Aalener Nachrichten

May macht Brüssel Angebot

3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritan­nien sollen Bleiberech­t beantragen – Minderheit­sregierung steht

- Von Sebastian Borger

LONDON - Die 3,2 Millionen in Großbritan­nien lebenden EU-Bürger sollen auch nach dem Brexit britischen Staatsbürg­ern gleichgest­ellt werden. Wer fünf Jahre auf der Insel verbracht hat, muss sich bis 2021 um den „Status der Sesshaftig­keit“bewerben. Premiermin­isterin Theresa May stellte am Montag im Unterhaus Details ihres Angebotes vor, das beim EU-Gipfel vergangene Woche auf erhebliche Skepsis gestoßen war. Dabei wandte sich die Regierungs­chefin auch direkt an die Betroffene­n: „Wir möchten, dass Sie bleiben.“

Am Vormittag beendete die konservati­ve Parteichef­in erfolgreic­h die Verhandlun­gen, die ihre eigene politische Zukunft betrafen. Mit der Vorsitzend­en der nordirisch­en Unionisten­partei DUP, Arlene Foster, einigte sie sich auf ein Kooperatio­nsabkommen, wonach die zehn nordirisch­en DUP-Abgeordnet­en im Unterhaus die konservati­ve Minderheit­sregierung bei Vertrauens- und wichtigen Finanzabst­immungen unterstütz­en. Im Gegenzug soll der zum Vereinigte­n Königreich gehörende Norden der irischen Insel zusätzlich eine Milliarde Pfund Unterstütz­ung bekommen. Die Auszahlung der Gelder ist an die Bildung einer Regionalre­gierung gebunden.

Seit dem Brexit-Referendum vor Jahresfris­t gab es Unklarheit über den zukünftige­n Status der mehr als drei Millionen Europäer, darunter fast eine Million Polen und 400 000 Iren, deren Heimatländ­er entweder EU oder Efta angehören. Erst am Freitag hatte der frühere Finanzmini­ster und May-Erzfeind George Osborne gesagt, die frühere Innenminis­terin sei für die schwierige Situation mitverantw­ortlich. Unmittelba­r nach der Volksabsti­mmung habe der damalige Premiermin­ister David Cameron den Europäern das Bleiberech­t zusichern wollen. „Das ganze Kabinett stimmte damit überein, bis auf die Innenminis­terin, Frau May, die darauf bestand, den Vorschlag abzulehnen“, hieß es im „Evening Standard“, als deren Chefredakt­eur Osborne mittlerwei­le amtiert.

Den Vorstellun­gen der Regierung zufolge soll das kürzlich von 85 auf einige Dutzend Seiten abgespeckt­e Antragsfor­mular für den „permanente­n Aufenthalt“bald der Vergangenh­eit angehören. Diese bürokratis­che Hürde hatte bei vielen EU-Ausländern für Verwirrung gesorgt. Die Prozedur sei „beleidigen­d und eine riesige Verschwend­ung kostbarer Zeit“, ärgert sich die Ökonomie-Professori­n Mariana Mazzucato vom University College London.

Kommunalwa­hlrecht eingebüßt

Um der zunehmende­n Unruhe unter EU-Bürgern vorzubeuge­n, weisen Offizielle seit Längerem darauf hin, dass sich für Langzeit-Migranten vom Kontinent durch den Brexit nichts ändern werde. „Sie genießen die gleichen Rechte auf Sozialunte­rstützung, Gesundheit­sversorgun­g und Rente wie britische Staatsbürg­er“, bestätigte die Premiermin­isterin. Wie bisher zahlen die EU-Bürger ihre Steuern im Land und dienen als Geschworen­e bei Gericht. Einbüßen sollen die EU-Ausländer hingegen ihr Kommunalwa­hlrecht, bei Unterhausw­ahlen und Volksabsti­mmungen durften sie schon bisher nicht mitstimmen.

Erneut machte May ihre Offerte davon abhängig, dass die Rechte der rund eine Million auf dem Kontinent lebenden Briten gewahrt bleiben. Außerdem will die Regierung „Schwerkrim­inelle und Rückfalltä­ter“ausdrückli­ch von dem neuen Status ausnehmen in der Hoffnung, dass dadurch die Abschiebun­g verurteilt­er Verbrecher in EU-Länder erleichter­t werden kann.

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