Österreich ist zur Maut-Klage bereit
Deutsche Pläne verärgern Anrainerstaaten – Dobrindt verteidigt sich
BRÜSSEL - Mit klaren Mindestlohnregeln, einheitlichen Ruhezeiten und einer Kampfansage an Briefkastenfirmen will die EU-Kommission für fairere Wettbewerbsbedingungen auf Europas Straßen sorgen. Vor allem deutsche und französische Speditionen klagen über die Billigkonkurrenz aus Osteuropa. Beim Thema Maut will Österreich noch im laufenden Monat erste Schritte zur Vorbereitung einer Klage gegen die deutsche Pkw-Maut auf den Weg bringen.
Die Branche, die laut Kommissionsangaben EU-weit elf Millionen Menschen Arbeit verschafft, steht unter enormem Preisdruck. Die Verkehrsminister beugten sich am Donnerstag erstmals über die Vorschläge. Die Stimmung allerdings war schon vor Beginn der Sitzung gereizt, denn die leidige deutsche Pkw-Maut ärgert die Anrainerstaaten.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte 2015 den Mindestlohn auch bei ausländischen LkwFahrern durchsetzen wollen, die im Transitverkehr in Deutschland unterwegs sind. Die EU-Kommission hatte daraufhin ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil sie den Verwaltungsaufwand für die ausländischen Speditionen für unverhältnismäßig hoch hält. Bis die Frage geklärt ist, hat Deutschland die Regelung ausgesetzt. Nun versucht die Kommission mit ihrem „Mobilitätspaket“Gesetzeslücken zu schließen, von denen Billiganbieter bisher profitierten.
Im Ausland tätige Lasterfahrer sollen vom ersten Arbeitstag an als entsandte Arbeitnehmer behandelt werden und haben Anspruch auf den örtlichen Mindestlohn. Für Lkw-Fahrer im Transit gilt diese Regel ab dem dritten Arbeitstag innerhalb eines Monats. Verbessert werden sollen auch die Arbeitsbedingungen. Nach maximal sechs Arbeitstagen wird eine Ruhephase von mindestens 45 Stunden vorgeschrieben. Dafür muss der Arbeitgeber eine Unterkunft außerhalb der Fahrerkabine bezahlen. Bislang werden die Ruhephasen EUweit unterschiedlich gehandhabt, was nicht nur zu unfairen Wettbewerbsbedingungen, sondern auch zu Sicherheitsproblemen führt.
Schlichtungsverfahren steht bevor
In einer ersten Debatte über die Vorschläge zeigte der polnische Verkehrsminister wenig Verständnis für die Sorgen deutscher und französischer Spediteure. Er befürchtet eine weitere Zunahme bürokratischer Vorschriften und Kontrollen. Deutschlands Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hingegen befürwortet die Reformen. Nur wenn gleiche Löhne und Ruhezeitregeln durchgesetzt würden, könne der Sektor weiter liberalisiert werden, sagte er.
Ein weiterer Streitpunkt sind die Straßennutzungsgebühren für Pkw, die Deutschland einführen will. Österreich, Luxemburg und die Niederlande haben bei der EU-Kommission angefragt, wieso sie die deutschen Pläne gebilligt hat, obwohl sie durch eine Entlastung über die Kfz-Steuer deutsche Autofahrer besser stellen als ausländische. Österreich strebt zunächst ein Schlichtungsverfahren an. Wenn Deutschland nicht einlenkt und an den von Verkehrsminister Alexander Dobrindt betriebenen Mautplänen festhält, will Österreich vor Gericht ziehen.
Dobrindt glaubt, dass die von Deutschland geplante Vignette mit den Kommissionsplänen für ein europaweites Mautsystem vereinbar ist. Auch er wolle das Verursacherprinzip im Straßenverkehr stärken. Es müsse aber den Mitgliedsstaaten überlassen bleiben, ob sie eine „zeitbezogene oder eine streckenbezogene Gebühr“erheben wollten. Das sieht die EU-Kommission anders. In ihrem Mobilitätspaket spricht sie sich klar und deutlich für eine streckenbezogene Maut aus. Vignetten dürfe es allenfalls für eine Übergangszeit geben. Streckengebühren böten einen Anreiz, weniger zu fahren und seien deshalb umweltschonender.