Die Keimzelle der Veganbewegung
Immer mehr Menschen im Landkreis leben vegan – Nicht alle Fleisch-Verweigerer lieben Sojaschnitzel
AALEN - Immer mehr Menschen leben vegan, auch im Ostalbkreis. Im Landkreis ist Aalen sozusagen die Keimzelle der Veganbewegung. Seit 2014 gibt es dort einen Vegan-Mitbringbrunch – und der Zulauf ist nach wie vor ungebrochen. Wie das kommt und warum überzeugte Veganer nicht automatisch auf Sojaschnitzel stehen, haben zwei „Triebfedern“der Aalener Bewegung verraten.
Wer vegan lebt, denkt den Grundgedanken des Vegetariers konsequent zu Ende: Er isst und verwendet keinerlei tierische Produkte; neben Fleisch und Fisch verzichtet er also beispielsweise auch auf Eier, Milchprodukte und Honig. Der Grundgedanke: Tiere sollen für den menschlichen Konsum weder getötet noch ausgebeutet werden. Auch die Gesundheit ist ein wesentlicher Aspekt dieser Ernährungsweise.
Es kommt auch als Lifestyle gut an
Eine Triebfeder der Veganbewegung im Ostalbkreis ist Achim Stammberger, Vorstandsbeauftragter des Vereins Animal Rights Watch (ARIWA) mit Sitz in Aalen. „Unser Ziel ist es, langfristig vom Töten und dem Verzehr von Tieren abzukommen“, sagt Stammberger. „Vegane Ernährung lässt sich aber auch als Lifestyle vermarkten. Das ist unser Einstieg.“Im Vergleich zu Großstädten wie Stuttgart sei das vegane Angebot in Aalen zwar eher bescheiden, sagt Stammberger. „Innerhalb des Ostalbkreises hat Aalen aber mit das größte Angebot.“Es gebe bei diesem Thema generell ein Stadt-Land-Gefälle: „Je größer die Stadt, desto größer die Nachfrage.“
Neben einem monatlichen Stammtisch in der „Bar am Venushafen“gibt es seit drei Jahren auch einen Veganbrunch in der Waldorfschule – jeden ersten Sonntag im Monat. Wer möchte, bringt eigene Gerichte mit, andere zahlen zehn Euro am Eingang. Am reichhaltigen Buffet und an den Tischen – die stets übervoll sind – tauschen sich nicht nur Veganer und Vegetarier aus, auch Neugierige, die sich für das Thema interessieren, fühlen sich hier wohl. „Ziel ist es, die vegane Ernährung einfach mal kennenzulernen, Vorbehalte und Hemmungen zu verlieren“, erklärt der ARIWA-Vertreter. Zu jedem Termin gibt es auch Vorträge zu verschiedensten Themen – neben dem Tierrecht auch zur gesunden Ernährung oder zur nachhaltigen Landwirtschaft.
Erster Veganbrunch war 2014
Den ersten Veganbrunch organisierte Stammberger im März 2014. „Das Interesse war von Anfang an recht groß“, erinnert er sich. „Beim ersten Mal kamen 120 Menschen, obwohl wir nur Platz für 90 Leute hatten. Wir waren auf den Ansturm überhaupt nicht vorbereitet.“Mittlerweile hätten sich die Besucherzahlen bei etwa 80 eingependelt. Je nach Thema und Wetter kämen aber auch mal bis zu 100 Personen. Das Publikum sei sehr gemischt. „Ich denke, dass 60 bis 70 Prozent der Leute regelmäßig kommen, die anderen 30 Prozent kommen seltener oder schauen zum ersten Mal rein.“Auch altersmäßig sei das Publikum stark gemischt, wenn auch ein „gewisser Schwerpunkt auf jüngeren Leuten“liege.
Vom Veganbrunch in Aalen haben sich auch andere Städte in der Umgebung inspirieren lassen. Mittlerweile gibt es ähnliche Veranstaltungen in Ellwangen, Geislingen und Herbrechtingen. „Wir haben auch Anfragen aus Schwäbisch Gmünd, suchen hier aber noch Aktive, die das in die Hand nehmen.“
Ein Großprojekt von Stammberger ist der „Vegan Street Day“in Stuttgart, den Stammberger seit Beginn 2010 mit veranstaltet. „Zu Beginn mussten wir der Stadtverwaltung erst mal erklären, was vegan überhaupt bedeutet“, sagt er und lacht. Anschließend stieg die Bekanntheit rasant: Ab dem Jahr 2011 habe der große Run begonnen, so Stammberger. „Attila Hildmann hat mit seinen veganen Kochbüchern den Veganismus aus der ethisch-begründeten Schiene raus gebracht.“Dessen erstes Buch „Vegan for Fun“war ein Bestseller und führte wochenlang die Spiegel-SachbuchBestsellerliste an. „Damals ging es rapide nach oben: Die ersten Magazine kamen raus, vegane Produkte haben im Konsumbereich geboomt.“In den vergangenen zwei, drei Jahren seien immer mehr Unternehmen – auch klassische Fleischproduzenten – auf den Zug aufgesprungen. „Da ist das Thema vom Biobereich und den Reformhäusern her auch im konventionellen Bereich angekommen.“
Der große Hype ist aber mittlerweile vorbei. Der Absatz sogenannter Fleisch-Ersatzprodukte von Fleisch stagniere dieses Jahr erstmals, sagt Stammberger. „Ich bin der Meinung, dass dieser Trend anhalten wird, aber in abgeschwächter Form.“
Vegan ist nicht automatisch gesund
Das beobachtet auch Sonja Raudenbusch, stellvertretende Filialleiterin im Aalener Reformhaus und Mitbegründerin des Veganbrunch in Aalen. Raudenbusch lebt seit anderthalb Jahren vegan. Durch ihren Beruf hat sie den „Veganhype“direkt miterlebt. Ihre Stammkundschaft unterscheide sich aber gegenüber den Kunden, die Tofuschnitzel im Discounter kaufen, glaubt Raudenbusch. „Bei uns ist schon immer alles bio. Es gibt aber auch Menschen, die wollen Hauptsache vegan und billig.“Vegan bedeute aber nicht automatisch gesund. „Der typische Veganer, der bei uns einkauft, kauft vor allem viel Obst und Gemüse.“Raudenbusch betont: „Die breite Masse an vegan lebenden Menschen lebt nicht ausschließlich von Ersatzprodukten.“Darüber hinaus gebe es genug Veganer, die, wie sie selbst, „sogar den Geschmack eines Sojaschnitzels gruselig finden“. Dennoch findet die Tierrechtlerin: „Es spricht nichts dagegen, eine Tofuwurst oder Tofuschnitzel auf dem Teller zu haben.“
Bei ihr gab die Gesundheit damals den Ausschlag: Sie und ihr mittlerweile erwachsener Sohn reagierten auf Milchprodukte mit Migräneanfällen. „Auch habe ich mich schon immer viel mit der Ernährung beschäftigt“, sagt Raudenbach. „Also: Was ist gut für mich und gut für die Umwelt.“Über Freunde kam sie schließlich in Kontakt mit Bioläden, über Schulungen für das Reformhaus schließlich auch mit vegetarischem und veganem Essen.
Durch ihre neue Lebensweise, so Raudenbusch, habe sich ihr ein völlig neuer Freundeskreis aufgetan, „Menschen, die sehr bewusst sind, auch ein bisschen spirituell, und die sich für die Umwelt einsetzen“. Das Schnittfeld aller sei die Ernährung – egal, ob es nun die Frau im Kostüm sei oder der Mensch in Ökotretern. Für sie ist die vegane Lebensweise eine Form der Erfüllung. „Ich hab meinen Seelenfrieden gefunden“, sagt sie. „Mir geht es seelisch und körperlich gut.“
Um ihr Wissen an andere weiterzugeben, gibt Sonja Raudenbusch auch vegane Kochkurse. Die Termine gibt sie auf ihrer privaten Facebookseite bekannt, ebenso auf der Facebookseite „Vegan-Brunch in Aalen“. „Was nach Abzug der Unkosten übrig bleibt, geht an ARIWA“, sagt Raudenbusch, die sich über jeden neuen Teilnehmer freut.
„Je größer die Stadt, desto größer die Nachfrage“, sagt Achim Stammberger, Vorstandsbeauftragter des Vereins Animal Rights Watch.