Anlagedruck beim Atomfonds
Energiekonzerne haben Milliardensumme für Endlagerung überwiesen
FRANKFURT - Rund 24 Milliarden Euro sind am Montag fristgerecht auf Konten des Bundeswirtschaftsministeriums bei der Bundesbank eingegangen. Es ist zweckbestimmt für den „Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung“, vulgo: Atomfonds. Bei der Bundesbank ist das Geld zwar sicher aufgehoben, aber nicht ertragreich. Denn für die Regierungskonten gilt der negative Einlagenzins, den die Europäische Zentralbank festgelegt hat. Er liegt derzeit bei minus 0,4 Prozent. Das hat zur Folge, dass der Fonds täglich gut 263 000 Euro verliert – wenn das Geld nicht bald anders angelegt wird. Mit positiven Leitzinsen rechnen die Märkte erst in etwa zwei Jahren.
Schnell wird der Fonds seine zinsbedingten Verluste nicht los. Denn 24 Milliarden Euro legt man nicht mal eben so an, ohne – zum eigenen Nachteil – die Kurse zu treiben. Eine Faustregel besagt, mehr als 200 Millionen Euro seien kursschonend pro Tag kaum unterzubringen. Selbst wenn der Fonds in drei Monaten zwölf Milliarden Euro investiert bekäme, schrumpften noch gut genauso viele Milliarden zum Negativzins bei der Bundesbank weiter ab.
Der Fonds ist gesetzlich verpflichtet, sein Geld so wie Versicherungen anzulegen. Der Grundsatz lautet: möglichst große Sicherheit und Rentabilität bei jederzeitiger Liquidität. Es gilt zu streuen, um nicht übermäßig abhängig zu werden von einem bestimmten Vermögenswert, einem Emittenten, einem Unternehmen oder einem geografischen Raum. Kurzum: keine Klumpenrisiken.
Das Land modernisieren
Konkret kann das Geld in Kredite, Aktien, Beteiligungen, Grundstücke und Investmentfonds fließen. Politiker, die im Kuratorium des Atomfonds sitzen, denken auch daran, mit dem Geld das Land zu modernisieren. Also etwa in Stromnetze, weil das sichere und gute Renditen verspreche.
Die Versorger hatten ihre Rücklagen für die Folgen der Atomkraft bilanztechnisch mit 4,6 Prozent verzinst. Sie dürften froh sein, diese Selbstverpflichtung los zu sein. Denn bei Null- und Negativzinsen und einer Dividendenrendite von knapp drei Prozent beim Deutschen Aktienindex ist das schwer zu erreichen. Immerhin: Der Atomfonds muss keine Ertragssteuer bezahlen. Die konkrete Anlagepolitik legt der Vorstand fest. Chefin dort ist eine Frau von Mitte 50, Anja Mikus, die bei der Allianz, bei der genossenschaftlichen Union-Invest und zuletzt bei der deutschen Niederlassung eines britischen Vermögensverwalters Karriere in der Anlage großer Vermögen gemacht hat. Die Commerzbank hat sich ihr Knowhow seit zwei Jahren als Aufsichtsrätin gesichert. Sie hat zwei Kollegen an der Seite, einen davon aus der Investmentbank der Sparkassen, der Deka-Bank. Große Fondsgesellschaften machen sich Hoffnung auf neue Vermögensverwaltungsmandate. Immer mehr auch institutionelle Anleger gehen aber auch in börsengehandelte Indexfonds (ETFs). Die sind deutlich billiger. Denn sie beschäftigen keine Fondsmanager, die besser abschneiden wollen als der Gesamtmarkt, was aber – auch wegen der hohen Kosten – auf lange Sicht nicht gelingt.
Kontrolliert wird der Vorstand von einem Kuratorium. Das wiederum hat sich für Fragen der Geldanlage einen Anlageausschuss berufen. Darin sitzen Berater, die bisher nicht als Spekulanten, sondern als langfristig denkende Vermögensverwalter mit zum Teil eindeutig ökologischem Anstrich in Erscheinung getreten sind: Maximilian Zimmerer etwa, bis Ende vorigen Jahres bei der Allianz als Vorstand für das Investment Management zuständig. Sein Credo dort: „Wir verfallen nicht in Euphorie, wenn andere Höchstkurse bejubeln, wir sparen uns aber auch jede Panik, wenn es mal kurzzeitig nach unten geht.“Oder Mats Andersson, einst Chef des nationalen schwedischen Pensionsfonds. Als er voriges Jahr altershalber ging, riefen ihm Branchendienste nach, der Pensionsfonds verliere mit ihm einen der führenden Anwälte für Nachhaltigkeit.
Der Fonds hat sich zu seinen Renditezielen noch nicht geäußert. Die Stiftungen, die vom Deutschen Stifterverband betreut werden, haben 2016 den Kurswert ihres Vermögens von gut drei Milliarden Euro mit knapp 2,5 Prozent verzinsen können.
Umweltschützer befürchten, die 24 Milliarden Euro plus möglicher Anlagegewinne könnten nicht reichen. Die Versorger sagen, wenn das so sein sollte, liege es auch am Bund, der trotz jahrzehntelanger Suche noch kein Endlager gefunden habe. Jedenfalls sind die endgültigen Kosten für Zwischen- und Endlagerung nur schwer abzuschätzen. Beim Rückbau gibt es schon Erfahrungen und halbwegs sichere Kostenkalkulationen.