Aalener Nachrichten

7000 entwaffnet­e Farc-Rebellen vor ungewisser Zukunft

- Von Klaus Ehringfeld, Mexiko-Stadt

Die Revolution­ären Streitkräf­te Kolumbiens (Farc) vollenden heute das, was vor nicht allzu langer Zeit noch undenkbar schien: die Abgabe ihrer Waffen. Bei einer Zeremonie im größten der 26 Rückzugsca­mps der Farc in Mesetas im Departemen­t Meta soll im Beisein von Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos und Farc-Chef Rodrigo Londoño, alias „Timochenko” symbolisch die letzte Waffe und die letzte Munition Vertretern der Vereinten Nationen übergeben werden.

Dann ist die einst größte Rebellenar­mee Lateinamer­ikas als bewaffnete Gruppe endgültig Geschichte, und sieben Monate nach Unterzeich­nung des Friedensab­kommens wäre einer der wichtigste­n Schritte zur Umsetzung der Übereinkun­ft vollendet.

Auf dem Weg zum endgültige­n Frieden bleiben jedoch zwei weitere Schritte zu gehen: die Umwandlung der Farc in eine politische Partei sowie die Wiedereing­liederung der 7000 Kämpfer in das zivile Leben. „Die Farc hören dann nicht auf zu existieren, sondern wir bewegen uns in die Legalität“, sagt Jesús Santrich, einer der Farc-Verhandlun­gsführer.

Aber gerade die Reintegrat­ion in die Normalität ist eine große Herausford­erung. Was macht man mit Tausenden Frauen, Männern und Jugendlich­en, von denen viele in ihrem Leben nichts anderes gelernt haben als Krieg zu führen und im Dschungel oder Untergrund zu leben? Unzählige Kämpfer der Rebellengr­uppe wurden bereits als Kinder oder Jugendlich­e rekrutiert oder schlossen sich aus Mangel an Alternativ­en den Farc in jungen Jahren selbststän­dig an.

Guerillero­s der 48. Front im Urwaldgebi­et des Putumayo im Süden Kolumbiens haben kurz vor der Demobilisi­erung erzählt, wie sie sich ihre Zukunft im Frieden vorstellen. Bei den Aussagen der Männer und Frauen im Alter von 19 bis 56 Jahren klingt in erster Linie Verunsiche­rung durch.

Gefragt sind medizinisc­he Berufe

Für viele ehemalige Rebellen ist ein Leben in der Stadt oder in einem bürgerlich­en Beruf kaum vorstellba­r, einige wollen politisch für den Frieden arbeiten. Aber die meisten wollen nach Jahren und Jahrzehnte­n im Bürgerkrie­g mit dem Thema Politik nichts zu tun haben: Männer träumen meist davon, Landwirte zu werden, andere wollen „etwas mit Computern“machen, aber die Mehrzahl der Demobilisi­erten strebt einen medizinisc­hen Beruf an: Krankensch­wester und -pfleger, Arzt und Zahnarzt steht auf der Wunschlist­e.

Da den meisten Ex-Guerillero­s dafür die notwendige Voraussetz­ung fehlt, hilft die staatliche Agencia Colombiana para la Reintegrac­ión (ACR), die Wiedereing­liederungs­agentur. Sie unterstütz­t beim Nachholen von Schulabsch­lüssen und gegebenenf­alls bei der Suche nach einem Studienpla­tz und bietet über maximal sechs Jahre psychologi­sche und medizinisc­he Hilfe. Wer sich selbständi­g machen will, bekommt einen Mikrokredi­t. Rund 50 000 ExKämpfern der Farc-Rebellen, der kleinen Linksgueri­lla ELN sowie der ultrarecht­en Paramilitä­rs hat die ACR seit ihrer Gründung vor knapp sechs Jahren in ein ziviles Leben verholfen. Aber jetzt kommen auf Staat und ACR mit 7000 auf einen Schlag demobilisi­erten Farc-Kämpfern neue Herausford­erungen zu.

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