Im Konzert mit den Großen
Handwerker als Partner der Industrie – ein nicht immer ganz einfaches Geschäft
BLAUSTEIN/KALKREUTE/RAVENSBURG - „Manchmal kommt Geschäft auch von alleine“, sagt Frank Lindenmann und lacht. Der Mittvierziger ist Chef von Lindenmann Präzisionsfertigung, eines in Blaustein (Alb-Donau-Kreis) ansässigen Lohnfertigers für hochgenaue Frästeile. Das Unternehmen hat sich auf die CNC-Bearbeitung von Gussteilen wie Getriebeund Pumpengehäuse spezialisiert und beliefert deutsche Industrie-Ikonen wie Bosch-Rexroth, Kuka, Voith oder den Friedrichshafener Motorenbauer MTU, der seit 2014 zur Rolls-RoyceGruppe gehört.
Lindenmann – mit gut 200 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von etwas mehr als 30 Millionen Euro – hat sich über die Jahre von einem kleinen Handwerksbetrieb zu einem Unternehmen weiterentwickelt, in dem Industriestandards gelten. Eine Transformation, die viele Firmen im Südwesten durchlaufen haben, und die wesentlich für die wirtschaftliche Stärke Baden-Württembergs verantwortlich zeichnet.
Gut ein Viertel der rund 18 600 Betriebe im Bezirk der Handwerkskammer Ulm sind im sogenannten Business-to-Business-Geschäft tätig – bedienen also vornehmlich die Unternehmensund nicht die Privatkundschaft. Der Prozentsatz, der in anderen Kammerbezirken ähnlich ausfällt, ist in den vergangenen Jahren gestiegen, da die Industrie ihre Fertigungstiefe verringert und immer mehr Aufträge und Dienstleistungen an kleine, leistungsfähige Betriebe vergibt. Lediglich Schlüsseltechnologien verbleiben im Konzern. Davon profitiert das Handwerk – sei es in der Einzelfertigung, bei Kleinserien oder als Systemlieferant. Und haben sich die Betriebe als Zulieferer oder Dienstleister für die Industrie erst einmal bewährt, kommt Geschäft manchmal eben auch von alleine.
„Bei Bosch sind wir bevorzugter Lieferant. Hat man diesen Status einmal erreicht, wird man als Zulieferer im Konzern weiterempfohlen“, erklärt Lindenmann. So passiere es dann, dass Auftragsanfragen hereinkommen, ohne dass ein Vertriebsmitarbeiter unterwegs ist und bei potenziellen Kunden Klinken putzt. Unser Handwerk
Handwerker als Zulieferer Gnadenloser Preiskampf
Allerdings, das gibt Lindenmann zu, ist das Geschäft mit den Großen in den vergangenen Jahren schwieriger geworden. „Um einen Auftrag zu gewinnen muss man bei drei Punkten ganz vorne sein: Preis, Preis und nochmals Preis“, erklärt der Unternehmer. Qualität und Liefertreue werden vorausgesetzt. Gewachsene Kundenbeziehungen zählen wegen des ständigen Personalwechsels in den Einkaufsabteilungen weniger.
Viele Konzerne schreiben ihre Aufträge heute europa- oder sogar weltweit aus. Um im Wettbewerb mit Niedriglohnländern bestehen zu können, müssen die deutschen Zulieferer permanent besser werden. „Wir müssen jährlich rund drei Prozent mit den Preisen runter – und das schon seit Jahren. Parallel dazu steigen die Löhne und die Kosten für Strom und Werkzeuge. Unter dem Strich müssen wir jährlich also sechs bis acht Prozent rationalisieren“, beschreibt Lindenmann die Anforderungen an sein Unternehmen.
Obendrauf kommen strategische Konzernentscheidungen – etwa solche, einen bestimmten Prozentsatz der Vorprodukte im Ausland einzukaufen. Das klappt mal mehr, mal weniger gut. So hatte ein Großkunde Lindenmann im vergangenen Jahr angekündigt, etliche Baureihen nach Ungarn zu verlagern. Doch daraus wurde zunächst nichts. „Wir sind von 15 Prozent niedrigeren Erlösen im laufenden Jahr ausgegangen. Stattdessen wird es nun wohl ein Viertel mehr, und wir arbeiten seit Monaten an der Kapazitätsgrenze“, sagt Lindenmann. Flexibilität ist neben preislicher Konkurrenzfähigkeit eine zweite Eigenschaft, die im Geschäft mit Großkonzernen notwendig und unerlässlich ist.
Mit der Technik Schritt halten
Den Preisdruck spürt auch Horst Fularczyk, Gründer und Chef der HFM Modell- und Formenbau GmbH aus Kalkreute (Landkreis Sigmaringen). Der gelernte Modellbauer hat sich 1998 selbstständig gemacht und binnen zwei Jahrzehnten ein Unternehmen mit 120 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von rund zwölf Millionen Euro aufgebaut.
„Heute sind wir ein industrieller Handwerker“, sagt Fularczyk, der zu seiner Kundschaft die großen deutschen Automobilkonzerne aber auch internationale Zulieferer wie Magna zählt. Für diese Unternehmen baut HFM unter anderem Werkzeugformen und Prototypen aus Exporit, einem speziellen Polystyrolschaum, in praktisch jeder Größe. Was in Kalkreute entsteht, findet sich später in den Serienfahrzeugen von Daimler, BMW, Porsche und Volkswagen als einzelnes Element der Karosserie oder des Interieurs wieder.
Um den Preisdruck durch die Kundschaft kompensieren zu können, muss Fularczyk permanent in neue Technik investieren. Und so stehen auf dem über die Jahre stark gewachsenen Firmenareal heute riesige CNC-Fräsmaschinen, die größtenteils vollautomatisch aus Exporit-, Kunststoff- oder Aluminiumblöcken Modelle formen. Die handwerkliche Arbeit existiert zwar noch, sie verliert im Vergleich zum Maschineneinsatz aber an Bedeutung. Hat die Konstruktion eines kompletten Automobil-Seitenwandwerkzeugs früher zehn bis zwölf Wochen in Anspruch genommen, braucht HFM dafür heute drei, maximal vier Wochen.
Keine Zahlungsausfälle
Fularczyk ist anzumerken, dass er mit der Preispolitik der großen Automobilkonzerne hadert: „Bei einzelnen Projekten im Volumen von wenigen Tausend Euro wird knallhart verhandelt, und dann liest man von Mitarbeitererfolgsprämien von etlichen Tausend Euro – da fällt Dir als Zulieferer nichts mehr ein.“Er vergisst aber auch nicht, die positiven Seiten des Geschäfts mit Großkonzernen zu betonen, die Strahlkraft, die ein Kundenstamm wie Daimler, BMW und Porsche auf das eigene Unternehmen hat. „Dadurch kommen Kontakte zu anderen Kunden einfacher zustande“, sagt Fularczyk.
Ein weiterer Punkt: Die Erlöse sind sicher, wenn die Qualität passt. Man muss sich zwar den Zahlungskonditionen der Großkonzerne anpassen. Das heißt, in der Regel, lange Zahlungsziele in Kauf nehmen zu müssen. Doch die Gefahr von Zahlungsausfällen ist verschwindend gering. „Es ist ziemlich sicher, dass sie ihr Geld kriegen und zwar pünktlich“, sagt auch Frank Lindenmann. In der Großindustrie habe er Totalausfälle noch nie erlebt. Eine Bilanz, die Firmen im Geschäft mit Privatund kleineren Gewerbekunden so kaum ziehen können. den Im Süden gehören
mit ihrem Können und ihren Fertigkeiten zu
Doch die Betriebe stehen vor großen Umbrüchen: Nicht nur die Digitalisierung auch die Energiewende und die Suche nach Fachkräften stellt viele Handwerker vor große Herausforderungen. Wie Bäcker, Maurer, Zimmerer, Dachdecker, Metzger und Schreiner mit diesen Veränderungen umgehen, zeigt die Serie „Unser Handwerk“in der „Schwäbischen Zeitung“. Am Montag geht es um das Internet der Dinge. Die Serie läuft bis Ende Juni und ist online zu finden unter