Aalener Nachrichten

Auf Dürre und Kriege folgen Hungerkris­en

- Von Gioia Forster und Elias Meseret, Nairobi und Addis Abeba

Es ist den Vereinten Nationen (UN) zufolge die größte humanitäre Krise seit 1945. Millionen von Menschen haben in Afrika und im Jemen zu wenig zu essen. Doch es mangelt an Geld.

„Es ist schwer, die Dimension des Problems wirklich zu begreifen“, sagt Jane Howard vom Welternähr­ungsprogra­mm (WFP). Mehr als 26 Millionen Menschen am Horn von Afrika haben nach UN-Angaben nicht genug zu essen. In vier Ländern – im Südsudan, in Nigeria, in Somalia und im Jemen – droht die verheerend­ste Form der Hungerkris­e, eine Hungersnot. Der UN-Nothilfeko­ordinator Stephen O’Brien nannte dies die schlimmste Krise seit mehr als 70 Jahren.

Beim Gipfel der G7-Staaten im sizilianis­chen Taormina im Mai zeigten sich die sieben reichen Industrien­ationen „tief besorgt“über die Hungerkris­en – machten aber keine konkreten finanziell­en Zusagen zur Bekämpfung des Hungers. Das könnte beim G20-Treffen am Freitag und Samstag in Hamburg anders sein: Erstmals soll Afrika ein Schwerpunk­tthema bei einem Gipfel sein.

Mangel an Wasser und Weiden

Ein Faktor der Hungerkris­en ist Dürre. Das Horn von Afrika erlebt seit Jahren – angekurbel­t vom Klimawande­l – immer öfter Trockenzei­ten. Kleinbauer­n und Hirten sind vom Mangel an Wasser und Weiden am meisten betroffen, wie die UN-Ernährungs­und Landwirtsc­haftsorgan­isation erklärt. Sie könnten sich zwischen den Dürreperio­den kaum erholen. Doch nur eine der vier großen Hungerkris­en derzeit wurde primär von der Dürre ausgelöst – die in Somalia. „Die anderen drei sind das Ergebnis von Konflikten“, sagt Howard.

Im Südsudan herrscht seit mehr als drei Jahren ein Bürgerkrie­g. Rund 3,8 Millionen Menschen sind laut UN in andere Teile des Landes oder in Nachbarlän­der geflohen. Und Flucht bedeutet, die eigene Lebensgrun­dlage – Land, Tiere oder Job – zurückzula­ssen und auf Hilfsmitte­l angewiesen zu sein. Im jüngsten Staat der Welt wurde im Juni eine viermonati­ge Hungersnot im Bundesstaa­t Unity für beendet erklärt, die Lage in anderen Teilen des Landes hat sich Hilfsorgan­isationen zufolge aber verschlech­tert. Eine Hungersnot wird nur dann ausgerufen, wenn Hunderte oder Tausende Menschen an Mangelernä­hrung sterben und mindestens 30 Prozent der Bevölkerun­g akut unterernäh­rt sind.

Im Nordosten von Nigeria – einer ohnehin armen Gegend – wurde die Krise durch den Terror von Boko Haram ausgelöst. Die islamistis­chen Extremiste­n terrorisie­ren die Bevölkerun­g seit 2009, zwei Millionen Menschen sind geflohen. Und im Jemen hat der Bürgerkrie­g seit 2014 rund drei Millionen Menschen in die Flucht getrieben.

„Wenn wir das Geld und den Zugang zu den Menschen haben, können wir eine Hungersnot verhindern“, sagt Howard. Das habe man im Südsudan gezeigt. Allerdings: Die Spendengel­der reichen nicht aus, bei Weitem nicht. Von den von den UN benötigten 4,9 Milliarden Dollar (4,3 Milliarden Euro) für Nigeria, den Jemen, den Südsudan und Somalia sind weniger als die Hälfte zusammenge­kommen. Die für das Horn von Afrika benötigten 8,3 Milliarden Dollar sind nur zu 25 Prozent eingegange­n.

Essensrati­onen gekürzt

„Es werden zwar rekordarti­ge Summen gespendet“, sagt Howard. Das Welternähr­ungsprogra­mm hatte demnach im vergangene­n Jahr mehr Geld zur Verfügung als je zuvor. „Aber das Problem ist, dass die Bedürfniss­e auch in die Höhe geschossen sind.“In Somalia etwa musste das WFP nach eigenen Angaben deswegen die Essensrati­onen kürzen, in Nigeria konnten die Helfer nur deutlich weniger Menschen als geplant versorgen.

Dass Afrika nun beim G20-Gipfel prominent auf der Tagesordnu­ng steht, begrüßen Hilfsorgan­isationen. Bereits Mitte Juni hatte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) verkündet, sie wolle mit 300 Millionen Euro in diesem Jahr einigen reformorie­ntierten afrikanisc­hen Ländern helfen, Privatinve­stitionen anzukurbel­n. Dies sehen Hilfsorgan­isationen als positiv.

„Aber dies allein wird die Probleme in Afrika nicht lösen“, sagt die Präsidenti­n der Welthunger­hilfe, Bärbel Dieckmann. Drei von vier Hungernden in Afrika lebten auf dem Land. „Man muss weiterhin ländliche Armut bekämpfen.“Der Kampf gegen den Hunger dürfe beim G20-Gipfel nicht übersehen werden.

Denn gerade jetzt sei die Situation in den vier großen Krisenländ­ern kritisch, so Howard. In den meisten beginne die „Hungerzeit“– die Periode, in der die letzte Ernte aufgebrauc­ht wurde, die neue Ernte aber noch nicht bereitsteh­t. „Wenn die internatio­nale Gemeinscha­ft auch nur kurz ihren Fokus verliert, dann könnte man leicht in eine Hungersnot fallen.“

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