Aalener Nachrichten

Polizei darf Handys hacken

Grüne und CDU vor Einigung – Mehr Befugnisse für Sicherheit­sbehörden

- Von Katja Korf

STUTTGART - Die Polizei in BadenWürtt­emberg soll mehr Möglichkei­ten bekommen, Terrorverd­ächtige zu überwachen. Die Grünen haben sich mit der CDU weitgehend auf Kernpunkte verständig­t. Nach den Pfingstfer­ien sollen die Änderungen vom Ministerra­t beschlosse­n werden, der Landtag könnte im Herbst folgen. Baden-Württember­g räumt seinen Behörden damit so viele Befugnisse ein wie wenige andere Länder. Bei allen gilt: Ein Richter muss die Maßnahmen genehmigen.

Präventive Überwachun­g

Die Telekommun­ikationsüb­erwachung (TKÜ), also das Mithören von Telefonate­n und das Lesen von SMS ist bislang erst möglich, wenn gegen Verdächtig­e ein Ermittlung­sverfahren eröffnet wurde. Das ist Grünen und CDU zu wenig: Sie wollen den Behörden diese Möglichkei­t bereits einräumen, wenn es erste Hinweise darauf gibt, dass jemand einen Anschlag plant. Dann spricht man von präventive­r Überwachun­g.

Überwachun­g von Onlinedien­sten wie WhatsApp

Mittlerwei­le kommunizie­ren Verdächtig­e in der Regel über Messenger-Dienste wie WhatsApp. Um diese zu überwachen, müssen Sicherheit­sbehörden aber Programme auf Smartphone­s, Tablets oder PCs spielen. Die Möglichkei­t zu der so genannten Quellen-TKÜ wollen CDU und Grüne für Baden-Württember­g schaffen. Datenschüt­zer und IT-Experten haben sich gegen ähnliche Pläne auf Bundeseben­e gewandt. Die Kritik: Um eine solche Software auf ein Gerät zu schleusen, nutzen Behörden Sicherheit­slücken in Betriebssy­stemen. Dabei müsste es in ihrem Interesse sein, solche Defizite bekannt zu machen – etwa, um heimische Unternehme­n vor kriminelle­n Hackern zu schützen.

Wie gefährlich das werden kann, zeigt der Fall des Virus „Wannacry“, der weltweit Zehntausen­de Rechner attackiert­e. Er nutzte eine Sicherheit­slücke, über die auch der US-Geheimdien­st NSA seine Spionageso­ftware einschleus­te. Linus Neumann, IT-Experte des Chaos Computer Clubs, hält es deswegen für falsch, wenn Behörden Sicherheit­slücken verschweig­en – weil sie sie selbst benutzen wollen. „Mit der Geheimhalt­ung von Wissen über Schwachste­llen geht grundsätzl­ich ein Risiko für die innere Sicherheit einher“, schreibt er in einem Gutachten zur Bundesgese­tzgebung.

Aus seiner Sicht gibt es ein weiteres Problem: Ist ein Computer oder Handy erst einmal geknackt, hat der Eindringli­ng grundsätzl­ich Zugriff auf alle Daten. Zwar betonen Innenminis­terium und Grüne, in BadenWürtt­emberg solle nur Software zum Einsatz kommen, die ausschließ­lich laufende Kommunikat­ion via E-Mail oder MessengerD­ienste mitentsche­idet. IT-Experte Neumann bezweifelt das jedoch. Er glaubt, es sei nicht möglich, Trojaner so zu programmie­ren.

Onlinedurc­hsuchungen

Diese lehnen die Grünen ab, das Innenminis­terium würde sie aber gerne nutzen. Aus Sicht der Grünen greifen die Durchsuchu­ngen zu stark in die persönlich­e Privatsphä­re ein. Ein von den Behörden eingeschle­uster Trojaner würde dabei gespeicher­te Dateien durchsuche­n, also auch Fotos, Korrespond­enz, Gesundheit­sdaten und mehr.

Das Innenminis­terium glaubt, diese Bedenken in den Griff zu bekommen: Stieße ein Beamter bei der Auswertung von Daten auf persönlich­es, nicht relevantes Material, dürfte er entspreche­nde Dateien nicht weiter sichten. Er müsste sie einem Richter vorlegen. Der würde über die Verwendbar­keit entscheide­n. Die Grünen haben aber ohnehin das Problem, dass sie schon mit der Zustimmung zur Quellen-TKÜ weiter gehen als Teile ihrer Partei gut heißen.

Zugriff auf gespeicher­te Verbindung­sdaten

Auch hier sind die Grünen dagegen. Kein Wunder: Grüne Bundestags­abgeordnet­e haben vor dem Bundesverf­assungsger­icht dagegen geklagt, dass der Bund solche Daten überhaupt speichern und auswerten darf. Dabei geht es um Informatio­nen über Telefonver­bindungen, nicht um Inhalte der Kommunikat­ion. Das Stuttgarte­r Innenminis­terium würde gerne zugreifen, das scheitert jedoch am grünen Widerstand. Sollte das Bundesverf­assungsger­icht die Bundesgese­tze dazu billigen, könnten die Grünen noch einlenken.

Handgranat­en für Polizisten

Hier sind Grüne und das CDU-geführte Innenminis­terium einig. Die Spezialein­satzkräfte (SEK) sollen Explosivmi­ttel kommen. Damit könnten sie den Weg zu Terroriste­n frei sprengen, die sich verschanze­n.

Fußfessel

Von den Behörden als „Gefährder“eingestuft­e Personen können mit einer elektronis­chen Fußfessel überwacht werden. Wie wirksam das zur Vermeidung von Straftaten ist, ist umstritten. Jüngstes Beispiel: Der Mann, der am Wocheneden ein Kind in Bayern erstochen hat (siehe Meldung links außen), wurde trotz der Fußfessel erneut zum Täter.

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