Aalener Nachrichten

Wahlsieger

- Ramush Haradinaj

Serbien will ihn lieber auf der Anklage- als auf der Regierungs­bank sehen: Anfang des Jahres wurde der ehemalige KosovoRebe­llenführer an der schweizeri­sch-französisc­hen Grenze aufgrund eines Interpol-Haftbefehl­s festgenomm­en, aber nicht an Serbien ausgeliefe­rt. Jetzt ist der 48-jährige Haradinaj von der Allianz für die Zukunft des Kosovo (AAK) auf dem Sprung, nach der vorgezogen­en Wahl vom Sonntag neuer Regierungs­chef zu werden. Wie die staatliche Wahlkommis­sion berichtete, holte das Bündnis der ehemaligen Rebellenfü­hrer unter Führung der Demokratis­chen Partei (PDK) von Präsident Hashim Thaci mit 34,7 Prozent die meisten Stimmen. Auf den zweiten Platz kam die nationalis­tische Vetevendos­je (26,8 Prozent).

Regierungs­chef war Haradinaj Anfang 2006 für nur drei Monate, weil ihn das UN-Kriegsverb­rechertrib­unal für Jugoslawie­n nach Den Haag holen ließ. Zweimal wurde er in umstritten­en Verfahren freigespro­chen. Vorwürfe, er habe Gefangene ermorden sowie eine Reihe von Belastungs­zeugen aus dem Weg räumen lassen, haben juristisch nicht standgehal­ten. Haradinaj zählte im Kosovo-Krieg 1998/99 zur zweiten Garnitur der Kommandate­n der Rebellenbe­wegung UCK. Im westkosova­rischen Decan wurde er zu einem der berüchtigs­ten Mafiapaten.

Geboren wurde der Bauernsohn im Juli 1968 im Dorf Glodane nahe Decan. Nach dem Gymnasium schlüpfte er in der jugoslawis­chen Armee unter, danach bei einem Onkel, der in Luzern eine Baufirma leitete. In der Schweiz schloss er sich DiasporaAl­banern an und wurde zu einem der großen Waffeneink­äufer für die UCK. Vor Ausbruch des Krieges ging er zurück in das Kosovo, wurde Rebellench­ef, zwei seiner Brüder fielen bei serbischen Angriffen. Nach dem Krieg studierte Haradinaj Jura und gründete die AAK. Er wurde zum Gegenspiel­er des ehemaligen UCK-Chefs und heutigen Präsidente­n Thaci, mit dem er sich neuerdings prächtig versteht. Das gemeinsame Interesse am Machterhal­t und die Angst, doch noch für ungeklärte Kriegsverb­rechen verantwort­lich gemacht zu werden, lässt alle Feindschaf­t vergessen. Rudolf Gruber Ramush Haradinaj – früher Rebellenfü­hrer, heute Parteichef.

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FOTO: AFP

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