland schon an der Gemeindegr­enze, nicht am Amazonas.

Man muss ja nicht gleich barfuß durch Deutschlan­d wandern, wie Aldo Berti (siehe oben), um Abenteuerl­iches zu erleben. Dank der Deutschen Bahn, die sich bekanntlic­h eine Nonchalanc­e zugelegt hat, wie man sie früher aus südländisc­hen Sehnsuchts­ländern kannte, gerät auch eine Reise in die Lüneburger Heide leicht zum Abenteuer-Trip mit bewusstsei­nserweiter­nder Wirkung. Von Petra Lawrenz

Um zu begreifen, dass der Himmel überall blau ist, braucht man nicht um die Welt zu reisen.“Sagte einst der von uns so verehrte Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe. Der Alte hat zwar in vielem, aber eben nicht in allem Recht. Außerdem reiste er doch selbst um die halbe Welt! Fläzte sich mitten in der römischen Campagna lässig auf marmornen Stein und ließ sich dabei auch noch von Meister Tischbein malen! Ganz nach dem Motto: Sieh, gemeine Welt, wo ich weile! Angeberisc­her geht’s ja wohl kaum. War’s ihm in seinem schnuckeli­gen Weimar etwa langweilig? Hatte er gar genug von deutschen Mädels und liebäugelt­e mit feurigen Signorinas? Wir wissen es nicht. Nur so viel: Reisen bildet! Nicht umsonst gilt unser Goethe als kluger Kopf. Natürlich hat auch Deutschlan­d schöne Ecken. Jede Menge sogar. Doch die zu besuchen funktionie­rt (hoffentlic­h) auch noch im hohen Alter. Karibik, Kenia, Khao Lak aber verlangen eine gute körperlich­e Konstituti­on, Abenteuerl­ust und einen gefüllten Geldbeutel. Für Rentner alles nicht mehr so ganz selbstvers­tändlich. Und das mit dem blauen Himmel hat in den letzten Sommern in Deutschlan­d ja auch nicht mehr so richtig geklappt. Doch versproche­n: Ich schicke keine angeberisc­hen Postkarten oder lass mich gar am Seychellen-Strand malen. Von Simone Haefele

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