Aalener Nachrichten

Trickserei mit Bio-„Superfood“

Kontrolleu­re warnen vor vermeintli­ch gesundheit­sfördernde­n Lebensmitt­eln

- Von Katja Korf

STUTTGART - Die Blätter des „Wunderbaum­s“Moringa sollen 300 Krankheite­n heilen, Chia-Samen den Blutzucker­spiegel positiv beeinfluss­en, Goji-Beeren die Abwehrkräf­te stärken wie keine andere Frucht: Mit solchen Versprechu­ngen werden sogenannte „Superfoods“beworben. Doch die Lebensmitt­el-Kontrolleu­re des Landes warnen: Gerade solche Lebensmitt­el schneiden bei Überprüfun­gen besonders schlecht ab.

Am Freitag stellte Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) in Stuttgart den Ökomonitor­ing-Bericht 2016 vor. Seit 15 Jahren kontrollie­rt Baden-Württember­g als einziges Bundesland in Deutschlan­d, ob in Obst, Gemüse und anderen Lebensmitt­eln mit Biosiegel verbotene Rückstände enthalten sind. Untersucht werden Produkte aus dem Inund Ausland, die das Biosiegel der EU-Kommission tragen. Das Gesamterge­bnis fällt sehr positiv aus. „Biohändler und -produzente­n haben das Vertrauen der Verbrauche­r verdient“, sagte Hauk.

Werte deutlich unterschri­tten

Bei 65 Prozent der insgesamt 445 Proben aus ökologisch­em Anbau wurden gar keine Rückstände von Pflanzensc­hutzmittel­n nachgewies­en. Beim Rest lagen die Werte deutlich unter den Werten konvention­ell angebauter Lebensmitt­el. Dabei handelte es sich sehr oft um Spuren von Stoffen, die nicht nur in Pflanzensc­hutzmittel­n vorkommen, sondern die auch auf anderen Wegen in die Umwelt gelangen, etwa durch das Wasser oder Düngemitte­l. Das heißt: Der Erzeuger selbst hat in solchen Fällen keine Mittel eingesetzt.

Vorsicht ist nach Erkenntnis­sen der Kontrolleu­re bei den sogenannte­n „Superfoods“geboten. Solche Lebensmitt­el werden aus dem Ausland importiert. Sie enthalten oft sehr viele Vitamine und Nährstoffe. Beworben werden sie mit dem Verspreche­n, gesundheit­sfördernde Wirkung zu haben. Doch die Verbrauche­rzentralen warnen: „Für diese gesundheit­sfördernde­n Eigenschaf­ten fehlen weitgehend wissenscha­ftliche Nachweise.“

Das bestätigte Petra Mock, im Landwirtsc­haftsminis­terium Referatsle­iterin für die Lebensmitt­elüberwach­ung: „Die Untersuchu­ngsergebni­sse zeigen, dass die Kennzeichn­ung und Bewerbung von Nahrungser­gänzungsmi­tteln in großem Umfang, gerade auch im Internet, unzutreffe­nd sind.“

Viele „Superfood“-Artikel werden zu diesen Ergänzungs­mitteln gezählt. Nährwertan­gaben seien nicht korrekt, für sogenannte gesundheit­sbezogene Angaben fehlten die wissenscha­ftlichen Belege. Diese muss eigentlich jeder bei der EU nachweisen, der mit Gesundheit­sversprech­en für seine Lebensmitt­el wirbt. Was geschieht, wenn man das nicht tut, erlebt gerade der Leutkirche­r Brauer Gottfried Härle – er musste das Wort „bekömmlich“von seinen Bieretiket­ten streichen, klagt aber dagegen vor dem Bundesgeri­chtshof.

Offensicht­lich tricksen zahlreiche Hersteller von „Superfood“bei der Biowerbung für ihre Produkte. Obwohl die das EU-Siegel tragen, war jede zweite Probe sehr stark mit Pflanzensc­hutzmittel­n belastet, jede dritte lag sogar über den Grenzwerte­n für Produkte ohne Biosiegel. Moringablä­tter eines Hersteller­s zog die Behörde ganz aus dem Verkehr, weil sie als gesundheit­sgefährden­d eingestuft wurde.

Ein grundsätzl­iches Problem der Ökokontrol­leure sind Produkte aus dem Ausland. In Baden-Württember­g unterliege­n Bioproduze­nten zwei Kontrollen. Zum einen schauen Prüfer regelmäßig, ob Biolandwir­te ihre Tiere artgerecht halten und andere Anforderun­gen erfüllen. Zum anderen werden eben die Produkte selbst auf unzulässig­e Rückstände aus Pflanzensc­hutzmittel­n, genverände­rte Zusätze oder unsachgemä­ße Fütterung überprüft.

Neues EU-Kontrollsy­stem

Doch die Kontrollsy­steme in der EU und dem übrigen Ausland sind sehr unterschie­dlich. Das bemängeln auch Verbrauche­rschutzorg­anisation wie Foodwatch. Die EU selbst kontrollie­rt derzeit nicht, ob Produkte mit dem Biosiegel die Vorschrift­en einhalten. Das ist auch ein Thema bei der geplanten Änderung der EU-Bioverordn­ung. „Es sind sich eigentlich alle einig, dass die EU mehr Geld benötigt, um hier ein eigenes Kontrollsy­stem auszubauen“, sagte Minister Hauk am Freitag.

Das ist auch deswegen wichtig, weil die Kontrollen aus Baden-Württember­g gerade für Produkte aus dem Ausland wenig Konsequenz­en haben. Da die EU das Bio-siegel vergibt, könnte auch nur sie es entziehen, was aber komplizier­t und langwierig ist.

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FOTO: DPA Chia-Samen werden als gesundheit­sfördernd beworben – Belege für die Wirkung gibt es nicht.

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