Kurz führt ÖVP mit einer „Ruck-Rede“in eine neue Ära
Österreichs 30-jähriger Außenminister mit 98,7 Prozent zum neuen Parteivorsitzenden gewählt
LINZ (dpa) - Die Österreichische Volkspartei (ÖVP), Schwesterpartei der deutschen CDU, hat am Samstag eine neue Ära eingeleitet: Österreichs Außenminister Sebastian Kurz ist neuer Chef der ÖVP. Der 30Jährige wurde auf dem ÖVP-Bundesparteitag in Linz mit 98,7 Prozent gewählt. Er erhielt am Samstag 464 von 472 Stimmen.
Kurz tritt die Nachfolge von Reinhold Mitterlehner an, der im Mai wegen Querelen in Partei und Regierung zurückgetreten war. Mitterlehner hatte bei seiner letzten Wahl 99,1 Prozent der Stimmen bekommen.
Dreieinhalb Monate vor der Nationalratswahl hat die ÖVP damit die letzten personellen und strukturellen Weichen gestellt. Die Delegierten segneten auch neue Statuten ab, die Kurz eine große Machtfülle gewähren. Kurz hat gute Chancen, die Nationalratswahl im Oktober zu gewinnen. Dann wird er – bisher beispiellos auf Bundesebene – mit einer eigenen „Liste Sebastian Kurz – die neue Volkspartei“antreten. Nach Angaben seines Teams hat diese Bewegung inzwischen 60 000 Unterstützer. Sein Macher-Image, das ihn trotz seines noch jungen Alters umweht, lässt diese parteiferne Variante geboten erscheinen. Die ÖVP hatte vor wenigen Wochen in Umfragen nur etwas mehr als 20 Prozent. Allein die Bereitschaft des Außenministers, das Ruder in die Hand zu nehmen, hat die Partei auf 34 Prozent und damit in die Pole-Position katapultiert.
Ähnlich wie Kanzler Christian Kern (SPÖ) vor wenigen Monaten im nahen Wels hielt Kurz eine „RuckRede“– ganz nach dem Motto: So wie es ist, so kann es nicht weitergehen. „Wir sind ein Stück weit Weltmeister im Weiterwursteln geworden“, beklagt er. „Wir wollen vor allem eines: nämlich einen Staat, der wieder weniger Regeln vorgibt. Aber die, die es gibt, müssen auch eingehalten werden“, fordert Kurz. Orientierung, Klartext, Bürgernähe – dafür wird Kurz in Österreich von vielen bejubelt.
Thema Migration kleingehalten
Bei seinem Auftritt umriss Kurz auch seine sozial- und wirtschaftspolitischen Pläne, aber ohne allzu konkret zu werden. Unmissverständlich seine Botschaft: Leistung muss sich im Hochsteuer- und Abgabenland Österreich wieder lohnen. Sein Leibund-Magen-Thema Migration spielte wohl bewusst keine herausragende Rolle, auch wenn seine Forderung zur Schließung der Mittelmeerroute erneut nicht fehlte. Angesichts der praktischen und juristischen Hürden einer solchen Maßnahme hatte er sich dafür jüngst von Kanzler Kern die Bemerkung „populistischer Vollholler“(totaler populistischer Blödsinn) abgeholt.