Betörende Klangpracht
Aalener Kammerchor unter Thomas Baur begeistert in drei Konzerten im Landkreis
AALEN - Wer außer sattsam bekannten Werken auch mal ungewohnte Musik neuer Komponisten kennenlernen will, ist beim Aalener Kammerchor richtig. Chorleiter Thomas Baur hat für das diesjährige Programm im Kontrast zu bewährten Chorwerken vergangener Epochen faszinierend Neues gefunden. Der Chor hat es am vergangenen Wochenende bei Konzerten in Neuler, Aalen und Hohenberg imponierend vorgestellt.
Wer „Jubilate Deo“nach Psalm 100 als Motto wählt, findet beim Meister glanzvoller RenaissanceMusik Orlando di Lasso (1532 bis 1594) den gleichlautenden Titel. Jubelndes Gotteslob in betörender Klangpracht erfüllte am Samstagabend für mehr als 200 Konzertbesucher die Salvatorkirche. Im Vergleich zu den klaren Strukturen di Lassos schlägt der japanische Komponist Ko Matsushita (geboren 1962) mit seinem „Jubilate“über alle Stränge von Dur und Moll.
Rauschhaft geht es durch alle Tonarten in überbordender Rhythmik und Melodik. Mit überraschender Beschleunigung und steil ansteigender Dynamik kommt man leicht an die Grenzen der Akustik der Salvatorkirche, besonders wenn der Chor exponiert vorne im Altarraum steht. Trotzdem ein überwältigendes Klangerlebnis, das dem Publikum den ersten Beifall abnötigt.
Beruhigend und erholend folgt das „Jauchzet dem Herrn“von Mendelssohn. Der hat die Kontrastwirkung in sein Stück gelegt, vom Chor und seinem Dirigenten eindrucksvoll herausgearbeitet. Nach überschwänglichem Jauchzen kommt das meditative „Erkennet, dass der Herr Gott ist“. Nun ist die Stimmung da für ein bezauberndes Magnificat von René Clausen (geboren 1953).
Strenge Dissonanzen und scharfe Ton-Cluster
Der amerikanische Komponist neoromantischer Chorwerke arbeitet gerne mit strengen Dissonanzen und scharfen Ton-Clustern. Umso lieblicher heben sich davon weichgespülte Passagen ab wie „Er nimmt sich seines Knechtes Israel an“, ebenso ausdrucksstark wie innig interpretiert von der Sopran-Solistin Christine Maihöfer-Baur. Obwohl nur zwölf Männer- bei 22 Frauenstimmen glänzt der Chor mit ausgewogener Harmonie, besonders überzeugend in Monteverdis Cantate Domini zur Wirkung gebracht. Mit lautmalerischen Effekten imponiert Francis Poulenc (1899 bis 1963) in seinem Exultate Deo, etwa wenn „die Trompeten zum Neumond blasen“.
Lautmalerisch arbeitet auch der estnische Musiker Urmas Sisak (geboren 1960) in seinem „Benedictio for mixed chorus“. Da murmeln die Bässe „Benedicat“und die Tenöre hauchen die Zielperson „Deus“dazu. Die Frauenstimmen entfalten die Dreifaltigkeit mit immer schnelleren Rhythmen und faszinierenden Glissandi-Ausbrüchen. Dem nahezu unbekannten Esten folgt der in der deutschen Chormusik schon heimische Engländer John Rutter (geboren 1945). Sein Cantate Domino scheut keine textlichen und melodischen Zitate verschiedenster Epochen. So erklingt unvermittelt der gregorianische Pfingst-Hymnus „Veni creator spiritus“.
Nach Mendelssohns „Ehre sei Gott in der Höhe“entlässt der Aalener Kammerchor sein Publikum mit Rheinbergers „Abendlied“. In absoluter Reinheit, dichter Atmosphäre und Achtsamkeit gesungen, fand der seit 35 Jahren bestehende Chor wieder einmal große Anerkennung. Erst nach einigem Zögern bedankten sich die stark beeindruckten Zuhörer mit langem Beifall.