Polizei darf Handys hacken
Grüne und CDU vor Einigung – Mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden
STUTTGART - Die Polizei in BadenWürttemberg soll mehr Möglichkeiten bekommen, Terrorverdächtige zu überwachen. Die Grünen haben sich mit der CDU weitgehend auf Kernpunkte verständigt. Nach den Pfingstferien sollen die Änderungen vom Ministerrat beschlossen werden, der Landtag könnte im Herbst folgen. Baden-Württemberg räumt seinen Behörden damit so viele Befugnisse ein wie wenige andere Länder. Bei allen gilt: Ein Richter muss die Maßnahmen genehmigen.
Präventive Überwachung
Die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ), also das Mithören von Telefonaten und das Lesen von SMS ist bislang erst möglich, wenn gegen Verdächtige ein Ermittlungsverfahren eröffnet wurde. Das ist Grünen und CDU zu wenig: Sie wollen den Behörden diese Möglichkeit bereits einräumen, wenn es erste Hinweise darauf gibt, dass jemand einen Anschlag plant. Dann spricht man von präventiver Überwachung.
Überwachung von Onlinediensten wie WhatsApp
Mittlerweile kommunizieren Verdächtige in der Regel über Messenger-Dienste wie WhatsApp. Um diese zu überwachen, müssen Sicherheitsbehörden aber Programme auf Smartphones, Tablets oder PCs spielen. Die Möglichkeit zu der so genannten Quellen-TKÜ wollen CDU und Grüne für Baden-Württemberg schaffen. Datenschützer und IT-Experten haben sich gegen ähnliche Pläne auf Bundesebene gewandt. Die Kritik: Um eine solche Software auf ein Gerät zu schleusen, nutzen Behörden Sicherheitslücken in Betriebssystemen. Dabei müsste es in ihrem Interesse sein, solche Defizite bekannt zu machen – etwa, um heimische Unternehmen vor kriminellen Hackern zu schützen.
Wie gefährlich das werden kann, zeigt der Fall des Virus „Wannacry“, der weltweit Zehntausende Rechner attackierte. Er nutzte eine Sicherheitslücke, über die auch der US-Geheimdienst NSA seine Spionagesoftware einschleuste. Linus Neumann, IT-Experte des Chaos Computer Clubs, hält es deswegen für falsch, wenn Behörden Sicherheitslücken verschweigen – weil sie sie selbst benutzen wollen. „Mit der Geheimhaltung von Wissen über Schwachstellen geht grundsätzlich ein Risiko für die innere Sicherheit einher“, schreibt er in einem Gutachten zur Bundesgesetzgebung.
Aus seiner Sicht gibt es ein weiteres Problem: Ist ein Computer oder Handy erst einmal geknackt, hat der Eindringling grundsätzlich Zugriff auf alle Daten. Zwar betonen Innenministerium und Grüne, in BadenWürttemberg solle nur Software zum Einsatz kommen, die ausschließlich laufende Kommunikation via E-Mail oder MessengerDienste mitentscheidet. IT-Experte Neumann bezweifelt das jedoch. Er glaubt, es sei nicht möglich, Trojaner so zu programmieren.
Onlinedurchsuchungen
Diese lehnen die Grünen ab, das Innenministerium würde sie aber gerne nutzen. Aus Sicht der Grünen greifen die Durchsuchungen zu stark in die persönliche Privatsphäre ein. Ein von den Behörden eingeschleuster Trojaner würde dabei gespeicherte Dateien durchsuchen, also auch Fotos, Korrespondenz, Gesundheitsdaten und mehr.
Das Innenministerium glaubt, diese Bedenken in den Griff zu bekommen: Stieße ein Beamter bei der Auswertung von Daten auf persönliches, nicht relevantes Material, dürfte er entsprechende Dateien nicht weiter sichten. Er müsste sie einem Richter vorlegen. Der würde über die Verwendbarkeit entscheiden. Die Grünen haben aber ohnehin das Problem, dass sie schon mit der Zustimmung zur Quellen-TKÜ weiter gehen als Teile ihrer Partei gut heißen.
Zugriff auf gespeicherte Verbindungsdaten
Auch hier sind die Grünen dagegen. Kein Wunder: Grüne Bundestagsabgeordnete haben vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen geklagt, dass der Bund solche Daten überhaupt speichern und auswerten darf. Dabei geht es um Informationen über Telefonverbindungen, nicht um Inhalte der Kommunikation. Das Stuttgarter Innenministerium würde gerne zugreifen, das scheitert jedoch am grünen Widerstand. Sollte das Bundesverfassungsgericht die Bundesgesetze dazu billigen, könnten die Grünen noch einlenken.
Handgranaten für Polizisten
Hier sind Grüne und das CDU-geführte Innenministerium einig. Die Spezialeinsatzkräfte (SEK) sollen Explosivmittel kommen. Damit könnten sie den Weg zu Terroristen frei sprengen, die sich verschanzen.
Fußfessel
Von den Behörden als „Gefährder“eingestufte Personen können mit einer elektronischen Fußfessel überwacht werden. Wie wirksam das zur Vermeidung von Straftaten ist, ist umstritten. Jüngstes Beispiel: Der Mann, der am Wocheneden ein Kind in Bayern erstochen hat (siehe Meldung links außen), wurde trotz der Fußfessel erneut zum Täter.