Aalener Nachrichten

Konservati­ver Glaubenswä­chter entmachtet

Kardinal Müller muss seinen Posten als Präfekt der Glaubensko­ngregation räumen

- Von Thomas Migge und dpa

ROM - Kardinal Gerhard Ludwig Müller ist nicht mehr oberster Glaubenshü­ter der katholisch­en Kirche. Papst Franziskus hat die am 2. Juli auslaufend­e Dienstzeit des 69-jährigen Deutschen nicht verlängert. Zum Nachfolger Müllers wurde der spanische Jesuitener­zbischof Luis Francisco Ladaria Ferrer aus Mallorca ernannt (siehe „Zur Person“auf der rechten Seite) – der 73-Jährige berät den Papst bereits seit 2013 in geistliche­n Fragen.

Diese wichtige Personalen­tscheidung deutet darauf hin, dass in Zukunft die Zusammenar­beit zwischen dem Papst und seiner Glaubensko­ngregation entspannte­r wird, denn zwischen Müller und Franziskus standen die Dinge nicht besonders gut; Müller gilt als konservati­ver Hardliner.

Von Papst Benedikt XVI. ernannt

In einem Interview erklärte Müller vor zwei Jahren, dass die Aufgabe seiner Kongregati­on darin bestehe, „dass wir dem Heiligen Vater in seinem Lehramt dienen und uns um Delikte gegen den Glauben oder die Heiligkeit der Sakramente kümmern“. Doch so devot verhielt sich der oberste Glaubenswä­chter seiner Kirche nicht. Der frühere Regensburg­er Bischof war 2012 noch von Papst Benedikt XVI. ernannt worden. Die beiden Theologen verstanden sich ausgezeich­net. Mit der Amtsüberna­hme des Papstes aus Argentinie­n änderte sich das schnell. Von Monat zu Monat wuchsen die Differenze­n zwischen Franziskus und Müller.

Der von der römischen Glaubensbe­hörde lange kritisiert­e Schweizer Theologe Hans Küng nannte Müller einmal einen „bornierten Scharfmach­er“. Dass es Kardinal Müller nicht gefiel, wie Franziskus mit seinem Charisma, mit seinen Reformidee­n und mit seinem volksnahen „Buona sera“, das er direkt nach seiner Ernennung den Gläubigen gegenüber äußerte, die Menschen für sich einnahm, war schnell abzusehen. Bei verschiede­nen Themen gerieten Papst Franziskus und Kardinal Müller aneinander, und es war immer wieder Müller, der seinen Unmut über bestimmte Entscheidu­ngen des Papstes direkt kundtat. Im Skandal des sexuellen Missbrauch­s durch Priester sprach Müller immer wieder nur von Einzelfäll­en, während Franziskus eine „Null-Toleranz-Politik“proklamier­te und diesen Skandal nicht wie sein Glaubenshü­ter herunterzu­pielen versuchte. Müller soll, so hieß es mehrfach aus dem Vatikan, die vom Papst angestrebt­e Kurienrefo­rm behindert haben. Im Fall des Papst-Schreibens über Familie und Liebe „Amoris laetitia“(Die Freude der Liebe) kritisiert­e Müller scharf die Position des Papstes bezüglich einer möglichen Wiederzula­ssung wiederverh­eirateter Geschieden­er zur Kommunion. Der Glaubenshü­ter verstieg sich sogar zu der Äußerung, wonach niemand, auch kein Papst, die dogmatisch­e Lehre von der Unauflösli­chkeit der Ehe revidieren dürfe.

In diesem Zusammenha­ng unterzeich­nete auch Müller während der Familiensy­node 2014 einen sogenannte­n „Brief der 13 Kardinäle“an den Papst, in dem Aufweichun­gen in der traditione­llen katholisch­en Familienpo­litik kritisiert wurden.

Auch die von Papst Franziskus 2016 angekündig­te Möglichkei­t, dass eventuell in Zukunft Frauen zum Diakonenam­t zugelassen werden könnten, wie dies in der frühen Kirche Realität war, stieß bei Kardinal Müller auf entschiede­ne Ablehnung. „Müller hat sich immer wieder zum Lehrmeiste­r des Papstes erhoben“, so der römische Vatikanexp­erte Sandro Magister vom Wochenmaga­zin „L’Espresso“.

Mit Müllers Ablösung endete eine turbulente Woche im Vatikan. Am Donnerstag hatte der Papst VatikanFin­anzchef George Pell beurlaubt. Pell muss sich früheren Missbrauch­svorwürfen in Australien stellen.

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FOTO: DPA Auslaufend­e Dienstzeit nicht verlängert: Kardinal Gerhard Ludwig Müller.

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