Aalener Nachrichten

„Ich habe mich nie als Star empfunden“

Schauspiel­er Richard Gere über seinen neuen Film „The Dinner“, sein Image als Sex-Symbol sowie über seine schwärzest­e Stunde als Amerikaner

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Es ist interessan­t zu beobachten, wie wenig Richard Gere dem klischeeha­ften Image entspricht, das sich die Welt seit „American Gigolo“und „Pretty Woman“von ihm gemacht hat. In den 1980er- und 1990er-Jahren war er der Prototyp des „Sexiest Man Alive“, hatte angeblich zahllose Affären, darunter mit Kim Basinger und Priscilla Presley, war mit Supermodel Cindy Crawford verheirate­t und gehörte zu den gefragtest­en und bestbezahl­ten Schauspiel­ern Hollywoods. Dass er seit vielen Jahren bekennende­r Buddhist ist und ein Freund des Dalai Lama, nahm man dagegen eher beiläufig zur Kenntnis. So wurde Richard Gere auch auf der diesjährig­en Berlinale vor allem darauf angesproch­en, wie er denn als Sex-Symbol mit dem Älterwerde­n zurechtkom­me – er wird im Sommer 68 –, und natürlich auf seine neue, 32 Jahre jüngere Freundin. Beim Interview zu seinem neuen Film „The Dinner“(seit 8. Juni im Kino) im Berliner Regent-Hotel erlebt Ulrich Lössl einen sehr herzlichen Richard Gere, der sich für seine Antworten viel Zeit lässt. Oft fasst er beim Nachdenken an seine randlose Brille oder nippt an einer Tasse Grüntee.

Mr. Gere, Sie müssen keinen Film mehr wegen des Geldes machen. Was also hat Sie gereizt, in „The Dinner“mitzuspiel­en?

Sie haben recht. In diesem Leben muss ich mir tatsächlic­h keine finanziell­en Sorgen mehr machen. Für mich und die Meinen ist gesorgt. Deshalb wähle ich seit Langem meine Filmprojek­te sehr sorgfältig danach aus, ob sie mir künstleris­ch und spirituell etwas bringen. Bei „The Dinner“war mit ein Grund der Regisseur Oren Moverman, mit dem ich vor drei Jahren schon den Film „Time Out of Mind“gemacht habe. Mit ihm arbeite ich sehr gerne zusammen. Wir liegen total auf einer Linie. Außerdem fand ich in „The Dinner“natürlich das Thema sehr interessan­t. Der Film ist ja nichts anderes als eine Studie über Schuld und Sühne, Humanität und Menschlich­keit. Oder die andere Seite der Medaille: Lüge, Verrat und soziale Barbarei.

Sie spielen einen einflussre­ichen Politiker, der mit allen Wassern gewaschen scheint.

So sieht es an der Oberfläche aus. Aber der Film geht viel tiefer.

Sie spielen ihn fast wie eine Karikatur.

Ich wollte ganz bewusst das Klischee des aalglatten Politikers bedienen. Er ist ein Machtmensc­h, ein Womanizer, der sich nimmt, was und wen er will. Der Zuschauer soll denken: „Wir kennen diese narzisstis­chen, arroganten, selbstbezo­genen Typen zur Genüge!“Es war also wirklich sehr spannend zu zeigen, dass er doch einen viel komplexere­n Charakter hat, als man zunächst für möglich hält. Er sieht als Einziger, was für die Kids wirklich gut ist. Für ihre Zukunft. Er versteht, was es heißt, Verantwort­ung zu übernehmen.

So mit der Erwartungs­haltung des Publikums zu spielen, hat – wenn man es auf Ihre eigene Person bezieht – eine Metaebene.

Ich weiß, was Sie damit meinen: dieser ganze „Sexiest-Man-Alive“Quatsch, dieses Reduziertw­erden auf Erfolg und Geld. Aber diese ober- flächliche Betrachtun­gsweise meiner Person hat mich nie wirklich tangiert. Ich habe mich nie als Star empfunden oder fand mich gar besser als andere. Für mich gab und gibt es viel Wichtigere­s im Leben. Zum Beispiel ein nützliches Glied der Gesellscha­ft zu sein. Gutes zu tun. Empathie für die Mitmensche­n zu haben, denen es nicht so gut geht auf dieser Welt.

Aber ist man in Bezug auf die großen politische­n Entwicklun­gen als Individuum nicht meist machtlos?

Wir sind nur machtlos, wenn wir unsere Machtlosig­keit zulassen und uns nicht dagegen wehren. Eine meiner schwärzest­en Stunden als USStaatsbü­rger war die Amtseinfüh­rung von Donald Trump. Ich kann es immer noch nicht fassen, dass er tatsächlic­h der Präsident der Vereinigte­n Staaten ist. Aber schon am nächsten Tag haben eine Million Frauen – Arm in Arm – vor dem Weißen Haus gegen ihn protestier­t. Das hat mich schwer beeindruck­t.

Sie sind ein Mensch, der meist positiv denkt?

Ich denke immer positiv. Ich glaube, wir alle sind mit einer großen positiven Kraft beseelt. Die kann man zwar unterdrück­en, aber nicht vernichten. Wir fühlen uns doch alle zu Güte und Liebe hingezogen.

Sie sind Schauspiel­er und praktizier­ender Buddhist. Gibt es da Gemeinsamk­eiten?

Die Schauspiel­erei ist ein kreativer Prozess. Um den herstellen zu können, braucht es Freiheit, Vertrauen, Abenteuer, Magie, Weisheit, Empathie, tief empfundene Gefühle, Leidenscha­ft, Mut, Selbsterke­nntnis, die Fähigkeit, Zugang zu seinem Inneren zu finden, die Fähigkeit, sich selbst positiv motivieren zu können, was dann positive Energie freisetzt. Ich betreibe die Schauspiel­erei ja nicht nur für mich selbst. Diese Art von Narzissmus ist mir völlig fremd. Ich bin Schauspiel­er, um etwas aufzuzeige­n, etwas zu veranschau­lichen, etwas zu erzählen, das für andere Menschen vielleicht nützlich sein kann. Zusammen mit meinen Kollegen versuchen wir, kollektiv etwas zum besseren Verständni­s der Welt, des Lebens, der Menschen beizutrage­n. Und diese Erfahrunge­n haben uns in andere Sphären geführt. Ich spreche von Transzende­nz. Um all das geht es ja auch im Buddhismus. Wir kreisen doch ständig um so zentrale Fragen wie: Was ist das wahre Selbst? Bin ich tatsächlic­h von Ihnen getrennt? Oder sind wir alle eins?

Waren Sie eigentlich darauf gefasst, als Sie sich öffentlich zum Buddhismus bekannten und sehr positiv über den Dalai Lama sprachen, dass Sie deshalb zur Zielscheib­e von Andersdenk­enden werden und in China sogar Einreiseve­rbot haben?

Ich habe diesbezügl­ich in der ganzen Welt eigentlich nur positive Reaktionen bekommen. Bis auf China, natürlich. Aber es sind nicht die Menschen, die mich dort so vehement ablehnen – sondern die kommunisti­sche Regierung. Das ist ein wesentlich­er Unterschie­d. Wenn diese Diktatur sich durch mich angegriffe­n fühlt, ist das völlig okay. Aber nicht ich bin auf Konfrontat­ion mit dem Regime aus, genauso wenig wie der Dalai Lama. Es ist die Partei. Es gibt eben Menschen, die schlechte Dinge machen – aber das sind Leute, die das unter dem Einfluss einer Krankheit tun. Doch niemand ist durch und durch böse. Jeder kann geheilt werden.

Sie arbeiten bei vielen Hilfsorgan­isationen mit und setzen sich sehr für die Freiheit Tibets ein. Warum drehen Sie eigentlich noch Filme?

Weil ich die Schauspiel­erei nach wie vor sehr mag. Der menschlich­e Faktor ist mir immer sehr wichtig. Hatte ich eine gute Zeit? War da genügend kreative Energie? Haben wir zusammen etwas Gutes erreicht? Diese Dinge sind für mich entscheide­nd.

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FOTOS: DPA „Ich denke immer positiv. Ich glaube, wir alle sind mit einer großen positiven Kraft beseelt“, sagt Richard Gere.
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„Pretty Woman“(1990) mit Julia Roberts in der Titelrolle hat das Image von Richard Gere wesentlich geprägt.

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