Der Herminator des Tennis
Der Österreicher Dominic Thiem fordert im Halbfinale von Paris Rafael Nadal heraus
PARIS (SID/zak) - Die schönsten Wünsche an den Glückseligen kamen von der Insel. Auch der englische Fußball-Meister FC Chelsea lässt es sich in diesen Tagen nicht nehmen, seinen Edelfan Dominic Thiem über die sozialen Netzwerke zu unterstützen. Und der French-Open-Halbfinalist aus Niederösterreich weiß nur zu gut, dass er vor dem bislang größten Match seiner Karriere jeglichen Zuspruch bestens gebrauchen kann. In der Partie um den Sprung ins Endspiel von Roland Garros wartet auf Thiem am Freitag kein geringerer als der spanische Sandplatzkönig Rafael Nadal die Nr. 4 der Welt, der am Bois de Boulogne nach seinem historischen zehnten Paris-Titel greift – La Decima.
„Rafa ist wieder in der Form seines Lebens. Also wird es für mich das schwerste Spiel, das man sich überhaupt vorstellen kann“, sagt Thiem. Und obwohl der 23-Jährige der einzige Spieler ist, der Nadal in dieser Saison auf Asche besiegen konnte, fügte er an: „Ich sehe mich in dem Match als Außenseiter.“
Das sehen nicht alle so, seitdem der Weltranglistensiebte mit seinem gnadenlosen Topspin-Powerspiel, das stilistisch nicht weit weg von Nadal ist, den serbischen Titelverteidiger Novak Djokovic im Viertelfinale demütigte (7:6, 6:3, 6:0). „Mein größter Sieg, bisher“, betonte Thiem.
Unmenschliche Leistung
Österreichs Bundeskanzler Christian Kern sprach nachher von einem „Weltklassematch“des Teenie-Idols, das schon seit Kindertagen vom ehemaligen Boris-Becker-Trainer Günter Bresnik betreut wird. Die rot-weiß-rote Ski-Legende Hermann Maier schwärmte in der Kronenzeitung: „Was Dominic leistet, ist unmenschlich.“Der „Dominator“, wie sie ihn in Österreich nennen, wandelt also auf den Spuren des „Herminators“. Felix Austria! Als letzter und bislang einziger Österreicher hat übrigens Thomas Muster ein Grand-Slam-Turnier gewonnen: 1995 in Paris.
Es ist absolut nicht so, dass der Halbfinaleinzug von Thiem einer faustdicken Überraschung gleichkommt. Immerhin stand der Sohn von zwei Tenniscoaches bereits im Vorjahr im Halbfinale des bedeutendsten Sandplatzturniers, am Stuttgarter Weißenhof holte er sich danach den Titel. Die Souveränität, mit der Thiem bislang ohne Satzverlust durch das Feld marschiert, überrascht jedoch. Allerdings weiß der Rechtshänder mit der einhändigen Bilderbuch-Rückhand um die Hindernisse, die auf dem Weg zum großen Coup noch warten.
„Es ist ein eigentlich ein Witz“, findet Thiem, „wie schwer es ist, einen Grand Slam zu gewinnen. Jetzt habe ich Novak geschlagen, am Freitag wartet Nadal. Und in einem etwaigen Finale würde noch ein Topstar kommen.“Im zweiten Halbfinale stehen sich heute der topgesetzte Brite Andy Murray und US-Open-Champion Stan Wawrinka aus der Schweiz gegenüber.
Die Finals von Madrid und Barcelona hat Thiem gegen Nadal verloren, doch bei der French-Open-Generalprobe in Rom knackte er die langjährige Nummer eins im Viertelfinale. Es war die erste Niederlage von Nadal nach 17 Siegen in Folge auf dem geliebten Sand, der für ihn so etwas wie sein natürlicher Lebensraum ist.
Auch Djokovic traut dem bodenständigen Thiem, der neben seinem Hamburger Kumpel Alexander Zverev das Aushängeschild der „Next Generation“ist, den großen Wurf zu. „Er ist einer der kommenden Stars. Dominic ist sehr hungrig und will die Trophäe. Und er hat eine gute Chance.“
Für Thiems Eltern wäre ein Triumph eine Genugtuung. Sein Vater Wolfgang fand in Bresniks TennisAkademie im Wiener Süden einst eine Anstellung und stellte dem Ex-BeckerTrainer seinen elfjährigen Steppke vor. Zwei Jahre später war Bresnik Thiems Coach, stellte die Rückhand auf einhändig um und lehrte ihn die Aggressivität. Nach diversen Verletzungen, Krankheiten und Wachstumsproblemen fiel Thiem der Umstieg zu den Männern anfangs schwer, sein unkonventioneller Konditionsschinder Sepp Resnik aber half ihm, in die Gänge zu kommen.
Bresnik, der auch Horst Skoff zum Weltklassespieler formte, erkannte schon früh, aus welchem Holz sein Schützling geschnitzt ist. Obwohl Thiem sich als Teenager über lange Zeit schlapp fühlte und sogar Blutspuren in seinem Stuhl entdeckte, sagte er niemanden etwas – aus Angst, mit dem Training aussetzen zu müssen. Erst 2013 und nach drei qualvollen Jahren wurde eine bakterielle Darminfektion diagnostiziert.
hat Novak Djokovic nach dessen Aus gegen Dominic Thiem heftig kritisiert. Die Leistung des Titelverteidigers im dritten Satz sei „inakzeptabel“gewesen, sagte McEnroe. „Es hatte den Anschein, als wollte er gar nicht mehr auf dem Platz sein.“Djokovic habe beson- ders im dritten Satz eine ganz schwache Leistung gezeigt. „Es war schockierend, ihn so zu sehen.“Nach der Niederlage hatte bereits Boris Becker Kritik an Djokovic geübt und ihn zum Handeln aufgefordert. Der Serbe brauche dringend wieder einen VollzeitCoach, der ihn auf der Tour begleite.