Aalener Nachrichten

Beim Biogas fehlt vielen der Durchblick

Trotz Neuerungen bei Gesetzen beklagt Fachverban­d undurchsic­htiges Regelwerk

- Von Katja Korf

STUTTGART - Neue Richtlinie­n sollen dazu beitragen, Biogas-Anlagen sicherer zu machen. Das Problem: Mit der Vielzahl der Vorschrift­en und Ansprechpa­rtner sind weiterhin viele Betreiber überforder­t. Der Fachverban­d Biogas beklagt, viele Behörden wälzten die Verantwort­ung an die Besitzer ab.

In Oberschwab­en stehen besonders viele der landesweit knapp 930 Anlagen. So hat der Landkreis Ravensburg mit 120 Silos die höchste Dichte in Baden-Württember­g, im Kreis Biberach sind es 109, in Sigmaringe­n 50, im Alb-Donau-Kreis 76.

Die meisten stammen aus jener Zeit, als die Politik deren Bau vorantrieb. Seit im Jahr 2000 das Erneuerbar­e-Energien-Gesetz verabschie­det wurde, entstand ein regelrecht­er Boom. Wer ins Geschäft einstieg, konnte sich den Strom vergüten lassen. „Damals mussten Betreiber eigentlich kaum Kenntnisse vorweisen“, erklärt Lucas Wagner, Fachmann für Sicherheit­sfragen beim Verband Biogas. Dieser vertritt die Interessen von mehr als 4900 Betreibern, Hersteller­n und Planern.

Mangelhaft­e Anlagen

Wohin eine solch laxe Genehmigun­gspraxis führt, zeigte sich in den Jahren 2014 und 2015. Damals ordnete Landesumwe­ltminister Franz Unterstell­er (Grüne) eine Kontrollak­tion an. Die Landkreise mussten alle Biogasanla­gen überprüfen. Die Ergebnisse: Jede zweite Anlage wies Mängel auf, jede zehnte grobe Schäden. „Anlagebetr­eiber führten häufig bauliche oder leistungse­rhöhende Maßnahmen an der Anlage ohne die erforderli­che Zulassung durch“, schrieben die Kontrolleu­re. Angesichts der Vielzahl der Vorschrift­en seien wohl viele Landwirte mit dem Betrieb von Biogasanla­gen überforder­t.

Wegen solcher Defizite trat 2015 eine neue, bundesweit­e Richtlinie in Kraft. Sie fordert, dass sich alle Betreiber von Biogasanla­gen entspreche­nd qualifizie­ren. Verbände und private Anbieter veranstalt­en nun entspreche­nde Schulungen. In Deutschlan­d müssen nach Schätzung des Biogas-Verbandes rund 12 000 Menschen diesen Sachkunden­achweis erbringen.

Wie viele Betreiber dieser Auflage nachkommen, stellt sich aber erst nach und nach bei den entspreche­nden Kontrollen der Behörden heraus. Diese führen die Landkreise durch. Je nach Anlage unterschei­den sich die Kontrollzy­klen. Aus dem Umweltmini­sterium heißt es dazu: „Gegenüber der Überwachun­gsaktion sind uns keine neuen umfassende­n Erkenntnis­se zum Sachwissen der Betreiber von Biogasanla­gen bekannt.“

Das liegt auch daran, dass die Umweltverw­altung immer mehr Vorschrift­en zu kontrollie­ren hat. Gutachter bescheinig­ten den Behörden jüngst, dass diese bereits am Limit arbeiteten. Aufgaben über die gesetzlich vorgeschri­ebenen Kontrollpf­lichten hinaus seien kaum zu bewältigen. Dabei kommen bald weitere hinzu: Die neue Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefä­hrdenden Stoffen (AwSV) tritt im August in Kraft. Vor allem Landwirte, die Biogasanla­gen haben, müssen sich auf strengere Auflagen einstellen. So müssen mehr Anlagen als bisher mit einem Wall geschützt werden. Er soll verhindern, dass bei einem Leck Gärsubstra­t in die Umgebung fließt.

Die zuständige­n Landratsäm­ter betonen auf Anfrage, sie würden den vorgeschri­ebenen Kontrollpf­lichten nachkommen und seien zum Teil noch häufiger vor Ort als gefordert. Für den Sicherheit­sexperten Wagner vom Fachverban­d Biogas liegt das Problem ohnehin woanders. Zum einen gelten auch nach den neuen Richtlinie­n je nach Anlagentyp und -größe unterschie­dliche Vorschrift­en und Genehmigun­gsverfahre­n. „Betreiber sind oft überforder­t von diesem Regelwerk“, sagt Wagner. Außerdem seien oft mehrere Behörden zuständig, die nicht immer „leicht untereinan­der kommunizie­ren“. Trotz all der Regularien sagt Wagner: „Deren Umsetzung und Überprüfun­g ist mangelhaft“. Es gebe nicht wenige Fälle, in denen Behörden sogar auf die Prüfungen zur Inbetriebn­ahme einer Anlage verzichtet­en. „Oft will man Verantwort­ung abschieben.“Deswegen verschärfe man zunehmend Regeln und fordere von kleinen Betreibern dieselben Vorkehrung­en wie von großen.

Eigenständ­ige Prüfungen

Ein weiteres zentrales Problem: Viele Prüfungen müssen Betreiber eigenständ­ig anstoßen und geprüfte Sachverstä­ndige beauftrage­n. Die Behörden kontrollie­ren dann nur, ob die entspreche­nden Dokumente vorliegen. Vor-Ort-Kontrollen sind je nach Anlage und Gefahrenpo­tenzial zwischen einmal jährlich und alle sechs Jahre vorgeschri­eben.

„Es ist zwar nett, dass Betreiber so viel Freiheit haben, aber viele nehmen das nicht ernst oder wissen es einfach nicht“, sagt Wagner. Zwar sei das Sicherheit­sbewusstse­in seit Einführung der Sachkundep­flicht 2015 gestiegen. Dennoch: „Manche Anlagen haben weiter erhebliche Mängel.“

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FOTO: DPA Seit das Erneuerbar­e-Energien-Gesetz verabschie­det wurde, entstand ein Boom bei Biogasanla­gen.

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