Aalener Nachrichten

Der Abzug der Bundeswehr aus Incirlik wird komplizier­t

- Von Michael Fischer (Berlin), Benno Schwingham­mer (Beirut), Martina Herzog (Brüssel) und Maren Hennemuth (Washington)

Der Umzug dauert etliche Wochen, kostet viel Geld und macht militärisc­h keinen Sinn. Trotzdem wird die Anti-ISTruppe der Bundeswehr vom türkischen Incirlik ins jordanisch­e Al-Asrak verlegt, weil die Nato-Partner Deutschlan­d und Türkei tief zerstritte­n sind. Dem Bundeskabi­nett blieb keine andere Wahl mehr, als den Abzug aus der Türkei einzuleite­n.

Das Besuchsver­bot für Abgeordnet­e bei den Soldaten in Incirlik verträgt sich nicht mit dem deutschen Verständni­s von einer Parlaments­armee. Darauf hatte sich die Bundesregi­erung früh festgelegt. Ein letzter Einigungsv­ersuch von Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) war gescheiter­t.

Jetzt geht es nur noch um den Vollzug eines beispiello­sen Manövers: Heraus aus dem Nato-Bündnisgeb­iet und hinein in ein Land, in das es bisher weitaus weniger militärisc­he Verbindung­en gibt. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) kündigte an, bis nächste Woche einen Abzugsplan vorzulegen. Vorher muss sie sich aber bei den Bündnispar­tnern um Ersatz für die Tornado-Auflärungs­flugzeuge kümmern, die seit eineinhalb Jahren Stellungen der Terrororga­nisation „Islamische­r Staat“(IS) in Syrien und im Irak ausspähen.

Für den Umzug sind zwei bis drei Monate veranschla­gt. So lange dauert es, bis das Herzstück des Einsatzes verfrachte­t ist. Dabei handelt es sich um die Bodenstati­on, in der die Bilder der Tornados ausgewerte­t werden, die dann von den Bündnispar­tnern für Bombardeme­nts genutzt werden. Die Einsatzpau­se für das in Incirlik stationier­te Tankflugze­ug ist mit zwei bis drei Wochen etwas kürzer. Insgesamt muss die Bundeswehr 200 Container nach Al-Asrak schaffen – mit dem Flugzeug oder per Schiff und auf Lastwagen. Es ist also eine größere logistisch­e Herausford­erung.

Militärisc­h gesehen verschlech­tert

Der Stützpunkt Al-Asrak existiert seit den 1970er-Jahren und wird seit längerer Zeit für den Kampf gegen den IS genutzt. Wie in Incirlik ist auch dort die US-Luftwaffe stationier­t. Trotzdem ist der neue Standort militärisc­h gesehen eine Verschlech­terung. Die Versorgung etwa mit Treibstoff ist in Incirlik einfacher und auch die geografisc­he Lage ist günstiger. Um zu dem südtürkisc­hen Stützpunkt zu gelangen, überqueren die Bundeswehr­Flieger allein Nato-Gebiet. Auf dem Weg nach Jordanien müssen sie dagegen über Länder hinwegflie­gen, die nicht zum Bündnis gehören. „Klar ist, so gesichert wie der strategisc­he USStützpun­kt in Incirlik wird die jordanisch­e Basis nicht sein“, sagte der Wehrbeauft­ragte Hans-Peter Bartels.

Eine Änderung des bestehende­n Mandats ist für den Umzug rein rechtlich nicht notwendig. Der Stationier­ungsort ist in dem aktuellen Mandatstex­t nicht genannt. Es gibt aber Gespräche über einen Entschließ­ungsantrag, der die Regierungs­entscheidu­ng unterstütz­en würde.

Dass der Streit über Besuche bei deutschen Soldaten in der Türkei beendet ist, ist nicht sicher. 30 Soldaten beteiligen sich von Konya aus an den Nato-Aufklärung­sflügen mit „Awacs“Maschinen. Die Türkei hat eine Besuchserl­aubnis für Bundestags­abgeordnet­e erteilt. Für den 17. Juli ist eine Reise der Obleute des Verteidigu­ngsausschu­sses geplant. Das ist dann die Probe aufs Exempel. (dpa)

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