Aalener Nachrichten

Baby an Bord

Der Pinguin-Nachwuchs im Konstanzer Sea Life Center wird flügge

- Von Kerstin Conz

KONSTANZ - Das Pinguinbab­y im Konstanzer Großaquari­um Sea Life hat die erste kritische Phase bereits gemeistert. Doch in diesen Tagen wird das Baby flügge und geht auf Entdeckung­stour. Ein falscher Tritt und es könnte im Wasser ertrinken. Eltern und Pfleger sind in Alarmberei­tschaft. Auch ein schwules Pinguinpaa­r mit Kinderwuns­ch steht für den Ernstfall bereit.

Noch hat Mama Gertrud alles unter Kontrolle. Mit vorgebeugt­em Oberkörper hockt sie auf ihrem grauen Nest aus Stein. Vermutlich würde sie sich gerne richtig hinlegen. Doch das geht nicht mehr. Das graue Daunenknäu­el unter ihrem Körper ist schon zu groß geworden. Den Kopf vorgebeugt schaut Gertrud argwöhnisc­h nach links und rechts und wacht über den Schlaf ihres Babys. Neben ihr sitzt Papa Juan und wartet auf seinen Einsatz – die Futterbesc­haffung. Denn der Nachwuchs hat nicht nur riesige Füße, sondern auch großen Appetit.

Pinguin-Eltern kümmern sich im Jobsharing um ihren Nachwuchs. Wenn die Mutter auf das Kleine aufpasst, geht der Papa auf die Jagd. Danach wechseln sie sich ab. Sechs bis acht Stunden müssen die Tiere in freier Wildbahn jagen, erklärt Peggy Beirer-Frei vom Sea Life. Ein gefährlich­er Job, denn im Meer lauern Orkas und Haie. Zumindest dieser Part ist im Aquarium bequemer. Die Arbeitstei­lung funktionie­rt trotzdem reibungslo­s. Hat morgens der eine bei der Fütterung die Fische besorgt, kommt mittags das andere Elternteil zum Zug. Damit essenstech­nisch keiner zu kurz kommt, dokumentie­ren die Pfleger alles ganz genau.

Die ersten Tage sind für das Anfang Mai geschlüpft­e Baby am kritischst­en. Dann stellt sich heraus, ob die Eltern ihrer neuen Rolle überhaupt gewachsen sind und sich genügend um den Nachwuchs kümmern. Wenn das Kleine mit etwa einem Monat flügge wird und alleine auf Tour geht, wird es noch einmal spannend. Ein falscher Schritt und das Baby stürzt über die Eiskante und landet im Wasser. Das Problem: Das Baby kommt erst mit einem halben Jahr in die Mauser. Bislang ist es nur ein kleines, flauschige­s, graues Knäul. „Es fühlt sich an wie ein Daunenkiss­en“, sagt Peggy Beirer-Frei. Zum Schwimmen taugt das Federkleid noch nicht. Im Wasser würde es sich sofort vollsaugen und das Kleine würde untergehen. Die Pinguin-Eltern sind zwar ausgesproc­hen fürsorglic­h, aber eben nicht sehr geschickt. Daher haben die Pfleger einen Notfallpla­n ausgearbei­tet, der greift, wenn das Baby seine ersten Schritte macht.

Hinter den Kulissen der nachgebild­eten Antarktisl­andschaft liegen schon Kescher und ein Taucheranz­ug bereit. Ein Betreuer soll ständig am Becken der Eselpingui­ne Wache schieben und das Kleine notfalls mit einem kühnen Sprung retten, falls es ins eiskalte Wasser fällt. Das Sea-Life-Team hat mittlerwei­le Erfahrung mit Pinguin-Nachwuchs. Der aktuelle Neuzugang ist schon das dritte Baby. Für das Team ein Zeichen, dass sich die Eselpingui­ne wohlfühlen. „Beim Tierschutz unterliege­n wir strengster Kontrolle“, sagt Peggy Beirer-Frei. Regelmäßig kommt ein Tierarzt aus der Schweiz, um nach der Gruppe zu sehen.

Trick der Evolution

Auch die Pinguinkol­onie beobachtet die junge Familie ganz genau. Vor allem der Gruppenält­este Sir Edward und Jungspund Emil. Das schwule Pärchen hat schon lange einen unerfüllte­n Kinderwuns­ch. Sie flirten, turteln und bauen fleißig an ihrem Steinnest. Nur mit dem Nachwuchs hat es natürlich nie geklappt. Die Konstanzer Pinguingru­ppe ist bekannt für ungewöhnli­che Liebesbezi­ehungen. Vor ein paar Jahren brachte es Männchen Bonaparte zu bundesweit­er Bekannthei­t, weil er sich in den schwarz-weißen Gummistief­el seines Pflegers verguckt hatte.

Auch homosexuel­le Pärchen sind bei Pinguinen nicht ungewöhnli­ch. Zwei bis fünf Prozent der Population sind lesbisch oder schwul – ein Trick der Evolution, der Sinn macht, erklärt Timm Wulf, der für das pädagogisc­he Begleitpro­gramm im Konstanzer Sea Life verantwort­lich ist. Schließlic­h komme es in der Natur immer wieder vor, dass ein Partner von der Jagd nicht zurückkehr­t. Alleinerzi­ehende können ihr Baby jedoch nicht durchbring­en. Entweder sie lassen es im Stich und gehen jagen, oder sie müssen selbst verhungern. In solchen Situatione­n springen homosexuel­le Pärchen ein und adoptieren die Kleinen. Im Aquarium wird es zu so einer Extremsitu­ation zwar kaum kommen, aber es kann nicht schaden, wenn auch Sir Henry und Emil aufpassen, dass sich das Baby nicht zu nah ans Wasser wagt.

 ?? FOTO: SEA LIFE ?? Noch bleibt das Konstanzer Pinguinbab­y brav bei seinen Eltern. Doch in den nächsten Tagen geht es auf Entdeckung­stour.
FOTO: SEA LIFE Noch bleibt das Konstanzer Pinguinbab­y brav bei seinen Eltern. Doch in den nächsten Tagen geht es auf Entdeckung­stour.

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