Schneller als gedacht
Pedelecfahrer erobern die Straßen im Ostalbkreis – Unfallraten schnellen in die Höhe
AALEN - Noch ist das Bild ungewohnt genug, um zu Verwirrungen und damit Unfällen zu führen: Dabei sind Senioren, die mit 25 Kilometern pro Stunde einen Berg hoch radeln, keine Seltenheit mehr. Immer mehr Menschen greifen auf Pedelecs zurück. Auch im Ostalbkreis sind die Räder, die durch einen Elektromotor beim Treten unterstützen, präsenter denn je. Allerdings steigen auch die Unfälle sprunghaft an. War es 2012 noch genau ein Pedelec-Unfall, den die Polizei im Ostalbkreis verzeichnete, mussten die Beamten 2014 schon bei neun Unfällen und im Jahr 2016 21 Mal zu Hilfe eilen. 22 Menschen wurden bei den Unfällen verletzt. Meistens war die Ursache der Verlust der Kontrolle – kurz Fahrfehler, sagt Holger Bienert von der Polizeidirektion Aalen. Und etwa die Hälfte der Unfälle verursachten die Pedelecfahrer selbst.
„Stadt muss nachrüsten“
Die hohe Anzahl der Unfälle sei eine logische Folge der steigenden Anzahl von Pedelecs auf den Straßen, sagt Bienert. Ein Grund sei aber die Nutzergruppe: Viele ältere Menschen fangen mit Pedelecs wieder an mit dem Radfahren, weil sie das Radeln mit reiner Körperkraft nicht mehr schaffen. Die Risikogruppe bei Unfällen seien eben diese ältere Menschen, sagt Bienert. Das ist auch Klaus Bergers Eindruck, der Mitglied beim ADFC ist. „Ein geringer Teil der Pedelec-Fahrer ist körperlich nicht mehr so fit.“Da seien die 25-Kilo-Räder manchmal auch eine Gefahr – kippt das Drahtross erst einmal, ist es von vielen Nutzern nicht mehr zu halten.
Außerdem spiele auch das ungewohnte Bild des Pedelecfahrers eine Rolle. Aus der Entfernung erkennen andere Verkehrsteilnehmer die motorisierten Räder nicht sofort als solche, oft werden Geschwindigkeiten unterschätzt. Bienert nennt ein Beispiel: „Wenn ein Autofahrer einen älteren Mann einen Berg hoch radeln sieht, denkt er sich vielleicht, dass er vorher noch genügend Zeit hat, in die Kreuzung zu fahren.“Schneller als gedacht sei dann doch der Radler da, es kommt zu gefährlichen Situationen. Auch die äußeren Gegebenheiten seien für die Masse an Pedelecs oft noch nicht gegeben, findet ADFC-Mann Berger. Gerade in Aalen seien viele Radwege noch nicht für viele, schnelle Radler ausgelegt. „Die Stadt muss an vielen Stellen nachrüsten.“Es gebe jede Menge Gefahrenstellen, eine bekannte davon in Wasseralfingen, an der Kreuzung Schafsgasse/Wilhelmgasse.
Hinzu kommt, dass nicht alle Radler in den Verkehrsregeln sattelfest unterwegs sind. „Es gibt einen Teil der Gruppe, die naturgegeben chaotisch unterwegs ist“, sagt Berger. Das seien oft Jugendliche. Es sei wichtig, auf das richtige Verhalten im Straßenverkehr hinzuweisen und zu schulen. Deshalb bieten Polizei und ADFC Vorträge als präventive Maßnahme an. Helm tragen sei das A und O, sagt Polizeisprecher Holger Bienert. Außerdem sei die Übung mit dem ungewohnt schnellen und schweren Gefährt eine Grundlage. „Am Anfang langsam fahren, am besten auf einem verkehrsberuhigtem Platz“, sagt Bienert.
Der passionierte Radler Berger ist froh, noch ohne motorisierten Untersatz auszukommen. „Ich finde im Augenblick noch viele Pedelecs hässlich.“Sollte er sich einmal eines zulegen, dann hofft er auf ein verbessertes Design, ein Mountainbike etwa, das einen günstigen Schwerpunkt hat und nach Möglichkeit nicht mehr als 15 Kilogramm wiegt. Und bis es dieses Modell gibt? „Ich hoffe, dass ich so lange Radfahren kann“, sagt Berger. „Diese ersten Pedelecs kommen für mich daher wie schwangere Kühe.“
Trotz allem hat Berger auch positive Worte für die modernen Räder. „Insgesamt freut es mich, dass durch diese Entwicklung Leute auf das Radeln gekommen sind.“Das entlaste auch die Städte: Luftqualität, Lärmbelastung und Parkplatznot würden durch diese Entwicklung verbessert.