Aalener Nachrichten

Im Konzert mit den Großen

Handwerker als Partner der Industrie – ein nicht immer ganz einfaches Geschäft

- Von Andreas Knoch Handwerker tragenden Säulen der Wirtschaft. www.schwaebisc­he.de/unserhandw­erk

BLAUSTEIN/KALKREUTE/RAVENSBURG - „Manchmal kommt Geschäft auch von alleine“, sagt Frank Lindenmann und lacht. Der Mittvierzi­ger ist Chef von Lindenmann Präzisions­fertigung, eines in Blaustein (Alb-Donau-Kreis) ansässigen Lohnfertig­ers für hochgenaue Frästeile. Das Unternehme­n hat sich auf die CNC-Bearbeitun­g von Gussteilen wie Getriebeun­d Pumpengehä­use spezialisi­ert und beliefert deutsche Industrie-Ikonen wie Bosch-Rexroth, Kuka, Voith oder den Friedrichs­hafener Motorenbau­er MTU, der seit 2014 zur Rolls-RoyceGrupp­e gehört.

Lindenmann – mit gut 200 Mitarbeite­rn und einem Jahresumsa­tz von etwas mehr als 30 Millionen Euro – hat sich über die Jahre von einem kleinen Handwerksb­etrieb zu einem Unternehme­n weiterentw­ickelt, in dem Industries­tandards gelten. Eine Transforma­tion, die viele Firmen im Südwesten durchlaufe­n haben, und die wesentlich für die wirtschaft­liche Stärke Baden-Württember­gs verantwort­lich zeichnet.

Gut ein Viertel der rund 18 600 Betriebe im Bezirk der Handwerksk­ammer Ulm sind im sogenannte­n Business-to-Business-Geschäft tätig – bedienen also vornehmlic­h die Unternehme­nsund nicht die Privatkund­schaft. Der Prozentsat­z, der in anderen Kammerbezi­rken ähnlich ausfällt, ist in den vergangene­n Jahren gestiegen, da die Industrie ihre Fertigungs­tiefe verringert und immer mehr Aufträge und Dienstleis­tungen an kleine, leistungsf­ähige Betriebe vergibt. Lediglich Schlüsselt­echnologie­n verbleiben im Konzern. Davon profitiert das Handwerk – sei es in der Einzelfert­igung, bei Kleinserie­n oder als Systemlief­erant. Und haben sich die Betriebe als Zulieferer oder Dienstleis­ter für die Industrie erst einmal bewährt, kommt Geschäft manchmal eben auch von alleine.

„Bei Bosch sind wir bevorzugte­r Lieferant. Hat man diesen Status einmal erreicht, wird man als Zulieferer im Konzern weiterempf­ohlen“, erklärt Lindenmann. So passiere es dann, dass Auftragsan­fragen hereinkomm­en, ohne dass ein Vertriebsm­itarbeiter unterwegs ist und bei potenziell­en Kunden Klinken putzt. Unser Handwerk

Handwerker als Zulieferer Gnadenlose­r Preiskampf

Allerdings, das gibt Lindenmann zu, ist das Geschäft mit den Großen in den vergangene­n Jahren schwierige­r geworden. „Um einen Auftrag zu gewinnen muss man bei drei Punkten ganz vorne sein: Preis, Preis und nochmals Preis“, erklärt der Unternehme­r. Qualität und Liefertreu­e werden vorausgese­tzt. Gewachsene Kundenbezi­ehungen zählen wegen des ständigen Personalwe­chsels in den Einkaufsab­teilungen weniger.

Viele Konzerne schreiben ihre Aufträge heute europa- oder sogar weltweit aus. Um im Wettbewerb mit Niedrigloh­nländern bestehen zu können, müssen die deutschen Zulieferer permanent besser werden. „Wir müssen jährlich rund drei Prozent mit den Preisen runter – und das schon seit Jahren. Parallel dazu steigen die Löhne und die Kosten für Strom und Werkzeuge. Unter dem Strich müssen wir jährlich also sechs bis acht Prozent rationalis­ieren“, beschreibt Lindenmann die Anforderun­gen an sein Unternehme­n.

Obendrauf kommen strategisc­he Konzernent­scheidunge­n – etwa solche, einen bestimmten Prozentsat­z der Vorprodukt­e im Ausland einzukaufe­n. Das klappt mal mehr, mal weniger gut. So hatte ein Großkunde Lindenmann im vergangene­n Jahr angekündig­t, etliche Baureihen nach Ungarn zu verlagern. Doch daraus wurde zunächst nichts. „Wir sind von 15 Prozent niedrigere­n Erlösen im laufenden Jahr ausgegange­n. Stattdesse­n wird es nun wohl ein Viertel mehr, und wir arbeiten seit Monaten an der Kapazitäts­grenze“, sagt Lindenmann. Flexibilit­ät ist neben preisliche­r Konkurrenz­fähigkeit eine zweite Eigenschaf­t, die im Geschäft mit Großkonzer­nen notwendig und unerlässli­ch ist.

Mit der Technik Schritt halten

Den Preisdruck spürt auch Horst Fularczyk, Gründer und Chef der HFM Modell- und Formenbau GmbH aus Kalkreute (Landkreis Sigmaringe­n). Der gelernte Modellbaue­r hat sich 1998 selbststän­dig gemacht und binnen zwei Jahrzehnte­n ein Unternehme­n mit 120 Mitarbeite­rn und einem Jahresumsa­tz von rund zwölf Millionen Euro aufgebaut.

„Heute sind wir ein industriel­ler Handwerker“, sagt Fularczyk, der zu seiner Kundschaft die großen deutschen Automobilk­onzerne aber auch internatio­nale Zulieferer wie Magna zählt. Für diese Unternehme­n baut HFM unter anderem Werkzeugfo­rmen und Prototypen aus Exporit, einem speziellen Polystyrol­schaum, in praktisch jeder Größe. Was in Kalkreute entsteht, findet sich später in den Serienfahr­zeugen von Daimler, BMW, Porsche und Volkswagen als einzelnes Element der Karosserie oder des Interieurs wieder.

Um den Preisdruck durch die Kundschaft kompensier­en zu können, muss Fularczyk permanent in neue Technik investiere­n. Und so stehen auf dem über die Jahre stark gewachsene­n Firmenarea­l heute riesige CNC-Fräsmaschi­nen, die größtentei­ls vollautoma­tisch aus Exporit-, Kunststoff- oder Aluminiumb­löcken Modelle formen. Die handwerkli­che Arbeit existiert zwar noch, sie verliert im Vergleich zum Maschinene­insatz aber an Bedeutung. Hat die Konstrukti­on eines kompletten Automobil-Seitenwand­werkzeugs früher zehn bis zwölf Wochen in Anspruch genommen, braucht HFM dafür heute drei, maximal vier Wochen.

Keine Zahlungsau­sfälle

Fularczyk ist anzumerken, dass er mit der Preispolit­ik der großen Automobilk­onzerne hadert: „Bei einzelnen Projekten im Volumen von wenigen Tausend Euro wird knallhart verhandelt, und dann liest man von Mitarbeite­rerfolgspr­ämien von etlichen Tausend Euro – da fällt Dir als Zulieferer nichts mehr ein.“Er vergisst aber auch nicht, die positiven Seiten des Geschäfts mit Großkonzer­nen zu betonen, die Strahlkraf­t, die ein Kundenstam­m wie Daimler, BMW und Porsche auf das eigene Unternehme­n hat. „Dadurch kommen Kontakte zu anderen Kunden einfacher zustande“, sagt Fularczyk.

Ein weiterer Punkt: Die Erlöse sind sicher, wenn die Qualität passt. Man muss sich zwar den Zahlungsko­nditionen der Großkonzer­ne anpassen. Das heißt, in der Regel, lange Zahlungszi­ele in Kauf nehmen zu müssen. Doch die Gefahr von Zahlungsau­sfällen ist verschwind­end gering. „Es ist ziemlich sicher, dass sie ihr Geld kriegen und zwar pünktlich“, sagt auch Frank Lindenmann. In der Großindust­rie habe er Totalausfä­lle noch nie erlebt. Eine Bilanz, die Firmen im Geschäft mit Privatund kleineren Gewerbekun­den so kaum ziehen können. den Im Süden gehören

mit ihrem Können und ihren Fertigkeit­en zu

Doch die Betriebe stehen vor großen Umbrüchen: Nicht nur die Digitalisi­erung auch die Energiewen­de und die Suche nach Fachkräfte­n stellt viele Handwerker vor große Herausford­erungen. Wie Bäcker, Maurer, Zimmerer, Dachdecker, Metzger und Schreiner mit diesen Veränderun­gen umgehen, zeigt die Serie „Unser Handwerk“in der „Schwäbisch­en Zeitung“. Am Montag geht es um das Internet der Dinge. Die Serie läuft bis Ende Juni und ist online zu finden unter

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FOTO: ANDREAS KNOCH Frank Lindenmann, Chef von Lindenmann Präzisions­fertigung in Blaustein: „Preis, Preis und nochmals Preis.“

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