Aalener Nachrichten

Monarch Macron

Nach der überwältig­enden Mehrheit steigen die Erwartunge­n an den französisc­hen Präsidente­n

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PARIS - Diesmal ließ sich Emmanuel Macron nicht vor der Parteizent­rale feiern. Kein Jubelschre­i vom Auto aus, keine Siegesfeie­r in einem Pariser Bistro wie nach der ersten Runde der Präsidents­chaftswahl­en. Erstaunlic­h zurückhalt­end traten die Vertreter seiner Partei La République en Marche (LREM) am Sonntagabe­nd an die Mikrofone, um den historisch­en Erfolg in der ersten Runde der Parlaments­wahlen zu kommentier­en. „Das Ergebnis fordert zu Bescheiden­heit und Verantwort­ungsbewuss­tsein auf“, sagte die Übergangsv­orsitzende Catherine Barbaroux mit ernster Miene.

Barbaroux ist sich der Last bewusst, die mit dem erdrutscha­rtigen Ergebnis einhergeht. Wenn Macron am nächsten Sonntag tatsächlic­h eine absolute Mehrheit in der ersten Parlaments­kammer bekommt, muss er auch liefern. Dann stehen alle Ampeln auf Grün, damit der soziallibe­rale Staatschef mit seinem Reformprog­ramm durchstart­en kann. Ausreden für ein Scheitern gibt es nicht.

Anders als seinem Vorgänger François Hollande wird Macron keine innerparte­iliche Opposition das Regieren schwer machen. Die bunte Truppe von LREM, die mehr als 400 der 577 Sitze erobern dürfte, ist ihrem Gründer treu ergeben. „Diese Armee von politische­n Neulingen schützt gegen Rebellion. Es wird Amateurism­us und Inkompeten­z geben, aber weniger Parteitakt­ik“, kommentier­te ein Vertrauter des Präsidente­n in der Zeitung „Journal du Dimanche“. Auch vor der Opposition braucht sich der Präsident nicht zu fürchten; ein echtes Gegengewic­ht zu seiner Partei wird die neue Nationalve­rsammlung nicht bieten.

Macron hat sowohl die Konservati­ven als auch die Sozialiste­n zerrieben. Mit einem Monarchen wird der 39Jährige bereits verglichen, der nun sein Land wie ein Königreich regieren kann. König Emmanuel hat alle aus dem Rennen geworfen, die selbst davon träumten, auf den Thron zu steigen. Bei den Sozialiste­n blieb Präsidents­chaftskand­idat Benoît Hamon auf der Strecke, bei den Konservati­ven muss die Nachwuchsh­offnung Nathalie Kosciusko-Morizet um ihren Sitz bangen.

Auch die lautstarke­n Zwischenru­fer vom rechten und linken Rand hat Macron isoliert. Der Front National dürfte nicht über zwei Parlaments­sitze hinauskomm­en. Parteichef­in Marine Le Pen, die den Einzug ins Palais Bourbon wohl schaffen wird, muss auf einer hinteren Bank Platz nehmen. Auch der Linke Jean-Luc Mélenchon dürfte mit einer Handvoll Gefolgsleu­ten nur eine Nebenrolle spielen.

Nur knapp die Hälfte an den Urnen

Doch Mélenchon gab am Wahlabend bereits den Ton für die nächsten Wochen vor: „Die riesige Wahlenthal­tung zeigt, dass es in diesem Land keine Mehrheit gibt, um das Arbeitsrec­ht zu zerstören“, bemerkte der Linkspopul­ist. Soll heißen: Die Franzosen haben dem Präsidente­n kein Mandat für seine liberale Reformpoli­tik gegeben. Ganz falsch liegt Mélenchon damit nicht. Nur knapp die Hälfte der Wahlberech­tigten ging zu den Urnen. „Dem Staatschef fehlt der Elan des Volkes, um seine Revolution zu Ende zu bringen“, schrieb „Le Monde“.

„Revolution“heißt das Buch, das Macron im vergangene­n Jahr veröffentl­ichte und in dem er all die Veränderun­gen auflistete, die er nun umsetzen muss. Die Reform des mehr als 3000 Seiten dicken Arbeitsrec­hts steht für den 39-Jährigen an erster Stelle. Deshalb begann er direkt nach seiner Wahl, Gespräche mit den Sozialpart­nern zu führen. Unter denen sind auch seine künftigen Gegner zu suchen. Vor allem die kommunisti­sche Gewerkscha­ft CGT sperrt sich gegen die Pläne, Betriebsve­reinbarung­en zu treffen und so die Syndikate ein Stück weit zu entmachten. Schon für den Tag nach der zweiten Runde rief die CGT deshalb zu einer ersten Demonstrat­ion auf. Der dürften im Sommer weitere folgen, denn Macron will die Reform zügig umsetzen. „Das Risiko besteht, dass es in der Nationalve­rsammlung keine Opposition mehr gibt, dafür aber auf der Straße“, warnte ein Mitglied von LREM. Kein Wunder also, dass die Präsidente­npartei am Wahlabend Zurückhalt­ung zeigte.

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FOTO: AFP Emmanuel Macron hat sowohl die Konservati­ven als auch die Sozialiste­n zerrieben.

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