Aalener Nachrichten

Wenn die Hände einschlafe­n

Beim Karpaltunn­elsyndrom gerät der Nerv am Handgelenk unter Druck

- Von Elena Zelle

SIEGEN (dpa) - Wenn die Hände gelegentli­ch einschlafe­n, denken sich viele nichts dabei. Solche Beschwerde­n darf man aber nicht einfach ignorieren. Sie können auf ein Karpaltunn­elsyndrom hindeuten. Dabei ist ein Nerv im Handgelenk an einer Engstelle unter Druck geraten. Es ist das häufigste sogenannte Kompressio­nssyndrom. Etwa zehn Prozent der Menschen sind davon betroffen. Wenn man nichts dagegen unternimmt, kann der Nerv dauerhaft geschädigt werden. Manchmal bleibt der Daumen dann gelähmt.

Der Muskel im Daumenball­en schrumpft

Die Beschwerde­n beginnen meist nachts: kribbeln, Taubheitsg­efühl in den Händen, Schmerzen. „Man wacht davon mehrmals auf“, sagt Professor Veit Braun von der Deutschen Gesellscha­ft für Neurochiru­rgie. „Irgendwann kommen die Beschwerde­n auch tagsüber – zum Beispiel beim Fahrrad- oder Autofahren.“Das Gefühl lässt in den ersten drei Fingern ab dem Daumen nach. Typische Situatione­n: Beim Spülen fallen einem Tassen aus der Hand, oder das Hemd lässt sich nicht mehr so gut zuknöpfen. Wenn man nichts unternimmt, schrumpft der Muskel im Daumenball­en.

Der Grund dafür liegt in einer Engstelle im Handgelenk: Der Karpaltunn­el ist eine Art Durchgang zwischen den Handwurzel­knochen an den Seiten und einem Band (Retinaculu­m flexorum), das wie ein Deckel darüber liegt. Hindurch laufen Sehnen und ein Nerv – der Nervus medianus. „Das ist einer der HauptHandn­erven. Er versorgt Daumen, Zeige- und Mittelfing­er,“sagt Oliver Kastrup von der Deutschen Gesellscha­ft für Neurologie aus Essen.

Wenn der Nerv unter Druck gerät, liegt das meistens daran, dass die Beugesehne­n im Karpaltunn­el angeschwol­len sind. Als Ursache wird unter anderem eine Hormonumst­ellung angenommen. Dafür spricht, dass etwa 70 Prozent der Betroffene­n Frauen sind, und diese in der Mehrzahl älter als 50 Jahre. Auch ein gebrochene­s Handgelenk, bei dem sich der Karpaltunn­el verschoben hat, kann die Beschwerde­n hervorrufe­n.

„In seltenen Fällen gibt es auch ein überlastun­gsbedingte­s Karpaltunn­elsyndrom“, erklärt Professor Jörg van Schoonhove­n, Generalsek­retär der Deutschen Gesellscha­ft für Handchirur­gie aus Bad Neustadt. Die chronische Belastung als Ursache wird aber in der Wissenscha­ft noch diskutiert. Unabhängig von der jeweiligen Ursache wird das Problem in der Regel verstärkt, wenn man die Hand abknickt, etwa beim Schlafen.

Um festzustel­len, ob jemand betroffen ist, gibt es verschiede­ne Möglichkei­ten. Der Arzt erkennt das Syndrom häufig schon an den Schilderun­gen des Patienten. Technisch lässt sich die Leitgeschw­indigkeit der Nerven durch einen leichten Reizstrom messen. Ist die Übertragun­g verlangsam­t, spricht das für ein Karpaltunn­elsyndrom. Auch kommen Ultraschal­luntersuch­ungen und Kernspin infrage.

Wenn die Beschwerde­n noch leicht sind, bekommen Betroffene zunächst eine Schiene für die Nacht. So lässt sich das Handgelenk nicht mehr abknicken. „Das kann helfen, wird aber oft als unkomforta­bel empfunden“, sagt Kastrup. Eine andere Möglichkei­t ist das entzündung­shemmende Medikament Cortison: Früher wurde es meist direkt in den Karpaltunn­el gespritzt. Heute bekommen Patienten es eher in Tablettenf­orm.

Eine Operation wird vor allem dann in Betracht gezogen, wenn die Finger bereits taub sind oder der Muskel sich zurückbild­et hat. „Es ist auch eine Frage der Toleranz des Patienten“, sagt van Schoonhove­n. Irgendwann kommt vielleicht ein Punkt, an dem er genug vom nächtliche­n Aufwachen hat. Bei der OP wird das Band, das den Deckel des Karpaltunn­els bildet, gespalten. „Dadurch verlängert es sich, und das entlastet den Nerv.“Wie jede andere OP bringt auch die Karpaltunn­elOperatio­n Risiken mit sich: Neben möglichen OPKomplika­tionen wie Infektione­n kann es sein, dass der Nerv beim Eingriff verletzt oder in sehr seltenen Fällen durchtrenn­t wird. Das gilt auch für die endoskopis­che Operations­methode. Dabei ist der Schnitt in der Handinnenf­läche statt zwei nur einen bis eineinhalb Zentimeter lang. „Manche haben nach dem endoskopis­chen Eingriff Schmerzen, weil der Nerv gedrückt wurde.“

Jörg van Schoonhove­n, Generalsek­retär der Deutschen Gesellscha­ft für Handchirur­gie

Ambulante Operation unter örtlicher Betäubung

Nach vier Wochen seien die Ergebnisse des endoskopis­chen und des konvention­ellen Eingriffs aber gleich gut. Beide OPs werden ambulant unter örtlicher Betäubung vorgenomme­n. Wenn die Wunde nach ungefähr zwei Wochen verheilt ist, sind die Beschwerde­n meist verschwund­en. War der Nerv allerdings schon geschädigt oder der Muskel bereits verkümmert, lässt sich das nicht immer rückgängig machen. Die Symptome eines Karpaltunn­elsyndroms sollte man also ernst nehmen.

„In seltenen Fällen gibt es auch ein überlastun­gsbedingte­s Karpaltunn­elsyndrom.“

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FOTO: KAROLIN KRÄMER/DPA Schmerzen im Daumen sind auch ein typisches Symptom für das Karpaltunn­elsyndrom.
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