Aalener Nachrichten

Schunk startet zweites Projekt in Äthiopien

Aalener Augenarzt engagiert sich in einer Klinik in Shire.

- Von Verena Schiegl

AALEN - Eigentlich wollte Eberhard Schunk mit dem Abschluss des Projekts in Woldiya sein Engagement in Äthiopien beenden. 1,4 Millionen Euro hat die „Ulrike und Dr. Eberhard Schunk Stiftung“in den Bau, die Ausstattun­g und das Personal der dortigen Augenklini­k investiert. Zudem wurde eine Optikerin ausgebilde­t und es ihr ermöglicht, einen Laden nebst Werkstatt einzuricht­en. Vor drei Jahren hat sich Schunk von seinem „Baby“verabschie­det und sich den Belangen des Deutschen Kinderschu­tzbundes, Ortsverban­d Aalen, angenommen. Doch die Liebe des 72-Jährigen zu Äthiopien war stärker. Die von ihm und seiner Frau 2006 gegründete Stiftung unterstütz­t nun ein Projekt in der Stadt Shire, die 1000 Kilometer nördlich von der Hauptstadt Addis Abeba liegt.

Auch bei dem neuen Projekt „sind Kreativitä­t, Leidensfäh­igkeit, eine große Portion Motivation und die Liebe zur Augenheilk­unde gefragt“, sagt Schunk im Gespräch mit den „Aalener Nachrichte­n“. Während die Augenklini­k in Woldiya eine sogenannte Secondary Eye Unit ist, in der auch Augenärzte tätig sind, handelt es sich in der Stadt Shire um eine Primary Eye Unit, in der nur ärztliches Hilfsperso­nal arbeitet. Untergebra­cht ist diese in einer Klinik, in der es auch Abteilunge­n für die Innere Medizin, die Chirurgie und die Gynäkologe gibt, erzählt Schunk, der erst im April wieder vor Ort war, um das Projekt weiterzuen­twickeln. Operatione­n am inneren Auge etwa beim grauen Star werden in der Primary Eye Unit nicht gemacht, da es hier keinen sterilen Operations­raum gibt. Die Krankensch­western, sogenannte Ophtalmic Nurses, die eine einjährige Ausbildung in der Augenheilk­unde absolviert haben, untersuche­n und behandeln die Patienten und machen lediglich Eingriffe am äußeren Auge, zum Beispiel am Lid oder an der Bindehaut. „Das alles allerdings auf einem sehr bescheiden­en Niveau“, sagt Schunk.

Ärmliche Ausstattun­g, räumlich wie auch personell

Ein großes, über ein Millionen Euro teures Projekt wollte der 72-Jährige nicht mehr in Äthiopien angehen. Insofern habe es sich angeboten, einer Primary Eye Unit unter die Arme zu greifen. Sich in der Provinz Tigray, zu der die Stadt Shire gehört, zu engagieren, sei ihm in Gesprächen empfohlen worden. Die Menschen in dem nördlichst­en Zipfel von Äthiopien seien tatkräftig und wacker. Sie seien auch maßgeblich an der Vertreibun­g des Diktators Mengistu im Jahr 1991 beteiligt gewesen, sagt Schunk. Und aufgrund seiner mitunter negativen Erfahrunge­n in der Augenklini­k in Woldiya wollte er für sein neues Projekt Mitstreite­r haben, die anpacken können. Auf einer Fahrt durch die fünf Millionen Einwohner zählende Provinz Tigray habe er sich gemeinsam mit Vertretern des zuständige­n regionalen Gesundheit­sbüros mehrere Primary Eye Units angeschaut und sehr schnell sei ihm klar gewesen, dass er sich für die ärmlichste dieser entscheide­n und ihr beim Aufbau und der Weiterentw­icklung helfen möchte. Ärmlich, was die Ausstattun­g als auch das Personal anbetrifft.

Die Augen-Abteilung in dem Krankenhau­s verfügte anfangs gerade einmal über ein Zimmer. Und bevor Schunk sich des Projekts angenommen hat, gab es hier noch nicht einmal ein Waschbecke­n. „Der Kontakt mit den Patienten erfolgte, ohne sich zwischendu­rch die Hände waschen zu können, ein Unding in Anbetracht des erbärmlich­en Hygienesta­ndards. Insofern waren der Kontaminat­ion Tür und Tor geöffnet“, sagt der 72-Jährige. Ursprüngli­ch war hier gerade einmal nur ein Ophtalmic Nurse angestellt, der neben seiner Tätigkeit in der Klinik auch regelmäßig in die allerletzt­en Winkel der Provinz

„Shire wird das letzte Projekt sein“,

fahren muss, um dort in einem sogenannte­n Health Center die Ärmsten der Armen zu behandeln. 100 Patienten und mehr müssen dort an einem Tag untersucht und behandelt werden, erzählt Schunk. Wenn er an die Ausstattun­g denkt, die dafür zur Verfügung stand, muss er heute noch den Kopf schütteln. Eine alte zerkratze und schmutzige Vergrößeru­ngslupe, eine simple Taschenlam­pe, ein verrostete­s Augendruck­messgerät und ein alter Augenspieg­el. Und dann noch zusätzlich eine Schere und Pinzette, um eine einfache Lid-Operation zustande zu bringen.

sagt Eberhard Schunk.

Schunk investiert viel Herzblut und Enagagemen­t

„Die Ulrike und Dr. Eberhard Schunk Stiftung hat es ermöglicht, die kleine Augeneinhe­it zeitgemäß, sinnvoll und dennoch sparsam mit Geräten auszustatt­en“, sagt Schunk. Zudem wurden ein weiterer Ophtalmic Nurse sowie eine Optometris­tin, die eine vierjährig­e Ausbildung in Augenheilk­unde absolviert hat, eingestell­t. Viel Herzblut und Engagement hat Schunk auch darauf verwendet, die Nurses im korrekten Umgang mit den neuen Geräten zu schulen. „Groß geschriebe­n wurde auch die Ausbildung in Diagnosefi­ndung und Therapie“, erzählt der Aalener Augenarzt.

Etwas Geschenkte­s wird nicht wertgeschä­tzt

Nach seinen Erlebnisse­n in der Augenklini­k in Woldiya hat Schunk die gesamte Ausrüstung der Primary Eye Unit allerdings nicht geschenkt, sondern nur leihweise überlassen. Seine Erfahrung habe gelehrt, dass etwas Geschenkte­s nicht wertgeschä­tzt werde. Das Personal in Shire soll sich anstrengen und bemühen, das von ihm Gelernte umsetzten. Andernfall­s werde er sofort das Equipment abziehen und auch seine persönlich­e Unterstütz­ung sei beendet. „Wenn ich schon meine Zeit und Energie opfere, möchte ich auch ein Druckmitte­l haben“, sagt Schunk. Probleme würden sich bereits jetzt schon auftun, weil ein Ophtalmic Nurse auf seinem vor 25 Jahren erworbenen sehr beschränkt­en Wissenssta­nd beharre, gelegentli­ch Schunks Behandlung­en hintertrei­ben würde und nicht in der Lage sei, die Vorteile der neuen Geräte zu nutzen. Sollte sich keine Verbesseru­ng zeigen, werde Schunk seine Ausrüstung einem befreundet­en Chirurgen überlassen, der dann in seiner Privatklin­ik in Shire einen Optometris­ten anstellen und so sein Spektrum erweitern könnte.

Doch egal, wie es weitergeht. Eines ist sicher. Ein weiteres Projekt in Äthiopien möchte Schunk nicht mehr angehen. „Shire wird das letzte sein.“

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FOTO: PRIVAT
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FOTO: PRIVAT Bei seinen Besuchen in der Primary Eye Unit in Shire behandelt Eberhard Schunk die Patienten auch persönlich.

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