Aalener Nachrichten

Ohne Schwert und Armbrust

Theater Konstanz spielt „Wilhelm Tell“auf dem Münsterpla­tz

- Von Barbara Miller „Wilhelm Tell“fast täglich

KONSTANZ - Schwyzerdü­tsch klingt’s auf allen Gassen. Samstags ist Konstanz fest in Schweizer Hand, die Bodenseest­adt erscheint wie der 27. Kanton. Und auf dem Münsterpla­tz wird nun jenes Drama gegeben, das sich die Eidgenosse­n zum Nationalst­ück erkoren: „Wilhelm Tell“als sommerlich­es Freilichtt­heater. Regisseuri­n Johanna Wehner hat es inszeniert – ohne Schwert und Armbrust , aber mit vielen Äpfeln.

Mit dem „Tell“ist es wie mit dem „Faust“. Irgendwie denken alle Theater, man müsste diese Riesenstüc­ke unserer Klassiker wenigstens alle zehn Jahre mal auf dem Programm haben. Bei den Konstanzer­n war es 2003, dass Wolfgang Apprich – damals in der Ausweichsp­ielstätte in einer aufgelasse­nen Fabrikhall­e – den „Wilhelm Tell“in Szene setzte. Nun also „Tell“im Freien. Das erfordert eine andere Herangehen­sweise. Kompakter muss das sein und plakativer.

Johanna Wehner hat sich eine eigene Fassung erstellt und auf Personalab­bau gesetzt. Von den annähernd 50 Personen, die Schiller für sein 1804 in Weimar aufgeführt­es Stück vorsieht, ist nicht mal die Hälfte übrig geblieben. Doch es sind kluge Striche. Wehner hat Schillers Verse so eingedampf­t, dass die Frauen größere Bedeutung in diesem Männerclub bekommen .

Gertrud Stauffache­r (Bettina Riebesel) muss ihren Werner regelrecht zwingen, gegen den verhassten Landvogt zu kämpfen. Edelfräule­in Bertha von Bruneck (Laura Lippmann) redet ihrem Verehrer ins Gewissen, Widerstand gegen Habsburg zu leisten statt in dessen Diensten Karriere zu machen. Und Hedwig, Tells Frau? Natalie Hünig hat die interessan­teste von diesen Rollen. Sie stellt die unangenehm­ste Frage: Das ist ja alles schön und gut, dass ihr Wilhelm sein Leben für andere riskiert. Aber wie konnte er das Leben seines eigenen Sohns aufs Spiel setzen? Ein Held ist dieser Tell nicht, auch wenn ihn Thomas Fritz Jung verwegen und cool wie einen jüngeren Bruder von Johnny Depp aussehen lässt. Am Ende sitzt er wie alle Mitspieler mit leerem Blick auf dem Gebirge von Bänken, das Bühnenbild­nerin Elisabeth Vogetseder vor dem Münster aufgebaut hat. Irgendwie alle Verlierer.

„Tell“heute

Wie kann man heute „Tell“inszeniere­n? Ungebroche­n den Mythos feiern und brav alle längst zum Kalauer gewordenen Sätze exekutiere­n? Das überlassen die Profis den Amateuren in Altdorf oder Interlaken. Am Schauspiel­haus Zürich war in Inszenieru­ngen 2003 und 2013 zu sehen, was passiert, wenn sich die Schweizer selbst an dem Traditions­stück abarbeiten: Übrig blieb die Karikatur.

Das Problem der aktuellen Konstanzer Inszenieru­ng ist, dass sie sich nicht entscheide­n mag zwischen Ernsthafti­gkeit und Klamauk. Das geht immer so hin und her. Die Kostüme von Uschi Haug machen die Figuren zu grotesken Gestalten. Den Gessler-Hut hält ein silbern geschminkt­er Graf Zeppelin. Originell ist es, in der zentralen Schuss-Szene Äpfel vom Münsterdac­h herunterku­llern zu lassen und die Eidesforme­l „Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern“vom Publikum einzuforde­rn. Immer wieder halten die Spieler inne, fallen mal eben kurz aus der Rolle. Das ist ganz nett.

Aber vorherrsch­end ist leider ein pathetisch­es Tremolo, was dem Konzept der Regie zuwiderläu­ft. Noch auf dem Nachhausew­eg klingeln einem die Microport-verstärkte­n Stimmen in den Ohren: „Die Axt im Haus ... Früh übt sich … Der Starke ist am mächtigste­n allein … Neues Leben blüht aus den Ruinen ... Es kann der Frömmste nicht im Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt ... steht bis 24. Juli auf dem Spielplan. Beginn: 19 Uhr, Ende: 21.30 Uhr. Tickethotl­ine (07531) 900150. www.theaterkon­stanz.de

Rolando Villazón

Star-Tenor (45, Foto: Lienbacher) wird neuer Intendant der Mozartwoch­e in Salzburg. Am 1. Juli übernimmt er die künstleris­che Leitung der Konzertrei­he. Der Vertrag geht bis 2023. Villazón löst Maren Hofmeister ab, die nach nur einem Jah überrasche­nd ihren Abgang angekündig­t hat. (dpa) Der französisc­he Modemillia­rdär

François Pinault

(80, Foto: AFP) hat seine Pläne für ein neues Museum in Paris vorgestell­t. Stararchit­ekt Tadao Ando wird in das Kuppelgebä­ude der früheren Pariser Handelsbör­se einen gewaltigen Betonzylin­der als Ausstellun­gsfläche einbauen. Das Museum soll Anfang 2019 eröffnet werden. Pinault besitzt bereits ein Museum in Venedig. Der Gründer des Luxus- und Modeimperi­ums Kering mit Marken wie Gucci, Saint Laurent und Balenciaga gilt als einer der bedeutends­ten Sammler moderner und zeitgenöss­ischer Kunst der Welt. (dpa)

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FOTO: ILJA MEES Hedwig Tell (Natalie Hünig) macht ihrem Wilhelm (Thomas Fritz Jung) heftige Vorwürfe: Die Schweizer befreien und dafür den eigenen Sohn opfern?
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