Volkswirte sehen „harten Brexit abgewählt“
FRANKFURT (dpa) - Europas Börsen reagierten mit leichten Gewinnen auf die Schlappe von Theresa May. Allerdings büßten sie einen Teil der Aufschläge danach wieder ein. Das britische Pfund geriet stark unter Druck. In der Nacht fiel das Pfund bis auf 1,1287 Euro und erreichte den tiefsten Stand seit November 2016. Im Tagesverlauf erholte sich die britische Währung wieder etwas und wurde am Nachmittag mit 1,1385 Euro notiert.
Volkswirten zufolge ist ein harter Schnitt Großbritanniens mit der Europäischen Union (EU) vom Tisch. Eine Einigung mit London bei den Brexit-Verhandlungen sei wahrscheinlicher geworden, argumentierte Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. „Der harte Brexit wurde abgewählt.“Ähnlich sieht es Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise: „Das Positive an dem Wahlausgang ist, dass es kein Mandat für einen harten Brexit gibt, der für die britische und die Wirtschaft der EU sehr nachteilig gewesen wäre.“
Nach Einschätzung von Clemens Fuest, Chef des Münchner Wirtschaftsforschungsinstituts ifo, haben die Wahlen „die Ungewissheit, was die Brexit-Verhandlungen angeht, gesteigert“. Generell sehen Ökonomen die Position Londons bei den Gesprächen über den EU-Ausstieg geschwächt. Auch Neuwahlen seien nicht ausgeschlossen. Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der Bank ING-Diba, geht davon aus, „dass die BrexitVerhandlungen noch komplizierter werden. Man benötigt wohl eine gehörige Portion britischen Humors, um alles zu verdauen.“
Umstritten ist, wie sich das Wahlergebnis auf die wirtschaftliche Entwicklung Großbritanniens auswirkt. Manche Ökonomen rechnen mit negativen Folgen. Samuel Tombs, Chefvolkswirt für Großbritannien bei der der britischen Denkfabrik Pantheon Macroeconomics, argumentiert hingegen: „Die Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft nach der Brexit-Abstimmung im vergangenen Jahr deutet darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen politischer Unsicherheit und wirtschaftlicher Aktivität nicht besonders stark ist.“