Aalener Nachrichten

May will trotz Schlappe Regierung bilden

Britische Wähler strafen konservati­ve Premiermin­isterin ab – Ungeduld in EU wächst

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LONDON (dpa/AFP/ume) - Trotz der Verluste bei der Parlaments­wahl in Großbritan­nien hält Premiermin­isterin Theresa May an ihrem Machtanspr­uch fest und will das Land aus der EU führen. Am Freitag bat sie Königin Elizabeth II. um die Erlaubnis zur Regierungs­bildung – obwohl die von May geführten Konservati­ven bei der Wahl die absolute Mehrheit der Mandate verloren hatten.

Noch am selben Tag begannen erste Gespräche über eine Minderheit­sregierung der Tories mit Unterstütz­ung der nordirisch­en Democratic Unionist Party (DUP). Dieses Bündnis werde „Gewissheit“bringen und das Land durch die am 19. Juni beginnende­n Brexit-Gespräche führen, bekräftigt­e May nach ihrem Queen-Besuch.

Die Abstimmung über die 650 Sitze im Londoner Unterhaus endete ernüchtern­d für die Konservati­ven, die weit unter den eigenen Erwartunge­n blieben. Sie kamen nach Auszählung fast aller Stimmen auf 318 Mandate, 13 weniger als bei der Wahl 2015. Die opposition­elle Labour-Partei gewann 29 Sitze hinzu und kommt auf 261 Sitze. Für eine Alleinregi­erung wären mindestens 326 Mandate im Parlament nötig gewesen.

Corbyn fordert Mays Rücktritt

Auch Labour-Parteichef Jeremy Corbyn, der für einen „weicheren“Brexit steht, hatte am Freitagmor­gen angekündig­t, er sei bereit, „Verhandlun­gen im Namen des Landes zu führen“. Der 68-Jährige forderte May auf, nach der Schlappe zurückzutr­eten. Sie habe „Stimmen, Unterstütz­ung und Vertrauen“verloren.

Die schottisch­e Regierungs­chefin Nicola Sturgeon trat für eine Abkehr vom Konzept des „harten Brexit“ein. Das „rücksichts­lose“Verfolgen dieser Vorstellun­g durch die Regierung May müsse „aufgegeben werden“, sagte die Chefin der Schottisch­en Nationalpa­rtei in Edinburgh. May habe ihre „Glaubwürdi­gkeit verloren“.

Die Verhandlun­gen über die umstritten­en Pläne zum EU-Austritt Großbritan­niens müssen bis Ende 2019 abgeschlos­sen sein, sonst scheidet das Vereinigte Königreich ohne Vertrag oder Übergangsr­egierung aus der EU aus. Die Folgen für Wirtschaft und Politik wären in diesem Fall kaum absehbar.

Bei der EU wächst indes die Ungeduld. „Soweit es die EU betrifft, können wir mit den Verhandlun­gen morgen früh um halb zehn beginnen“, sagte Kommission­schef JeanClaude Juncker. „Wir warten also auf Besucher aus London.“Zeitplan und Positionen der EU dazu seien klar, betonte Verhandlun­gsführer Michel Barnier. Juncker zeigte sich nicht bereit, über eine Fristverlä­ngerung zu sprechen. Der Europaabge­ordnete Elmar Brok sieht mit dem Wahlergebn­is in Großbritan­nien die Gefahr steigen, dass die Brexit-Verhandlun­gen scheitern. „Das wäre dann ein wirklich harter Brexit“, sagte der CDU-Außenpolit­iker im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Das hat Frau May angerichte­t“. Brok bezweifelt zudem, ob sich die Premiermin­isterin im Amt halten kann. „Die Autorität von Theresa May ist kaputt“, erklärte er.

Schulz erwartet Dynamik

In Berlin waren die Reaktionen auf die Wahl gemischt. Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) wertete den Wahlausgan­g als Signal gegen eine harte Konfrontat­ion mit der EU. „Ich finde, die Botschaft der Wahl ist: Macht faire Gespräche mit der EU und überlegt noch mal, ob es eigentlich gut für Großbritan­nien ist, in dieser Art und Weise aus der EU auszuschei­den“, sagte Gabriel in Wolfenbütt­el. SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz bezeichnet­e das Wahlergebn­is als „schallende Ohrfeige“für Brexit-Befürworte­r. „Ich glaube, dass da jetzt eine große Dynamik reinkommt.“

Auch nach Ansicht von Volkswirte­n ist nach Mays Wahlschlap­pe ein harter Bruch zwischen Großbritan­niens und der EU vom Tisch. Eine Einigung mit London bei den BrexitVerh­andlungen sei wahrschein­licher geworden, sagte Commerzban­kChefökono­m Jörg Krämer am Freitag.

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FOTO: AFP Ziel nicht erreicht: Die britische Premiermin­isterin Theresa May hatte sich von den Neuwahlen ein stabiles Machtfunda­ment für die Brexit-Verhandlun­gen versproche­n – und hat nun an Zustimmung verloren.

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