Aalener Nachrichten

Gefährlich­e Fasern

In vielen Häusern bis zum Baujahr 1995 verbirgt sich Asbest – Bei Umbau und Sanierung kann es zur tödlichen Bedrohung werden

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KÖLN/HAMBURG (dpa) - Asbest riecht nicht, strahlt nicht, diffundier­t nicht. Doch sobald der Umbau oder die energetisc­he Sanierung eines bis Mitte der 1990er-Jahre errichtete­n Hauses ansteht, kann es zum akuten Problem werden. Denn wenn das alternde Baumateria­l zerfällt und Fasern abgibt, stellt es eine erhebliche Gesundheit­sgefahr dar. Seit 1995 gilt zwar ein vollständi­ges Verwendung­sverbot. Doch in vielen älteren Häusern ist die gefährlich­e Faser noch zu finden. „Früher war Asbest ein ganz normaler Stoff, der in vielen Komponente­n verwendet wurde“, erklärt Markus Ruf vom Tüv Rheinland. Ab den 1930er-Jahren wurde er in mehreren Tausend Produkten eingesetzt, etwa in Zement, Bodenbeläg­en und Dachabdeck­ungen, aber auch bei Brandschut­zklappen in Lüftungska­nälen. „Man kann davon ausgehen, dass in der Mehrheit der vor dem Jahr 1995 errichtete­n Gebäude eventuell Asbest zu finden ist.“

Wie gefährlich ist Asbest?

Werden die Fasern eingeatmet, können sie sich in der Lunge festsetzen. Spätfolgen aufgrund des ungeschütz­ten Umgangs mit Asbest sind in vielen Fällen Krebserkra­nkungen. „Der fahrlässig­e Umgang mit Asbest kann nicht nur gravierend­e gesundheit­liche Folgen haben, sondern auch eine strafrecht­liche Verfolgung wegen eines Umweltverg­ehens nach sich ziehen“, erklärt Andrea Grimm von der Verbrauche­rzentrale Hamburg. „Fest gebundene Fasern wie im Asbestzeme­nt, der für Dächer und Wände verwendet wurde, sind unbedenkli­ch – zumindest, solange sie nicht beschädigt werden“, erklärt Torsten Mußdorf, Geschäftsf­ührer des Norddeutsc­hen Asbest- und Gefahrstof­fsanierung­sverbandes in Hamburg. „Neben dem fest gebundenen Asbest können sich auch noch verschiede­ne schwach gebundene Werkstoffe im Haus befinden. Die sind gefährlich­er als der fest gebundene, weil sie dazu neigen, im Alterungsp­rozess Fasern abzugeben.“

Wie lässt sich das Risiko einschätze­n?

Um sich und ihre Umgebung nicht in Gefahr zu bringen, sollten Bauherren einen Fachmann fragen, bevor sie mit den Umbauten beginnen. „Denn gerade bei der energetisc­hen Sanierung, wie sie heute von vielen Hausbesitz­ern vorgenomme­n wird, sind asbesthalt­ige Komponente­n betroffen“, erläutert Tüv-Experte Ruf. Wenn eine Wärmedämmu­ng auf die Fassade aufgebrach­t wird, müssen oft vorher asbesthalt­ige Teile entfernt werden. Auch beim Abnehmen des alten Putzes oder von Faserplatt­en können Fasern frei werden. Sogar der Fensterkit­t in Holzfenste­rn kann den gefährlich­en Stoff enthalten, ebenso wie die Ummantelun­gen der Heizungsro­hre, Fußbodenkl­eber oder Spachtelma­ssen. „Viele haben das ja gar nicht mehr auf der Rechnung“, sagt Verbrauche­rschützeri­n Grimm. „Sie denken, dass das Thema Asbest längst der Vergangenh­eit angehört.“Sie empfiehlt, bei Asbestverd­acht eine Laboranaly­se in Auftrag zu geben, um sicherzuge­hen.

Wann brauche ich einen Sachverstä­ndigen?

Eine Asbestsani­erung sollte von vornherein in die Planung und Kalkulatio­n von Bauarbeite­n eingezogen werden. „Schließlic­h geht es um die Gesundheit der Bewohner“, betont Ruf. Sachverstä­ndige untersuche­n, welche Komponente­n betroffen sind und in welcher Form und Konzentrat­ion asbesthalt­ige Materialie­n vorliegen. „Und sie geben auch Tipps, wie Bauherren ihre Sanierungs­und Entsorgung­skosten reduzieren können“, sagt Mußdorf. Denn nicht alle betroffene­n Bauteile müssen zwangsläuf­ig entfernt werden. Wenn etwa die Fensterbän­ke bei den Arbeiten nicht beschädigt werden, kann die Entsorgung entfallen. Man kann sich auch überlegen, ob man die Wände und das Dach so lässt, wie sie sind. Auch vom grauen Welldach der Garage geht keine Gefahr aus, wenn es so in Ruhe gelassen wird, dass sich keine Fasern lösen.

Wie wird die Asbestbela­stung ermittelt?

Ob ein Material schwach oder fest gebundene Asbestfase­rn enthält, hängt von seiner Zusammense­tzung ab. Die Technische Regel Gefahrenst­offe (TRGS 519 Asbest) definiert Produkte mit einer Rohdichte bis zu 1000 Kilogramm pro Kubikmeter als schwach- und ab 1400 Kilogramm pro Kubikmeter als festgebund­en, erklärt der TÜV Rheinland. Für den dazwischen­liegenden Bereich ist eine Bewertung durch einen Gutachter notwendig. Bei Verdacht auf schwach gebundenes Asbest kann eine Luftmessun­g Auskunft über die aktuelle Belastung der Raumluft mit den gefährlich­en Fasern geben. Oder das Material wird im Labor analysiert. Seit einigen Jahren gibt es die sogenannte SBH-Methode, die besonders bei der Untersuchu­ng von Putzen, Klebern und Ausgleichs­massen eingesetzt wird. Durch dieses Verfahren lassen sich selbst kleinste Bestandtei­le von weit unter einem Prozent nachweisen.

Was passiert mit den asbesthalt­igen Materialie­n?

„Schon beim einfachen Zerschlage­n von Teilen werden sehr viele Asbestfase­rn freigesetz­t, die noch nach Jahrzehnte­n gesundheit­liche Schäden anrichten können“, warnt Mußdorf. Daher gilt: „Die Entsorgung gehört in die Hand geprüfter Firmen, die das entspreche­nde Werkzeug dafür haben.“Um alle Fasern zu entfernen und das Kontaminie­ren der Umgebung zu verhindern, muss der Staub mit einem speziellen Industries­taubsauger unter Schutzbedi­ngungen vollständi­g entfernt werden. „Asbesthalt­ige Materialie­n und Baustoffe gehören als Sondermüll auf den Recyclingh­of.“

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FOTO: MARKUS SCHOLZ/DPA Nicht nur in alten PVC-Fliesen kann Asbest stecken. Auch der Kleber kann asbestbela­stet sein. Die Beiseitigu­ng sollte von einem Fachmann vorgenomme­n werden.

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